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Diskriminierungen Strukturelle Probleme müssen zusammen gedacht werden. Sexismus ist nicht ohne Klassismus ist nicht ohne Rassismus denkbar. Die Kämpfe dagegen müssen vereint werden

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Die Kämpfe gegen Rasissmus, Klassismus, Sexismus, Homphobie – mithin gegen jede Form der Diskriminierung – gehören unteilbar zusammen
Die Kämpfe gegen Rasissmus, Klassismus, Sexismus, Homphobie – mithin gegen jede Form der Diskriminierung – gehören unteilbar zusammen

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Wenn Frauen* wie am Frauen*kampftag (aber auch tagtäglich) zu mehr Geschlechtergerechtigkeit aufrufen, wenn sie fordern, die Politik solle endlich Instrumente dafür schaffen, wenn sie unter Hashtags Diskussionen über Sexismus, sexualisierte Gewalt und gendergerechte Sprache anstoßen – dann kommt bestimmt irgendwo ein Mann daher (meistens ist es ein Mann, ja) und meint, wir hätten doch wirklich größere Probleme, die man zuerst angehen müssen, dann könne man über Gendersternchen diskutieren.

Das regt auf, und das erntet zu Recht scharfen Widerspruch. Es gibt Probleme, die sind sichtbar, es gibt Probleme, die werden diskutiert, die stehen auf Titelseiten und in Talkshowtiteln – und ja, die können wichtig sein, aber sie sind nicht wichtiger als andere. Diskriminierung ist manchmal sichtbar und manchmal nicht, deshalb muss darauf gestoßen werden. Und das bitte nicht „zuerst mal auf die richtigen Probleme“ und dann kümmern wir uns um den Rest.

Es sollte keine Hierarchisierung grundlegender struktureller Probleme geben. Sexismus, Rassismus, Klassismus (der so gerne von den einen vergessen und von den anderen als einzig wahres Problem, mit dem es sich zu beschäftigen gilt, deklariert wird), Homophobie, Antisemitismus, Diskriminierungen auf Grund von Behinderungen – die Liste aktueller diskriminierender Strukturen ist unendlich, und sie ist nicht hierarchisch. Gruppenspezifische Menschenfeindlichkeit sind sie alle samt – und sie sind nur zusammen anzugehen.

Die verschiedenen strukturellen Diskriminierungen, die sich im tagtäglichen Leben Betroffener ständig und ununterbrochen in beinahe allem zeigen, sie hängen zusammen. Die Bekämpfung der einen sollte nicht auf Kosten anderer gehen, die soziale Frage nicht ohne die Geschlechterfrage nicht ohne grundlegende Fragen von Diskriminierung auf Grund von Herkunft, Religion, Aussehen, sexueller Orientierung gedacht werden.

Wie ein Netz

Es ist keine Treppe, bei der Stufe für Stufe ein Problem nach dem anderen gelöst werden kann. Wenn wir heute die Klassen aus der Welt schaffen (schön wär`s), können wir morgen den Sexismus angehen. Nein, es ist ein Netz, bei dem, wenn an einem Ende gezogen wird, verschoben wird, neu verknüpft oder zerrissen wird, es sich auf alles andere auswirkt. Am besten, Zusammenhänge werden also gleich mitgedacht.

Das ist das Prinzip der Intersektionalität. Menschen haben nicht nur eine Eigenschaft, sie haben viele und damit überschneiden sich Diskriminierungsformen. Das klassische Beispiel ist die schwarze Frau aus der Arbeiterschicht, die oft mit Sexismus, Rassismus und Klassismus (mindestens) zu kämpfen hat. Angela Davis argumentiert deshalb, dass es keinen Feminismus ohne Anti-Rassismus (ohne Anti-Klassismus…) geben kann. Das klassische Gegenbeispiel wäre wohl der „alte weiße Mann“, der als Figur alle Privilegien in sich vereint: Mann, weiß, etabliert.

Natürlich sehen verschiedene Menschen verschiedene Probleme als eindringlicher und präsenter an. Oft, weil sie betroffen sind, oder es ihnen näher ist. Und das ist gut so. Wer betroffen ist, kann am besten verstehen und beurteilen (was nicht heißt, dass andere es nicht wenigstens nachvollziehen können), was schief läuft. Wenn sich diese unterschiedlichen Menschen zusammentun mit ihren unterschiedlichen Akzenten, und idealerweise gemeinsam für die Abschaffung aller dieser Diskriminierungsformen kämpfen, ist am meisten gewonnen. Es geht nur zusammen, kollektiv, nicht individuell und nicht gegeneinander. Das ist das Prinzip der Solidarität.

Denn letztendlich geht es um Gerechtigkeit, um Chancengleichheit und Wahlfreiheit für alle. Und dafür müssen wir gemeinsam kämpfen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sarah Kohler

60. Kompaktklasse an der Deutschen Journalistenschule in München

Sarah Kohler

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