Ja sind die Iren denn des Teufels?

Eheöffnung - Irland ließ in einer Volksabstimmung über die Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Lebenspart- nerschaften abstimmen, wohl mit einem überwältigenden Votum dafür.

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Teufel aber auch :-)

Papst Franziskus hatte 2010, als Kardinal von Buenos Aires, die in Argentinien erfolgte Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Lebenspaare als, Zitat: "zerstörerischen Anlauf gegen den Plan Gottes, der die Familie verletzt und geradezu ein Plan des Teufels ist" verunglimpft. Er ergänzte: "Wir sprechen nicht von einem Gesetz, sondern von einer Intrige des Vaters der Lügen, die die Kinder Gottes verwirren und hinters Licht führen soll." Auch hatte er die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare "als Kindesmissbrauch und Kindesdiskriminierung" bezeichnet.

Und das von jemandem, dessen RKK bis heute die Aufklärung des massenhaften sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugend- lichen durch katholische Kleriker behindert und verschleppt.

Solche Äußerungen von hohen Kirchenmännern vergiften das Klima und haben oft auch direkte Auswirkungen auf das Handeln von Menschen: Mit der Begründung "Wir können in Argentinien keine Schwuchteln dulden, wenn wir einen argentinischen Papst haben" wurde ein junges Homo-Paar in Buenos Aires zusammen- geschlagen und schwer verletzt.

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Zu Irland:

Noch steht das offizielle Ergebnis der Volksabstimmung in Irland nicht fest, doch es zeichnet sich eine massive Zustimmung ab und die Gegner der Eheöffnung haben bereits öffentlich ihre Nieder- lage eingeräumt.

Nun ist Irland in Europa und der Welt wahrlich nicht das erste Land, das homosexuelle Lebenspaare mit heterosexuellen Le- benspaaren rechtlich völlig gleichstellt und deren Bund als Ehe anerkennt (unten findet sich eine Auflistung). Das Besondere an der Entscheidung in Irland ist jedoch, dass einerseits nun erst- mals in einem Land per Volksabstimmung darüber entschieden wurde und andererseits diese voraussichtliche Zustimmung in einem traditionell sehr katholischen Land erfolgte.

Herzlichen Glückwunsch Irland!

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Bekanntlich gibt es in Deutschland, auf Druck religiös-fundamen- talistischer Kreise (- nicht nur von katholischer Seite, sondern auch von den sog. 'Evangelikalen' ausgehend, zu denen u.a. der einflussreiche Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder zählt -) noch immer keine Öffnung der Zivil-Ehe für schwule und lesbische Lebenspaare, sondern nur die fortdauernde Notlösung (- weil damals politisch in Deutschland nicht mehr zu erreichen war -) der sog. 'Eingetragenen Lebenspartnerschaft'.

Dieses Modell ist jedoch überholt und sollte längst ausgedient haben, benachteiligt es ja weiterhin homosexuelle Paare, nicht nur in Sachen Adoptionsrecht, sondern in etwa 23 weiteren Punkten, was sich auch schon in den unterschiedlichen Bezeichnungen Ehe und Eingetragene Lebenspartnerschaft ausdrückt.

Haben nach der Einführung der Eingetragenen Lebenspartner- schaft in Deutschland 2001 noch die beiden "fortschrittlichsten und weltoffensten" Bundesländer Bayern und Sachsen gegen das Le- benspartnerschaftsgesetz geklagt (- und verloren -), so sind es jetzt exakt wieder diese beiden Bundesländer, die sich besonders gegen die Eheöffnung sperren.

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Definition:

„(…) Eine gleichgeschlechtliche Ehe ist eine Ehe, in der beide Partner das gleiche Geschlecht haben. Im Gegensatz zur Ein- getragenen Partnerschaft, welche ein eigenes Rechtsinstitut durch ein eigenes Gesetz schafft, wird unter gleichgeschlechtlicher Ehe dasselbe Ehegesetz sowohl für heterosexuelle, als auch für homosexuelle Paare verstanden (…) Die gleichgeschlechtliche Ehe wurde in Deutschland [bis heute noch immer] nicht eingeführt (…)"

https://de.wikipedia.org/wiki/Gleichgeschlechtliche_Ehe

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Grafik:

http://www.handelsblatt.com/infografiken/infografik-homo-ehe-was-gilt-wo-in-der-welt/8260982.html

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Die Eheöffnung erfolgte in diesen Ländern im Jahre ... (eine Auswahl, chronologisch geord- net):

Niederlande 2001

Belgien 2003

Kanada 2005

Spanien 2005

Südafrika 2006

Norwegen 2009

Schweden 2009 (zuvor seit 1995 Eingetr.Lebenspartnerschaft)

Argentinien 2010

Island 2010

Portugal 2010

Brasilien 2013

Dänemark 2013 (zuvor seit 1989 Eingetr.Lebenspartnerschaft)

Frankreich 2013

Neuseeland 2013

Uruguay 2013

Großbritannien 2014

Luxemburg 2014

Irland 2015

Grönland 2015

USA in etwa 32 Bundesstaaten inzwischen eingeführt

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Schlusswort:

Warum Ehe, statt Eingetragene Lebenspartnerschaft?

Weil die Pflichten identisch sind, die Rechte jedoch noch immer nicht.

Weil der Staat hier bereits durch die Sprachregelung deutlich macht, dass nicht nur heterosexuelle, sondern auch homosexuelle Ehepartner "in guten, wie in schlechten Zeiten" füreinander ein- stehen (Stichworte: Gegenseitige Unterhaltspflicht, gegenseitige Pflege im Alter und bei Krankheit etc.) und Staat und Sozialkassen dadurch entlasten.

Weil bei einem einheitlichen Eherecht für alle (Heteros und Homos) deutlich weniger bürokratischer Aufwand betrieben werden muss, als behauptet wird. Es ist auch wenig hilfreich von "Homo-Ehe" oder "Hetero-Ehe" zu reden. Es handelt sich um eine Ehe und die Ehepartner sind ein Ehepaar oder Eheleute.

Weder Zwang noch Pflicht:

Da auch weiterhin niemand, ob heterosexuell oder homosexuell, heiraten muss, wird die Öffnung der Zivil-Ehe für gleichgeschlecht- liche Paare weder etwas an der Geburtenzahl noch an der Zahl der Singles-Haushalte ändern. Wer heiraten will (u.a. weil er eine gewisse rechtliche Sicherheit und die Anerkennung durch die Gesellschaft schätzt), soll das tun und wer es nicht will, lässt es bleiben.

Satire:

Angst vor der Ehe-Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare

Update:

Die ARD 'Tagesschau' meldet um 20:00 Uhr

62 % Ja-Stimmen

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Nachtrag:

Wenn bei einigen der Eindruck entstanden sein sollte, dass die Tatsache der überwaltigenden Zustimmung zur Eheöffnung bei den überwiegend katholischen Iren etwas mit der Haltung der RKK zu tun hätte, so kann ich diesen Eindruck (leider) überhaupt nicht teilen ...

Zitat aus dem Kommentarbereich des sehr lesenswerten Blogs von @Magda zum selben Thema:

„Mir scheint, es muss langsam eingesehen werden, dass heutzutage nicht mehr unbedingt der Katholizismus die reaktionärere Konfession ist“

https://www.freitag.de/autoren/magda/die-katholischen-iren-gehen-voran#1432382458907675

... denn, die Katholische Kirche in Irland hatte sich an die Spitze der Gegner der Eheöffnung gestellt und im Vorfeld der Volksab- stimmung massiv versucht Stimmung GEGEN die Eheöffnung zu machen.

Dass die Iren mehrheitlich trotzdem dafür gestimmt haben, kann also keineswegs als ein Einlenken der RKK in Sachen Gleich- berechtigung für homosexuelle Menschen oder als "nicht mehr ganz so reaktionär" gewertet werden, sondern lediglich als "Gehorsamsverweigerung" der Iren gegenüber der in Irland traditionell das Leben bestimmenden RKK,

Die RKK war, ist (und bleibt voraussichtlich auch noch sehr lange) somit der erbitterte Gegner der homosexuellen Minderheit weltweit und eine durch und durch reaktionäre Konfession.

Zustimmen könnte ich allenfalls der Aussage, dass die RKK nicht die einzige reaktionäre Konfession ist, denn Evangelikale (die u.a. in Afrika mit ihrer Missionsarbeit dazu beigetragen haben massiv Stimmung gegen homosexuelle Menschen zu machen, was sich in Gesetzen - bis hin zur Todesstrafe - gegen Homosexuelle nie- derschlug) verhalten sich teilweise noch reaktionärer als die RKK und bestimmte Strömungen von Islam und orthodoxem Judentum stehen dem kaum nach. Doch das kann das Verhalten der RKK weder relativieren, noch rechtfertigen, es ist einfach nur zutiefst menschenverachtend.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Saul Rednow

Meine Themen: Rechtsextremismus - Rassismus - Homophobie - Politik - Musik u.a.

Saul Rednow

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