Wenn Weltsichten zusammen kommen

FridaysForFuture Das Thema Klimaschutz bringt Menschen unterschiedlichster politischer Einstellungen zusammen. Das ist gut, erfordert aber auch sehr viel Geduld miteinander

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Wenn Weltsichten zusammen kommen

Foto: imago images / snapshot

„Studis aller Fakultäten vereinigt euch!“ – Unter diesem Motto veranstalteten die StudentsForFuture am Montag ihre erste studentische Vollversammlung zum Thema Klima in Eichstätt. Und tatsächlich, es kamen sehr viele Menschen unterschiedlichster Fakultäten – und damit unterschiedlichster Einstellungen, Denkweisen, politischer Richtungen, Interessen und Wissens. Das war gut, das war das Ziel. Aber es machte die Sache ungewöhnlich anstrengend, sogar für eingefleischte Aktivist*innen. Denn es mussten eine Menge Weltsichten vereinigt werden.

In dieser Bewegung für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, die seit mehreren Monaten weltweit tobt und streikt und schreibt und spricht, treffen die verschiedensten Menschen zusammen. Das Thema Klima ist ein Thema, das alle beschäftigen sollte und – wenigstens fast – Menschen aller sozialen Hintergründe und politischen Denkweisen tatsächlich zum Mitreden – und manchmal sogar zum Mitmachen – bringt. Das ist gut, denn es geht um unsere Zukunft. Aber damit müssen grundlegende Dinge immer wieder aufs Neue ausgehandelt werden.

Unsere Vollversammlung wurde geleitet von Aktivist*innen, die durchaus schon von Vollversammlungen an sich gehört hatten, und das v.a. in einem möglichst basisdemokratischen Kontext. Sie hatten eine Vorstellung davon, was dieses Plenum sein sollte, wie diese Plattform für Debatte genutzt werden sollte – und zum Nachdenken und zum Handeln.

Nichtsdestotrotz war es nicht einfach, alle in dieses Handlungsprogramm, in diese Vorstellung, einzubinden und sich auf die gleichen grundlegenden Prinzipien und dasselbe Verständnis dessen, was hier getrieben werden sollte, einzulassen. Und trotzdem hat es irgendwie geklappt. Und das war gut, aber auch anstrengend für diejenigen, die diese Idee vorformen und ausbreiten und vorleben mussten.

Diskussionen um das, was man gerne für selbstverständlich halten wollte

Diese Vollversammlung zum Klima wurde ein Debattenforum für Weltanschauungen. Auf der einen Seite wurde gepocht auf kollektive Aktionen, auf politischen Druck und die Veränderungen, die im Großen geschehen mussten, auf systemische Veränderung und vereinte Kämpfe. Auf der anderen Seite wurden individuelle Handlungen und Veränderungen und Schuld gefordert, darauf bestanden, dass jede*r nur bei sich selbst anfangen könne. Wie wenig Verständnis für das Ausmaß von Veränderungen und die Tropfen auf den heißen Stein da war – das überraschte, das forderte heraus. Denn natürlich sind diese kleinen Schritte wichtig. Doch was bringen sie schon ohne grundlegende Veränderungen.

Und dann wird es schwierig, denn das Ziel ist schließlich, alle mitzunehmen, niemanden zu verjagen, niemandem seine Meinung abzusprechen, alle mit ins Boot zu holen – und das am besten so friedlich und doch so überzeugend wie möglich. Das ist wichtig, das war allen klar. Und trotzdem ist es anstrengend, Dinge, die in den eigenen Kreisen, unter den eigenen Aktivist*innen, in der eigenen Bubble als grundlegend und selbstverständlich angenommen werden, immer neu aufrollen und erklären zu müssen.

Nichtsdestotrotz ist es wichtig. Es ist wichtig, alle einzubeziehen, alle mitzunehmen, alle zu Wort kommen zu lassen und ernst zu nehmen – und dabei ein gemeinsames Bild und eine geteilte Wahrheit über die Welt zu erschaffen und dadurch den Weg, wie sie zu verändern ist. Es ist wichtig, dabei nicht arrogant zu wirken, auch seine eigenen Ansichten infrage zu stellen und herauszufordern, dabei möglichst nicht zu verzweifeln, sondern überzeugend zu bleiben und respektvoll – und nicht am Ende des Tages völlig desillusioniert über die Welt und ihre Bewohner*innen zu sein.

Denn eine Bewegung, die muss erst einmal aufgebaut, die muss erst einmal groß, die muss erst einmal mitreißend werden, bevor sie erfahren werden kann. Die Macht von Kollektiven, von gemeinsamem gesellschaftlichen Druck, von gesammelten Bewegungen und Aktionen, die muss erst einmal erlebt werden – dann kann man viele überzeugen.

Vereinigung ist unsere einzige Chance

In dieser vollen Aula, in der sich trotz Sommerhitze und Abendessenszeit mehrere hunderte Studierende zusammengefunden hatten, entstand ein Ansatz dieses Gefühls. Diskutierende sprachen Mengen an, Mengen reagierten, Menschen reagierten und stimmten sich gegenseitig zu und applaudierten und unterstützten sich. Und wenn sie dann noch über gemeinsame Forderungen abstimmten, dann war endgültig ein Gemeinschaftsgefühl entstanden, das sich so schnell nicht mehr leugnen lässt.

Ja, Menschen unterschiedlichster Richtung zusammenzubringen, schon lange erkannte Wahrheiten zu diskutieren, zusammenprallende Weltsichten friedlich auseinanderzudividieren, neue Formen von Zusammenarbeit und Mobilisierung auszuprobieren, das ist anstrengend. Aber es lohnt sich – hoffentlich. Denn das Gefühl, gemeinsam etwas schaffen zu können, ja, wirklich schaffen zu können und Dinge einzufordern – das ist es wert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sarah Kohler

60. Kompaktklasse an der Deutschen Journalistenschule in München

Sarah Kohler

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