Die Löwin und der Mäuserich

Eheöffnung in Frankreich couragiert betrieben, in Deutsch- land dagegen nur halbherzig unterstützt (- überarbeitete Version eines Blogs -)

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Mit der (Zivil-)Courage ist es in Deutschland offenbar tatsächlich nicht gut bestellt. Wer diese Aussage für zu pauschal und undif- ferenziert hält, dürfte wohl Probleme haben das Gegenteil zu beweisen.

Es ist noch nicht sehr lange her, dass die SPD einen Bundes- tagswahlkampf führte, der sich auch direkt an die LGBT-Wähler- schaft (geschätzte 10 - 15 % der Wählerstimmen) richtete:

"Die völlige Gleichstellung gibt es nur mit uns" lautete ein Wahl- versprechen der SPD und als etwas später ein Gleichheitszeichen, als Logo im Internet auftauchte, mit dem man seine Unterstützung für eine Eheöffnung zeigen konnte, da änderten Leute, wie Frank-Walter Steinmeier, schnell ihre Avatarbildchen ...

Als die Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU begannen, war das Thema Eheöffnung bald begraben, während eine "regionale Trachten- und Folkloregruppe" noch die unsinnigsten Stamm- tischforderungen gegenüber der SPD durchsetzen konnte ("Herd- Prämie" und PKW-Maut für Ausländer, gegen die die EU in Kürze klagen will).

Heiko Maas

Als neuer Justizminister wurde schließlich Heiko Maas (SPD) vereidigt und der war angeblich ein Unterstützer der Eheöffnung, ließ sich aber schnell entmutigen (CSU: "Mit uns wird es keine Eheöffnung geben") und begnügte sich mit lächerlichen kosme- tischen Korrekturen am veralteten sog. Lebenspartnerschafts- gesetz, die ihm noch dazu vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben waren.

https://de.wikipedia.org/wiki/Heiko_Maas

Dabei müsste lediglich die Abstimmung im Parlament frei geben werden (- ohne Koalitionszwang -) wie es regelmäßig bei sog. "Gewissensentscheidungen" ohnehin geschieht, etwa beim Gesetz zur Stammzellenforschung und die Mehrheit aus SPD-GRÜNE- LINKE würde, zusammen mit etlichen CDU-Abgeordneten, das Trauerspiel um die Schlechterstellung von schwulen und lesbischen Lebenspaaren sofort beenden.

Von einem "Bruch der Koalitionsvereinbarungen" (- die SPD hätte diesen Punkt übrigens leicht in das Koalitionspapier aufnehmen können, weil die Union auf den Koalitionspartner angewiesen war, nachdem die FDP nicht mehr zur Verfügung stand -), könnte bei solch einer freigegebenen Abstimmung nicht die Rede sein, weil jeder nur seinem Gewissen zu folgen hätte.

Sogar in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es etliche (mir namentlich bekannte) Abgeordnete, die zustimmen würden und andere, die sich wünschen, dass z.B. das Bundesverfassungs- gericht (- wie zuvor bereits in sieben Fällen, die gleichge- schlechtliche Lebenspaare betrafen -) die Bundesregierung zum Handeln zwingt. Dann könnte man sich als Union "einen schlanken Fuß" machen und die rückständige Anhängerschaft auf dem Lande darauf verweisen, "man habe es ja gar nicht so gewollt, sei aber leider dazu gezwungen worden".

Christiane Taubira

Welch ein Unterschied zu seiner französischen Amtskollegin Justizministerin Christiane Taubira. Als die französische sozialistische Regierung, unter Staatspräsident François Hollande, begann Ihr Versprechen umzusetzen und dem Parlament ein Gesetz über die Öffnung der Zivil-Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspaare zur Beratung und späteren Abstimmung vorzulegen, da kämpfte Frau Taubira im Parlament wie eine Löwin für das Gesetz.

https://de.wikipedia.org/wiki/Christiane_Taubira

Rechte und rechtsextreme Abgeordnete hatten zu einer Gene- ralabrechnung mit der sozialistischen Regierung aufgerufen, funktionierten die Fragestunden zu einer regelrechten Schlammschlacht um (Tiervergleiche wurden der Ministerin entgegengeschleudert "Ehe mit Hunden" usw.) und lenkten ihren Frust darüber nicht in der Regierung zu sein, auf die ungeliebte Eheöffnung.

Die französiche Justizministerin Christiane Taubira bot den Rechtsextremen jedoch die Stirn und kämpfte rhetorisch und argumentativ brillant, für das Gesetz, hinter dem sie, genau wie François Hollande, aus voller Überzeugung stand.

Als das Gesetz schließlich rechtskräftig verabschiedet war, organisierten im *laizistischen Frankreich katholische Fundamen- talisten, zusammen mit Rechtsextremen (- wobei sie keinerlei Berührungsängste zeigten -) etliche Großdemonstrationen.

(*Bei einem Treffen mit französischen Politikern erklärte Papst Franziskus, „dass man beschlossene Gesetze auch wieder außer Kraft setzen könne" - in Frankreich verbat man sich diese Ein- mischung von außen jedoch, so wie es einige Jahre zuvor auch bereits die spanische Regierung gegenüber dem dann zurückgetretenen früheren Papst getan hatte)

Aufgehetzte 'Normalbürger', die "den Untergang des Abendlandes" heraufziehen sahen, schlossen sich den gespenstischen Veran- staltungen an, bei denen es längst darum ging Präsident Hollande zu stürzen, der wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise in Frank- reich inzwischen "mit dem Rücken zur Wand" stand und in seiner Not versuchte Kürzungen im Sozial- und Arbeitsmarktbereich durchzusetzen (- die ich übrigens für falsch halte, da diese neoliberale Strategie immer nur die Schwächsten belastet, wäh- rend sie die Vermögenden schont ... doch das nur nebenbei -)

Justizministerin Taubira jedoch, die in Sachen Eheöffnung Rückgrat gezeigt hatte und dabei auf die Unterstützung von Hol- lande rechnen konnte, knickte auch jetzt vor dem aufgehetzten Mob genauso wenig ein, wie ihr Staatspräsident.

Das Gesetz wurde umgesetzt, Christiane Taubira erhielt daraufhin tausende Rosen von der dankbaren französischen und interna- tionalen LGBT-Minderheit und wird bis heute von schwulen Män- nern und lesbischen Frauen in aller Welt verehrt.

Die Reaktion der unterlegenen Rechtsextremen sah anders aus. Sie beschimpften Frau Taubira rassistisch (- mit widerlichen Tiervergleichen -) und schickten ihr mehrere Morddrohungen, die von der Polizei sehr ernst genommen wurden (Personenschutz).

Danke Christiane Taubira, ich wünschte Deutschland hätte eine/n ähnlich couragierte/n Justizminister/in !!!

Mein Plädoyer für die Eheöffnung:

Dass niemand (ob hetero oder homo) heiraten muss, ist eine Binse. Dass man auf die Wahrnehmung eines Rechtes aber auch nur dann verzichten kann, wenn man es zuvor überhaupt erst einmal hatte, ebenfalls.

Was als bekannt vorausgesetzt werden darf:

Das Rechtsinstitut der Zivil-Ehe regelt die rechtliche Absicherung für Partner, die dauerhaft gegenseitig füreinander einstehen wollen, die ihr künftige Leben gemeinsam in einer - ja, durchaus auch Wertegemeinschaft - miteinander verbringen wollen, sowie für die in dieser Ehe aufwachsenden Kinder (Stichworte: Unterhaltsanspruche und Erbrechte gegenüber beiden Elternteilen, ganz gleich ob hetero oder homo)

Das Eherecht regelt darüber hinaus die - über das mögliche Ende einer Ehe weit hinausreichenden - gegenseitigen Unterhaltsansprüche der Ehepartner/innen nach einer Trennung/Scheidung.

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Die Öffnung der Zivil-Ehe für schwule und lesbische Paare bedeutet:

Das Ende der verfassungswidrigen Diskriminierung von homosexuellen Menschen,

die Anerkennung und Würdigung der auf Dauer angelegten homosexuellen Lebenspartnerschaften, die (wie die heterosexuelle Ehe auch) durch gegenseitige Fürsorge und das füreinander Einstehen gekennzeichnet sind,

Rechtssicherheit für die in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft aufwachsenden Kinder (leibliche und adoptierte),

ein einheitliches Eherecht, mit identischen Pflichten und Rechten, für alle Ehe-Partner, ob hetero oder homo (wie es sich bereits in diversen anderen Ländern bewährt hat)

die Ablösung der Notlösung Lebenspartnerschaftsgesetz,

ein deutliches Signal an Ewig Gestrige, die immer noch glauben, sie dürften gegen Minderheiten hetzen und sich damit über andere Menschen erheben.

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Je weiter links die Politiker zu verorten sind, desto einstimmiger ist deren Zustimmung zur völligen rechtlichen Gleichstellung der sog. Homo-Ehe mit der Hetero-Ehe. Je weiter rechts dagegen Politiker einzuordnen sind, umso ablehnender verhalten sie sich zur sog. Homo-Ehe.

Das heißt in der Konsequenz bitte was? Vielleicht, dass die sog. Homo-Ehe Ausdruck linker Politik ist?

Dass eine rechtsextreme Partei, wie die NPD, im Parteiprogramm ihre Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit so eindeutig definiert, wie hier:

"(...) Homosexuelle Lebenspartnerschaften bilden keine Familie und dürfen nicht gefördert werden ..."

ist dann Ausdruck wovon?

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Ist die Ehe spießig?

Ich definiere Spießertum wie folgt

a) in einem vorgegebenen, nicht hinterfragten, Denkmodell gefangen zu sein,

b) Angst vor allem, was von meiner eigenen Lebensweise abweicht, zu empfinden und daraus ein aggressiv-intolerantes Verhalten gegenüber Abweichlern abzuleiten,

c) allen anderen versuchen meine eingeschränkte Sichtweise aufzwingen zu wollen,

d) autoritätshörig und unterwürfig zu sein (mangelnde Zivil-Courage),

Mit dem Leben in einer Zweierbeziehung / Ehe hat Spießigkeit zunächst einmal überhaupt nichts zu tun.

Ich kenne schwule und lesbische Lebenspartner/innen, die sind deutlich engagierter und solidarischer in der Community präsent, als viele andere und weit davon entfernt Spießer zu sein.

Und ich kenne, bewusst als Single lebende, Schwule und Lesben, die ich als schlimme Spießer bezeichnen würde.

Mehr zum Thema:

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/frau-merkel-oeffnen-sie-die-zivil-ehe-jetzt

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/groenland-oeffnet-die-zivil-ehe

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/homophobe-nachwehen-in-deutschland

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/ja-sind-die-iren-denn-des-teufels

und abschließend unfreiwillige Komik vom Feinsten:

FC-bizarr, von "geh doch rüber" bis "Wir reden hier über 0,6%" - zum Schlapplachen :-)

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/bluetenlese-homophobie-3

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Saul Rednow

Meine Themen: Rechtsextremismus - Rassismus - Homophobie - Politik - Musik u.a.

Saul Rednow

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