Danke GREGOR GYSI und alles Gute!

Meine sehr subjektive Sicht auf einen Vollblut-Politiker

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Als Gregor Gysi gestern auf dem Parteitag seiner Partei DIE LINKE. in Bielefeld offiziell bekannt gab, dass er für den Frak- tionsvorsitz im Bundestag nicht wieder kandidieren wird, war das zwar erwartet worden, berührte viele Delegierte aber trotzdem zutiefst.

In einem unter die Haut gehenden Rückblick erinnerte Gysi an die Jahre, nach der sog. „Wiedervereinigung“ (die eher eine Auflösung der DDR, bei gleichzeitigem Beitritt zur BRD war) und es wurde deutlich: Da spricht ein Mensch, mit menschlichen Emotionen, mit kleinen Fehlern (die jede/r hat), aber vor allem mit „Herz und Ver- stand“.

Es war die Zeit der neoliberalen sog. „Agenda 2010“, mit den „Armut per Gesetz Hartz IV-Regelungen“ des SPD Basta-Kanzlers Gerhard Schröder (heutiger Lobbyist des russischen Staats- konzerns ‚Gazprom’ und intimer Putin-Freund: „Lupenreiner Demokrat“) als Gysi und Lafontaine die beiden Parteien PDS und WASG auf einem gemeinsamen Parteitag darüber abstimmen ließen, zusammen die Partei DIE LINKE. zu gründen, um vereint mehr Akzeptanz und Gewicht zu bekommen.

Damals bin ich sofort in diese neue Partei eingetreten, gehöre ihr immer noch an und zahle meinen Mitgliedsbeitrag, obwohl ich inzwischen nicht mehr in Deutschland lebe.

Als schon seit meiner Jugend politisch links stehender Mensch (Gewerkschaftsjugend, Mitarbeit in mehreren linken Gruppie- rungen und später dem Sozialistischen Hochschulbund) freute ich mich, wenn linke Politiker ein gewisses Maß an Pragmatismus zeigten (der nichts mit Selbstverleugnung oder gar Verrat zu tun hat) und damit ein Gegengewicht zu den notorischen Spaltungs- tendenzen linker Parteien und Gruppierungen bildeten.

Gregor Gysi hat in den Jahren nach der „Wende“ (noch so ein komischer Begriff, wie auch „Wiedervereinigung“) regelmäßig seine gesamte Person eingebracht, wenn es darum ging selbst- zerfleischende Auseinandersetzungen innerhalb der Partei DIE LINKE., die letztlich immer nur dem politischen Gegner helfen, wieder auf eine sachliche Ebene zu bringen. Berüchtigt sind bis heute vor allem die selbstzerstörerischen innerparteilichen Auseinandersetzungen in den ehemaligen WASG-Hochburgen im Westen der Republik.

Was Gregor Gysi gestern in seiner Rede sehr schön heraus- gearbeitet hat, war: Es nützt wenig, sich politisch im Recht und auf der Seite der Unterdrückten und Ausgebeuteten zu wissen, wenn man Menschen nicht erreichen kann. Dass Gysi ein Meister der Kommunikation ist, hebt ihn von den meisten seiner Partei-Kollegen ab.

Wer in der Lage ist (ohne sich selbst aufzugeben) mit anderen zu sprechen, auch wenn sie aus einem ganz anderen politischen Lager oder einer anderen gesellschaftlichen Schicht stammen (Ausnahme Nazis), der hat einen unschätzbaren Vorteil gegenüber Demagogen und rechthaberisch auftretenden Partei-Funktionären.

Gregor Gysi wurde deshalb zur Gefahr für den rechten Main- stream, weil er Menschen erreichen, mit Argumenten überzeugen und auf seinem politischen Weg mitnehmen konnte, wie kaum ein anderer. Deshalb bekämpfte man ihn mit Hilfe von Verleumdungen und rhetorischen Tricks.

Lange bevor die gesellschaftliche Diskussion über die rechtliche Gleichstellung homosexueller Menschen zum Top-Thema wurde, hat Gysi seine Partei davon überzeugt sich ohne Einschränkungen dafür stark zu machen. In einem Interview mit dem (längst an wirtschaftlicher Inkompetenz gescheiterten) schwulen TV-Sender „TIMM“ überzeugte er seinen Interviewer mit der Aussage: „DIE LINKE. unterstützt alle Emanzipationsbestrebungen von Schwulen und Lesben, es war ein teilweise schwieriger Diskurs in unserer Partei nötig, aber jetzt stehen auch ältere Parteimitglieder, die einst eher skeptisch reagierten, aus voller Überzeugung dahinter.“

Dass DIE LINKE. die Öffnung der Zivil-Ehe für gleichgeschlecht- liche Lebenspartnerschaften, ohne „wenn und aber“ fordert, war und ist für Gysi selbstverständlich. Dass er persönlich als Trau- zeuge bei der Verpartnerung (Eingetragene Lebenspartnerschaft) eines befreundeten schwulen Paares dabei war, ist sympathisch, konsequent und trotzdem unter Politikern noch immer die große Ausnahme.

Vielleicht liegt Gysis Sensibilität in Sachen Minderheitenrechte auch ein wenig daran, dass sein Vater jüdisch war („Gregor Gysi hatte einen jüdischen Urgroßvater mütterlicherseits und eine jüdische Großmutter väterlicherseits. Somit ist nach jüdischer Sichtweise Gregor Gysis Vater jüdisch" - Wikipedia), Gregor zwar in privilegierten Verhältnissen in der DDR aufwuchs, lebte und arbeitete, aber den nie wirklich verschwundenen Antisemitismus spätestens nach der sog. „Wiedervereinigung“ doch sofort zu spüren bekam.

Die verstorbene Schauspielerin Inge Meysel hat damals - als Gysi antisemitisch angegangen wurde - in einem Interview erklärt: „So weit dürfe es in Deutschland nie wieder kommen, dass jemand aufgrund seiner Abstammung oder auch weil er homosexuell ist, beleidigt, ausgegrenzt und diskriminiert wird.“ Inge Meysel wusste wovon sie redete, da sie selbst den Nazis, in deren idiotischer Rassenlehre, als „Halbjüdin“ (so etwas gibt es gar nicht), weil ein Elternteil jüdisch war, galt. Sie hat sich ebenfalls schon früh für schwule Freunde eingesetzt, lange bevor das als politisch korrekt eingestuft wurde.

Lieber Gregor Gysi, danke für politisches Engagement, für Aufrichtigkeit und Rückgrat und vor allem dafür immer Mensch geblieben zu sein.

Weiterhin alles Gute und ein langes, langes Leben in Gesundheit und Zufriedenheit!

Herzlichst

Saul Rednow

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Geschrieben von

Saul Rednow

Meine Themen: Rechtsextremismus - Rassismus - Homophobie - Politik - Musik u.a.

Saul Rednow

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