Homophobe "Nachwehen" in Deutschland

Irland stimmt ab und Deutschland führt sich auf wie eine zurückgebliebene Spießer-Provinz

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Wenn ich nicht in dem Land aufgewachsen wäre und die meiste Zeit meines Lebens dort verbracht hätte, würde ich darauf spucken, was sich derzeit in Deutschland abspielt.

Worum geht es?

Kürzlich stimmten im katholischen Irland 62,1 % der wahlberech- tigten Einwohner in einer basisdemokratischen Volksabstimmung dafür, dass ihre homosexuellen Mitbürger und Mitbürgerinnen heiraten dürfen.

Ich habe mich dazu bereits in einem separaten Blog geäußert:

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/ja-sind-die-iren-denn-des-teufels

Und jetzt ist im "kleinkariert-spießigen" Deutschland offenbar die Hölle los:

Das katholische Erzbistum Köln dreht völlig durch und vergleicht homosexuelle Menschen mit Dieben. Zitat: "(...) Die Segnung lesbisch-schwuler Paare ist ebenso wenig akzeptabel wie Straf- freiheit für Einbrecher ...", so die vom Kölner Erzbischof Woelki herausgegebene sog. "Kirchenzeitung".

Geht's noch Woelki?

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Aus der reaktionär-dümmlichen Ecke (AfD) stammt auch dieses Zitat: "(...) Aus guten Gründen hat das Grundgesetz nur der Ehe und der Familie seinen besonderen Schutz zugesagt. Denn neben der Bereitschaft, füreinander einzustehen, kommt der Ehe die Möglichkeit zu, sich zur Familie zu erweitern, also Kinder in die Welt zu setzen. Homosexuelle Gemeinschaften können Nach- wuchs adoptieren; erzeugen können sie ihn nicht", so der AfD- Pressesprecher Konrad Adam.

Wenn Sie schon das deutsche Grundgesetz zitieren Herr Adam, dann bitte korrekt und ohne etwas hineinzudeuten, was dort ausdrücklich nicht steht:

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 6
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung (…) - (5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Es ist ausdrücklich nicht von Ehen hetero-sexueller Paare die Rede, sondern generell von Ehen und Familien.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 3
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich (…) - (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Es steht dort nicht: Alle heterosexuellen Men- schen sind vor dem Gesetz gleich, sondern ALLE MENSCHEN.

Damit ist auch das Märchen von einer "notwendigen Grundge- setzänderung", das von homophoben Hinterwäldlern gern gebracht wird, widerlegt.

Wenn im Grundgesetz steht, dass Ehe und Familien unter be- sonderem Schutz stehen, muss nur die Zivil-Ehe für gleich-geschlechtliche Paare geöffnet werden und schon sind diese Ehen in den Schutz mit einbezogen. Das wurde in vielen, vielen anderen Ländern bereits völlig problemlos so geregelt, warum sollte das nicht endlich auch in Deutschland gelingen?

Die Auflistung einer Auswahl derjenigen Länder, die bereits die Zivil-Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet haben, findet sich in meinem anderen Blog zum Thema, der oben verlinkt ist.

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Saul Rednow:

Nach der kruden AfD-"Logik" wären damit auch alle Ehen hete- rosexueller Eheleute, die entweder bewusst oder aus anderen Gründen auf Nachwuchs verzichten, "nicht schützenswert" (z.B. Ehen von Menschen, die erst im hohen Alter heiraten und die Ehefrau keine Kinder mehr bekommen kann oder Ehen mit Ehe-Männern die zeugungsunfähig sind) ...

was für ein Unsinn!

Hat doch das Bundesverfassungsgericht längst festgelegt, dass "Familie dort ist wo Kinder aufgezogen werden", wobei es völlig unerheblich ist, ob es sich dabei um alleinerziehende Mütter oder Väter, um unverheiratete oder verheiratete Heteropaare mit Kin- dern (gezeugt oder adoptiert) oder um gleichgeschlechtliche Paare (mit Kindern aus früheren heterosexuellen Beziehungen, aus Adoption oder künstlicher Befruchtung) handelt.

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Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes fordert denn auch völlig zu recht, dass eine freie Abstimmung über die Öffnung der Zivil- Ehe für gleichgeschlechtliche Paare erfolgen sollte und dass dieses Thema nicht in die Parteipolitik gehört.

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Persönliches:

Seit über 42 Jahren ein Paar würden wir zum Heiraten nach Deutschland zurückkehren und eine riesige Party feiern. Unsere neue Heimat Israel erkennt im Ausland geschlossene gleich- geschlechtliche Ehen an und schützt sie.

Leider, leider ist aufgrund der politischen Situation derzeit hier noch nicht an ein Ehegesetz für Schwule und Lesben zu denken, weil die Politik immer weiter in Richtung rechter Fundamentalis- mus abdriftet. Aber immerhin hat Israel nach wie vor geradezu vorbildiiche Regelungen in Sachen rechtliche Gleichstellung von schwulen und lesbischen Bürger/innen zu bieten.

Die Rechte von schwulen Männern und lesbischen Frauen in Israel:

http://www.hagalil.com/01/de/Israel.php?itemid=2196

Kanzlerin Merkel unter Druck:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/homo-ehe-irland-referendum-befeuert-deutsche-debatte-a-1035463.html

E-Mail an Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD):

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/ja-sind-die-iren-denn-des-teufels#1432542473497567

Die katholischen Iren gehen voran:

https://www.freitag.de/autoren/magda/die-katholischen-iren-gehen-voran

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Saul Rednow

Meine Themen: Rechtsextremismus - Rassismus - Homophobie - Politik - Musik u.a.

Saul Rednow

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