Sozialer Klimaschutz

Gewerkschaften Es braucht einen sozial-ökologischen Wandel. Darüber sind sich Klimaaktivist*innen und Gewerkschaften einig. Die Frage ist, wie sie zusammen arbeiten können

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Wie wäre es denn damit?
Wie wäre es denn damit?

Foto: John MacDougall/AFP/Getty Images

Spätestens nach dem Klimapaket ist klar: Die Politik hat nicht wirklich vor, das Problem der Klimakrise anzugehen, geschweige denn zu bewältigen. Oder es wenigstens zu versuchen. An einem Tag, an dem 1,4 Millionen Menschen in Deutschland für Klimaschutz auf der Straße waren, hat die deutsche Bundesregierung ein Klimaschutzpaket verabschiedet, das fast zwei Dritteln der deutschen Bevölkerung zu wenig ambitioniert war. Sie kann also nicht einmal mehr behaupten, sie müsse auf die Wünsche der Menschen achten.

Nun ist klar: Streiken reicht nicht mehr. Über ein Jahr Schulstreiks haben das Thema zwar auf die Agenda, aber nicht in die Entscheidungen der Politik gebracht. Nicht nur FridaysForFuture, sondern auch viele Wissenschaftler kritisierten das Tun der Regierung als Bankrotterklärung und Absage an die Pariser Klimaziele. Jetzt muss sich die Bewegung neue Wege einfallen lassen, sich Gehör zu verschaffen. Wir müssen mehr werden, breiter, radikaler und stärker, um wirksamen Klimaschutz durchzusetzen.

Verschiedenste Gruppen aus der Gesellschaft haben sich schon der ursprünglichen Gruppe der Schüler*innen angeschlossen. Ob Scientists, Parents, Grandparents oder Psychologists – viele sind mittlerweile Teil der ForFuture-Bewegung. Jetzt sind die Klimaaktivist*innen dabei, auf die Gewerkschaften zuzugehen und die Arbeitnehmer*innen, die Arbeiterklasse, zu erreichen. In Deutschland sind 5-6 Millionen Menschen in Gewerkschaften organisiert, sodass diese eine starke ökonomische Macht entfalten können.

Zusammen, so die Hoffnung, könnten Gewerkschaften und Klimaaktivist*innen Diskurshoheit erreichen und gleichzeitig genug Druck ausüben, damit sich die Politik endlich mit ihren Forderungen substanziell auseinandergesetzen muss. Allerdings werden in Deutschland gerne Arbeitsplätze und deren Sicherheit in der Zukunft gegen Klimaschutz und strukturellen Wandel ausgespielt. Gerade in der Braunkohleindustrie prallen vermeintlich gegensätzliche Anliegen aufeinander. Trotzdem, oder vielleicht genau deswegen, ist der Zusammenschluss so wichtig.

Eigentlich sind wir uns einig, wir brauchen die Erde

Mit einem Brief haben sich die Klimaaktivist*innen an die Gewerkschaften gerichtet und um Unterstützung zu den globalen Klimastreiks sowie weitere Zusammenarbeit gebeten. Die IG Metall und ver.di haben sich mittlerweile offiziell mit der Klimabewegung solidarisiert, gerade die Jugenden der Gewerkschaften nehmen an der freitäglichen Streiks in den großen Städten teil und fordern einen nachhaltigen Wandel der Arbeitswelt. Denn dass der Umbruch hin zu einer nachhaltig organisierten Gesellschaft und Wirtschaft sozial verträglich gestaltet werden muss, darin sollten sich alle einig sein.

Doch damit ging es erst los. Die eigentliche Vernetzung und Zusammenarbeit muss lokal passieren, damit sie tatsächlich die Menschen erreicht und dauerhafte Bande knüpfen kann. Und so treffen sich in ganz Deutschland Ortsgruppen der Fridays For Future mit Gewerkschaftsvertreter*innen – auch bei uns. Und wir stießen auf mehr Entgegenkommen und Begeisterung, als wir es erwartet hätten.

Denn schnell war klar: Eigentlich sind wir uns wirklich einig. Die IG Metall hat den Schutz der Umwelt in ihrer Satzung stehen, und sie steht hinter den Klimazielen von Paris. Sie ist für das Erreichen des 1,5 Grad-Ziels und eine nachhaltige Umstrukturierung der Wirtschaft. Sie ist dafür, diesen Planeten zu erhalten, für die Kinder, für Arbeitnehmer*innen. Daran zweifelt selbst in dieser Automobilhersteller-Hochburg im reichen Bayern niemand der anwesenden Gewerkschafter.

Auf der Ebene der Gewerkschafter*innen und Gewerkschaftsjugenden hat sich ebenfalls schon vieles getan: Die IG Metall Bayern hat eigene Forderungen an die Bayerische Regierung gestellt, die die Pariser Klimaziele und deren sozial verträgliche Umsetzung betreffen. Sie steckt in europäischen und internationalen Zusammenschlüssen für das Klima, sie ist vernetzt mit Umweltverbänden und Organisationen. Sie ist sich ihrer Verantwortung also durchaus bewusst. Und das macht Hoffnung.

Die Frage ist nicht ob, sondern wie

Eine Zusammenarbeit der Klimaaktivist*innen und der Arbeitenden ist also von Seite der Gewerkschaften tatsächlich gewünscht. Ziele werden geteilt und auf verschiedenen Wegen jeweils auf eine bessere Welt, eine Rettung der Welt, hingearbeitet. Nichtsdestotrotz gebe es bei den Mitgliedern der Gewerkschaften auch viel Skepsis. Angst um Arbeitsplätze überdecke oft alles andere, Konkurrenzdruck und drohender Stellenabbau hänge wie eine ständige Drohung über vielen Angestellten. Und das mache sie nicht unbedingt zu Freunden der Klimabewegung.

Das Problem liegt in der Kommunikation. Die meisten Menschen erreichen die Forderungen der Klimabewegung nur über Medien oder Soziale Netzwerke, wo diese nur in Teilaspekten und zugespitzt weitergegeben werden. Moralismus herrscht vor, viele stehen vermeintlich unter der ständigen Anschuldigung, nicht nahhaltig genug zu leben. Das verursache vor allem Unmut – verständlicherweise. Denn auf diesem indirekten Kommunikationsweg wird kaum auf die soziale Umsetzung gepocht, die in der Klimabewegung außer Frage steht. Und das mache es der AfD leicht, zu polarisieren und Menschen mit ihrer Ablehnung allen Klimaschutzes anzuziehen.

Es geht also erstmal um Aufklärung. Aufklärung darüber, dass es natürlich einen sozial-ökologischen Wandel braucht, eine Politik, die Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit und demokratischer Mitsprache verbindet. Eine Politik, die sich der ambitionierten Klimaziele der FridaysForFuture und gleichzeitig der Beschäftigungs- und Weiterbildungsgarantie der Gewerkschaften annimmt sowie der ihnen gemeinsamen Forderung nach demokratischem Voranbringen dieser Gesellschaft.

Es braucht eine funktionierende Kommunikation darüber, dass das Problem der Klimakrise nicht die „einfachen Arbeiter*innen“ sind, sondern der Luxuskonsum. Die obersten 10% unserer Gesellschaft verursachen fast die Hälfte der CO2-Emmissionen – und hier müssen wir ansetzen. Es geht nicht darum, dem einzelnen morgen sein Auto wegzunehmen – es geht um Strukturwandel, der dabei alle mitnimmt. Denn dass wir tonnenweise CO2 einzusparen haben, ist klar – wie, das ist die Frage.

Positive Utopien schaffen

Und dafür benötigen wir das Know-How der Gewerkschaften, die wissen, was Menschen brauchen. Die Tarifverträge aushandeln und Arbeiter*innen vertreten. Die verbindliche Qualifizierungsrechte für Beschäftigte fordern und Transformations-Kurzarbeitergeld für die Zeit des Umbaus. Die wie wir eine klimafreundliche Verkehrswende und den Ausbau erneuerbarer Energien einführen wollen. Die Mitbestimmungsrechte beanspruchen und verbindliche Zusagen der Arbeitgeber.

Denn wir haben einen gemeinsamen Feind, das Wohlstandsdenken und den Wachstumszwang, die Klimaschutz unmöglich und gerechte Arbeitsbedingungen sowie Verteilung schwierig machen. In dieser Form des Kapitalismus sind sowohl Klimaschutz als auch Arbeitnehmergerechtigkeit nicht erreichbar. Dieser gemeinsame Feind verbindet und fordert gemeinsame Kämpfe.

Das kann man also positiv sehen: Wir haben ein gemeinsames Ziel, ein „gutes Leben“ für alle, und unter dieses gute Leben fallen eine bewohnbare Erde, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, soziale Gerechtigkeit, demokratisches Miteinander. Wir dürfen das nicht nur als Herausforderung, sondern auch als Chance sehen. Als Chance für einen Umbruch hin zu einem besseren Leben für alle.

Das macht Hoffnung darauf, dass wir doch noch die Mehrheit der Gesellschaft zusammen- und voranbringen, gemeinsam ein besseres, klimaschonendes, menschliches Leben zu gestalten. Denn eigentlich sind wir uns alle einig. Jetzt brauchen wir noch einen praktikablen Weg. Damit alle dabei sind.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sarah Kohler

60. Kompaktklasse an der Deutschen Journalistenschule in München

Sarah Kohler

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