Wie sich die neue deutsche Außenpolitik anhört, ließ sich in den letzten Tagen bereits erahnen, als sich die Verteidigungsministerin und der Außenminister auf die Münchner Sicherheitskonferenz einstimmten. Steinmeier hält Deutschland für zu groß für die von seinem Vorgänger verfolgte Politik der Zurückhaltung und setzte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung die Zäsur für mehr Einmischung. Das diplomatische Corps am Werderschen Markt kann es kaum erwarten, aus dem von Westerwelle gesponnenen Kokon der Puppenruhe zu schlüpfen, um das Zepter des außenpolitischen Handelns unter dem neuen alten Dienstherrn wieder in die Hand zu nehmen. Indes gab von der Leyen, nachdem sie mit ihren fürsorglichen Tönen gegenüber der Truppe die von de Maizière verspielte Beliebtheit bei den Soldaten zurückgewonnen hatte, den Auftakt zu mehr militärischer Verantwortung in Afrika. Mit einer anderen Reihenfolge hätte sich die Verteidigungsministerin die Bundeswehr schon gleich zu Beginn ihrer Amtszeit verdrießt.
Diese Einlassungen sind nicht als flüchtiges Motiv eines Profilierungs-Duetts, oder gar in ihren vermeintlich unterschiedlichen Nuancen und Reibungen zu entschlüsseln, wie manche Kommentatoren flugs losinterpretierten. Dazu ist der Resonanzraum zu groß. Seit einigen Krisenjahren schon schreiben sich deutsche Journalisten die Finger über die hegemoniale Stellung des Landes innerhalb Europas wund. Nicht immer reüssieren sie dabei, das heimliche Ergötzen daran zu kaschieren. Dass auch die Bevölkerung selbst keinen Zweifel an der Stärke Deutschlands hegt, davon zeugt der Wahlsieg jener Partei, die das Credo vom starken Deutschland im Ostinato zum Ohrwurm gemacht hat. Und auch aus dem Ausland flüsterte und knisterte es schon länger unruhig in Erwartung des deutschen Einsatzes. Die USA scheuten auch keine Zwischenrufe, in denen sie die Bundesregierung zu mehr Verantwortung in der NATO und zur Bewältigung der Euro-Krise ermahnten. Weil die polyphone EU zu kompliziert ist, hört Peking lieber zu, was aus den großen europäische Hauptstädten zu vernehmen ist und zeigt sich gegenüber der Berliner Akustik besonders hellhörig, wie die bilateralen Regierungskonsultationen offenbaren.
Die Spannung und Aufmerksamkeit auf den neuen Ton der deutschen Außenpolitik verdichteten sich dieser Tage in den Meldungen über das formidable Image unseres weltpolitischen Schwergewichts in der amerikanischen Öffentlichkeit und der Aufforderung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zu mehr internationalem Engagement Deutschlands. Auch wenn dabei das Politische stimmführend sein soll, wie die Kanzlerin auf der gemeinsamen Pressekonferenz im Kanzleramt gleich beschwichtigte, die Rückkehr Deutschlands ins Konzert der Weltmächte wird nicht ohne militärische Begleitung über die Bühne gehen. Das machte Ban Ki-moon mit Bezug auf Zentralafrika klar. Ein militärisches Engagement, so die höchste Stimme der internationalen Gemeinschaft, könne für das deutsche Bemühen um einen permanenten Sitz im Sicherheitsrat positiv sein.
Das weltordnungspolitische Leitmotiv
Und so taucht es wieder auf, das versteckte weltordnungspolitische Leitmotiv der Berliner Republik, das Gerhard Schröder Ende 2004 einführte, als Frank-Walter Steinmeier noch Kanzleramtschef war. Doch die von Deutschland artikulierten Ambitionen auf eine ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat konnten damals die Dissonanzen der durch den Irakkrieg getrübten transatlantischen Beziehungen nicht durchdringen. Fast ein Jahrzehnt lang blieb es stumm um eines der exponiertesten strategischen Ziele deutscher Außenpolitik. Nein, Deutschland wird eine aktivere Rolle nicht einfach aufgedrängt. Auch wenn es sich bitten lässt, insgeheim ist hierzu der Wunsch innerhalb eines großen Teils der politischen Klasse und des publizistischen Establishments schon lange da und wurde immer wieder reiteriert.
Der Auftritt und die Grundsatzrede des Bundespräsidenten zum 50jährigen Jubiläum der Münchner Sicherheitskonferenz zeigen, wie fein abgestimmt die Bundesregierung die Öffentlichkeit auf diese außenpolitische Wende vorbereiten will. Der Präsident, die Kanzlerin und ihre Minister sind sich dessen bewusst, dass zwar nicht in der Wahrnehmung der Potenz Deutschlands, wohl aber in der Frage, ob die Ausübung militärischer Gewalt Frieden und Geltung der Menschenrechte sichert, der politisch-publizistische Mainstream und die öffentliche Mehrheitsmeinung weit auseinander klaffen. Auch wenn die zentralen Motive der deutschen Beteiligung an internationalen Militäreinsätzen - Bündnistreue, Systemerhalt und Sicherung von Einfluss – in der Debatte den Platz einnähmen, der ihnen der Lauterkeit wegen gebührt, wird dies die Zweifel und Ablehnung gegenüber militärischer Gewalt in der deutschen Öffentlichkeit nicht ausräumen. Die Bundesregierung und der Bundespräsident würden damit aber wahrhaft politische Verantwortung übernehmen und zumindest anerkennen, dass das Zusammenspiel werte- und interessengeleiteter Außenpolitik oftmals nur in der Rhetorik harmonisch vonstatten geht.
Kommentare 7
Sehr interessanter Beitrag,
Der Auftritt und die Grundsatzrede des Bundespräsidenten zum 50jährigen Jubiläum der Münchner Sicherheitskonferenz zeigen, wie fein abgestimmt die Bundesregierung die Öffentlichkeit auf diese außenpolitische Wende vorbereiten will.
Ja, und alle arbeiten mit daran. "Fein abgestimmt" - das ist mir auch aufgefallen. Vor allem der mediale Einheitschor.
Auch wenn die zentralen Motive der deutschen Beteiligung an internationalen Militäreinsätzen - Bündnistreue, Systemerhalt und Sicherung von Einfluss – in der Debatte den Platz einnähmen, der ihnen der Lauterkeit wegen gebührt, wird dies die Zweifel und Ablehnung gegenüber militärischer Gewalt in der deutschen Öffentlichkeit nicht ausräumen. Die Bundesregierung und der Bundespräsident würden damit aber wahrhaft politische Verantwortung übernehmen und zumindest anerkennen, dass das Zusammenspiel werte- und interessengeleiteter Außenpolitik oftmals nur in der Rhetorik harmonisch vonstatten geht.
Verstehe, dort gehts also lang. Aber mit solchen Postulaten wird die Akzeptanz nicht größer werden. Darum geht es ja auch gar nicht. Man kann irgendwann - nach ausreichenem medialer und Öffentlichkeitsarbeit - behaupten, die Akzeptanz sei am Wachsen. Sie sind ja auch fleißig mit am Werkeln.
Sehr schöner Artikel! Eine so fundamentale Wende in Ton und bald auch Tat deutscher Außenpolitik verdient natürlich eine Analyse dessen, wie konzertiert die Akteure in den vergangenen Tagen und Wochen den Boden bereitet haben. Ihnen ist klar: Das deutsche Volk ist das Haupthindernis gegen das Übernehmen von "Verantwortung" auf der internationalen Bühne. Dass sich Verantwortung nicht in erfolgreicher Diplomatie sondern in möglichst hohen Verteidigungsausgaben widerspiegelt, ist ja ohnehin Grundtenor des transatlantischen Dialogs. Das mit dem Sicherheitsratssitz wird trotzdem nicht klappen.
Aber was soll der Defaitismus: Vielleicht kann sich ein Deutschland, das außenpolitisch aktiver und selbstbewusster auftritt, auch wieder leisten, eigene Standpunkte zu verteidigen. Und nicht länger sämtliche außenpolitische Entscheidung einfach der Bündnistreue unterordnen.
Der wirkliche "Dammbruch" geschah schon 1999 unter Rot-Gruen, massgeblich vorangetrieben von Aussenminister Fischer und der Schroeder-Hombach-Truppe in der SPD. Ich wuerde behaupten, dass eine CDU-Regierung dies gegen die Mehrheit im Lande nicht haette durchsetzen koennen; dazu bedurfte es der "volksnahen" SPD und der "moralisch-friedensbewegten" Gruenen. Steinmeier hat diese neue Linie spaeter konsequent weiterverfolgt - und tut dies selbstverstaendlich auch heute wieder, wenn es darum geht, diese neue Aussenpolitik zu intensivieren und verstetigen, und dabei die Bevoelkerung einigermassen mitzunehmen.
Dass dem Publikum dazu eine angebliche bisherige "Zurueckhaltung", ein "passiver Blick von der Aussenlinie" suggeriert wird, und die internationalen Stimmen herausgestellt werden, die das Land zu mehr "Uebernahme von Verantwortung" auffordern, gar draengen, ist Taktik im politischen Spiel - mit der Realitaet hat es wenig bis nichts zu tun.
Hört man sich die Reden der Herren Gauck und Steinmeier auf der "Sicherheitskonferenz" genau an, fällt auf, dass niemals von "Militär" etc. gesprochen wird. Ich nehme an, dass beider Herren Reden vor ihrer Abreise nach München sehr genau im Kanzleramt durchgecheckt wurden auf Spuren von Konkretem. Die Aussagen des Bundespräsidenten sind derart konkretlos, dass man sich fragt, was er da eigentlich sgen will. Eine klare Initiative für ein militärisch starkes Deutschland ist diese Rede nicht. Herrn Steinmeiers Rede ist von derselben Art. Militärs, Waffenhersteller, ihre potentiellen und echten Kunden, Banker, Geostrategen und die Schwecht ihrer üblichen Hofberichtserstatter, welche das Publikum dieser Konferenz ausmachen, haben da weniger Verständnisschwierigkeiten als ich.
Ja, dann wollen wir mal schauen, wie sich unser Außenminister demnächst verhält, wenn es ganz konkret um den Einfluß der deutschen Politik auf eine nachhaltige und friedliche Lösung der Ukrainekrise geht. Schauen wir einmal, ob den Worthülsen konkrete Taten folgen.
Die Philosophie der "neuen deutschen Außen- und Sicherheitspolitik" ist nach meiner Ansicht sehr genau in diesem Strategiepapier der "Stiftung für Wissenschaft und Politik"beschrieben: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/projekt_papiere/DeutAussenSicherhpol_SWP_GMF_2013.pdf
Die Liste der Teilnehmer (am Ende der Abhandlung), welche diese Studie verfaßt haben, zeigt, dass es sich hier ähnlich der "neuen sozialen Marktwirtschaft" um ein alle politischen Parteien, mit Ausnahme der Die Linke, einschließendes Denkschema, wenn nicht Dogma, handelt. Etliche Passagen der Vorträge des Bundespräsidenten und Außenministers in der "Sicherheitskonferenz" erscheinen fast wörtliche Passagen aus dieser Strategiestudie zu enthalten.
Wölfe in Schafspelzen - Jedes Jahr reisen sie an, die Eliten, zuerst Davos, dann München. Das Ritual ist immer gleich. In München redet in diesem Jahr Herr Gauck, wie wir hören. Doch, wirklich zu sagen hat er nichts. Sie denken schon wieder an: Mehr Verantwortung übernehmen! Das heisst: Vorsicht! Immer, wenn Eliten mehr Verantwortung übernehmen wollen bzw. mehr davon, heißt das im Klartext: Härtere Gangart! Diesmal soll Deutschland einen "Zahn zulegen", militäisch! Nach 100 Jahren 1. Weltkrieg, nach 75 Jahren 2. Weltkrieg, nach `45 Vierteilung, nach `61, Zweiteilung und nach `89 Wiedervereinigung. Es wäre jetzt doch an der Zeit, als "Global Player" wieder auf der Weltbühne zu erscheinen. Was für eine Botschaft an die Welt, beim 50. Treffen der Elite internatinaler Sicheheitspolitik. Offensichtlich sollen & wollen die deutschen Eliten die "Fratze des Nationalsozialismus" hinter sich lassen und ein neues, wehrhaftes Selbstverständnis der Welt präsentieren. Zufällig ist diese Haltung nicht. Sie entspringt vielnehr der US-Doktin vom: "New American Century", liest man Andreas von Bülow. Die "Krauts" von einst, die Nummer 1 der EU heute. So könnte es dann auch endlich klappen, mit der Vollmitgliedschaft im Sicherheitsrat der UN. Ein deutscher Traum! Das alte Paradigma deutscher Eliten kennt auch heute nur eine Richtung: Den Sieg! Wie oft schon hat gerade Deutschland diese "Sucht nach Größe" in die Tiefe gestürzt? ...und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen!
Nicht Kanzler Schröder führte das Leitmotiv des ordnungspolitischen Interventionismus ein. Ruanda und Kosovo, später der Irakeinsatz der USA veranlassten die Vereinten Nationen den völkerrechtlichen Konflikt zwischen Staatssouveränität und Menschenrechtsschutz durch die Schutzverantwortung (Responsibility to Protect) scheinbar aufzuheben. Das öffnet Tür und Tor für die wertebasierte Ordnungspolitik der USA, der nun auch Deutschland auf den Leim zu gehen scheint. Und das alles im Namen eines globalen Verantwortunggefühls.