Der Sound der neuen deutschen Außenpolitik

Sicherheitskonferenz Eingestimmt und abgestimmt macht die Regierung die Münchner Sicherheitskonferenz zur Bühne für ihre außenpolitische Wende und Ambitionen auf einen UN-Sicherheitsratssitz

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Außenminister Frank Steinmeier am 1. Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz
Außenminister Frank Steinmeier am 1. Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz

Foto: Joerg Koch/ AFP/ Getty Images

Wie sich die neue deutsche Außenpolitik anhört, ließ sich in den letzten Tagen bereits erahnen, als sich die Verteidigungsministerin und der Außenminister auf die Münchner Sicherheitskonferenz einstimmten. Steinmeier hält Deutschland für zu groß für die von seinem Vorgänger verfolgte Politik der Zurückhaltung und setzte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung die Zäsur für mehr Einmischung. Das diplomatische Corps am Werderschen Markt kann es kaum erwarten, aus dem von Westerwelle gesponnenen Kokon der Puppenruhe zu schlüpfen, um das Zepter des außenpolitischen Handelns unter dem neuen alten Dienstherrn wieder in die Hand zu nehmen. Indes gab von der Leyen, nachdem sie mit ihren fürsorglichen Tönen gegenüber der Truppe die von de Maizière verspielte Beliebtheit bei den Soldaten zurückgewonnen hatte, den Auftakt zu mehr militärischer Verantwortung in Afrika. Mit einer anderen Reihenfolge hätte sich die Verteidigungsministerin die Bundeswehr schon gleich zu Beginn ihrer Amtszeit verdrießt.

Diese Einlassungen sind nicht als flüchtiges Motiv eines Profilierungs-Duetts, oder gar in ihren vermeintlich unterschiedlichen Nuancen und Reibungen zu entschlüsseln, wie manche Kommentatoren flugs losinterpretierten. Dazu ist der Resonanzraum zu groß. Seit einigen Krisenjahren schon schreiben sich deutsche Journalisten die Finger über die hegemoniale Stellung des Landes innerhalb Europas wund. Nicht immer reüssieren sie dabei, das heimliche Ergötzen daran zu kaschieren. Dass auch die Bevölkerung selbst keinen Zweifel an der Stärke Deutschlands hegt, davon zeugt der Wahlsieg jener Partei, die das Credo vom starken Deutschland im Ostinato zum Ohrwurm gemacht hat. Und auch aus dem Ausland flüsterte und knisterte es schon länger unruhig in Erwartung des deutschen Einsatzes. Die USA scheuten auch keine Zwischenrufe, in denen sie die Bundesregierung zu mehr Verantwortung in der NATO und zur Bewältigung der Euro-Krise ermahnten. Weil die polyphone EU zu kompliziert ist, hört Peking lieber zu, was aus den großen europäische Hauptstädten zu vernehmen ist und zeigt sich gegenüber der Berliner Akustik besonders hellhörig, wie die bilateralen Regierungskonsultationen offenbaren.

Die Spannung und Aufmerksamkeit auf den neuen Ton der deutschen Außenpolitik verdichteten sich dieser Tage in den Meldungen über das formidable Image unseres weltpolitischen Schwergewichts in der amerikanischen Öffentlichkeit und der Aufforderung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zu mehr internationalem Engagement Deutschlands. Auch wenn dabei das Politische stimmführend sein soll, wie die Kanzlerin auf der gemeinsamen Pressekonferenz im Kanzleramt gleich beschwichtigte, die Rückkehr Deutschlands ins Konzert der Weltmächte wird nicht ohne militärische Begleitung über die Bühne gehen. Das machte Ban Ki-moon mit Bezug auf Zentralafrika klar. Ein militärisches Engagement, so die höchste Stimme der internationalen Gemeinschaft, könne für das deutsche Bemühen um einen permanenten Sitz im Sicherheitsrat positiv sein.

Das weltordnungspolitische Leitmotiv

Und so taucht es wieder auf, das versteckte weltordnungspolitische Leitmotiv der Berliner Republik, das Gerhard Schröder Ende 2004 einführte, als Frank-Walter Steinmeier noch Kanzleramtschef war. Doch die von Deutschland artikulierten Ambitionen auf eine ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat konnten damals die Dissonanzen der durch den Irakkrieg getrübten transatlantischen Beziehungen nicht durchdringen. Fast ein Jahrzehnt lang blieb es stumm um eines der exponiertesten strategischen Ziele deutscher Außenpolitik. Nein, Deutschland wird eine aktivere Rolle nicht einfach aufgedrängt. Auch wenn es sich bitten lässt, insgeheim ist hierzu der Wunsch innerhalb eines großen Teils der politischen Klasse und des publizistischen Establishments schon lange da und wurde immer wieder reiteriert.

Der Auftritt und die Grundsatzrede des Bundespräsidenten zum 50jährigen Jubiläum der Münchner Sicherheitskonferenz zeigen, wie fein abgestimmt die Bundesregierung die Öffentlichkeit auf diese außenpolitische Wende vorbereiten will. Der Präsident, die Kanzlerin und ihre Minister sind sich dessen bewusst, dass zwar nicht in der Wahrnehmung der Potenz Deutschlands, wohl aber in der Frage, ob die Ausübung militärischer Gewalt Frieden und Geltung der Menschenrechte sichert, der politisch-publizistische Mainstream und die öffentliche Mehrheitsmeinung weit auseinander klaffen. Auch wenn die zentralen Motive der deutschen Beteiligung an internationalen Militäreinsätzen - Bündnistreue, Systemerhalt und Sicherung von Einfluss – in der Debatte den Platz einnähmen, der ihnen der Lauterkeit wegen gebührt, wird dies die Zweifel und Ablehnung gegenüber militärischer Gewalt in der deutschen Öffentlichkeit nicht ausräumen. Die Bundesregierung und der Bundespräsident würden damit aber wahrhaft politische Verantwortung übernehmen und zumindest anerkennen, dass das Zusammenspiel werte- und interessengeleiteter Außenpolitik oftmals nur in der Rhetorik harmonisch vonstatten geht.

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