Lady Sings The Blues

Eine Kritik, anläßlich einer Filmpremiere vor über 40 Jahren und anläßlich des 100-jährigen Geburtstags der Jazz-Legende Billie Holiday

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Vorwort:

’Lady Sings The Blues’ (komp. Holiday/Nichols) heißt ein Song den die Jazz-Sängerin Billie Holiday (- dazu bitte unbedingt den hervorragenden Beitrag von Dame.von.Welt „God Bless The Child“ lesen -) gegen Ende ihrer Karriere 1956 für das Label Verve aufnahm. Dieser Song war Titelgeber für einen Hollywood-Spielfilm, der im Jahre 1972 Premiere hatte und zu dessen 40-jährigem Jubiläum ich den nachstehenden Text 2012 geschrieben und an anderer Stelle veröffentlicht hatte.

Mein Beitrag versucht den Ball ein wenig zurückzuspielen, den d.v.w. mir in einem Kommentar des o.g. Beitrags zuwarf und er mag vielleicht als dessen Ergänzung taugen.

Warum ‚Lady Sings The Blues’ ein Film wurde, der unter die Haut geht, obwohl er definitiv keine Biografie der Jazz-Legende Billie Holiday ist (dafür wurde einfach zuviel der Handlung *frei erfunden, geändert und anderes weggelassen), möchte ich versuchen zu beschreiben. Am Drehbuch schrieben u.a. Suzanne de Passe und Chris Clark (beide Motown) mit und nahmen dabei Anleihen an Billie Holidays Autobiographie, Co-Autor William Dufty. Weitere Darsteller des Films sind Billy Dee Williams, Richard Pryor und (Motown-Sängerin) Yvonne Fair..

(*Vielleicht hätte Gordy damals einfach die Story über eine schwarze Jazz-Sängerin drehen und nicht versuchen sollen das Leben von Billie Holiday - die er übrigens persönlich kannte und von deren Begegnung es Fotos gibt - zu verfilmen. Dann wäre den Kritikern, die den Film verrissen, die Darstellung der Ross jedoch fast einstimmig lobten, der Wind aus den Segeln genommen worden. Aber vermutlich drängten die Geldgeber darauf eine bekannte Figur ins Zentrum des Films zu stellen, weil das Publikum - besonders das weiße Publikum - sich einen Film über das Schicksal einer unbekannten schwarzen Jäzzsängerin in den Kinos gar nicht erst angesehen hätten ...)

Zur Geschichte des Films:

Die erfolgreiche Plattenfirma Motown Records war soeben von Detroit nach Los Angeles umgezogen und deren Gründer und Präsident Berry Gordy jr. hatte sich in den Kopf gesetzt nun auch Filme zu drehen. Während der Dreharbeiten kam es zum Streit zwischen Regisseur Sidney J. Furie und Gordy, weil letzterer sich ständig einmischte. Schließlich war das Budget so hoffnungslos überzogen, dass die Geldgeber dazu aufforderten die Dreharbeiten zu beenden, den Film in der noch unvollendeten Version zu schneiden und in die Kinos zu bringen.

Die (weißen) Geldgeber und Studio-Bosse „argumentierten“ dabei durchaus auch „rassistisch“, indem Sie Gordy sagten: „The biggest bugdet for other black films is 500,000.-- tops. We’re giving you two million …“ (Zitat aus dem Buch „To Be Loved“, Berry Gordy). Die Aufforderung die Dreharbeiten zu beenden lehnte Berry Gordy jedoch ab und daraufhin stellten ihn die Produzenten vor die Wahl: „Geben Sie uns $ 2 Mio. und der Film gehört Ihnen, Sie können dann damit machen was Sie wollen. Andernfalls werden wir ihn unveröffentlicht ins Archiv stellen“. Gordy kaufte den noch unfertigen Film und ließ ihn weiterdrehen. Auf dem Filmplakat gab es deshalb später den Hinweis „Executive Producer Berry Gordy“

Das alles spielte sich ab vor den Augen der Hauptdarstellerin, die gerade mit ihrer ersten Tochter schwanger war (sie ist heute fünffache Mutter) und sich monatelang intensiv auf die Rolle vorbereitet hatte. Diana Ross: „Ich las alles, was ich über Billie Holiday finden konnte, saß nächtelang im abgedunkelten Zimmer und hörte mir über Kopfhörer deren Musik an, schließlich konnte ich mich weitgehend in die Person hineinversetzen …“

Zu Beginn der Dreharbeiten, hatte sich Diana Ross erst vor kurzem von den Supremes getrennt und stand am Beginn einer Karriere als Solo-Sängerin. Als ihr nun diese Film-Hauptrolle angeboten wurde, wäre das für jede Schauspiel-Novizin eine große Herausforderung gewesen und manch andere wäre daran wohl auch gescheitert, nicht jedoch Diana Ross.

Sie agierte (außerdem sang sie ja alle Songs der Hauptfigur selbst und „näherte sich dabei dem Gesangsstil von Billie Holiday kongenial an, ohne plump zu imitieren“, so ein Kritiker damals) derart intensiv und berührend, dass es einem als Zuschauer glatt den Atem verschlug. Das sah dann auch das Gremium, das für die jährlichen Oscar-Nominierungen verantwortlich ist, so. Und daher wurde Diana Ross für den Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert. Auch wenn sie den Oscar nicht bekam (Liza Minelli erhielt ihn, ebenfalls sehr verdient, für 'Cabaret') war allein schon die Nominierung der Ross eine Sensation, weil eine (schwarze) Schauspiel-Anfängerin gleich für ihren ersten Film ausgewählt wurde, das gab es meines Wissens zuvor noch nie.

Zitat:
"(...) Wie Diana Ross mit schwerer Zunge und brechendem Blick gegen Rassenhass, Show-Business-Terror, Heroinsucht und ihre eigene Apathie ansingt und schließlich doch daran zugrunde geht - das ist erstaunlich anrührend und von seltener Faszination ..." schrieb DER SPIEGEL in seiner Ausgabe Nr.14 vom 29.03.1976

Löst man sich, als Zuschauer, mal einen Moment lang vom übergroßen Schatten der Billie Holiday, so wird man erkennen wie viel Ausdruckskraft und Faszination Diana Ross in die Figur der Nightclub-Sängerin, die nach traumatischen Kindheitserlebnissen (u.a. Vergewaltigungen als Kind und falsche Freunde, die sie an Drogen heranführen), legt. Es ist wirklich beeindruckend, wie sehr sie, als Schauspiel-Neuling, gleich mit ihrer ersten Filmrolle zu überzeugen wusste.

Wenn sie einem wütenden Lynch-Mob von Ku-Klux-Klan Leuten ihren Hass entgegenschleudert und dabei fast umkommt, dann ist der Zuschauer schockiert, als wäre er selbst dabei. Als sie den Dauerstress der Provinz-Tingelei allmählich beginnt mit Drogen zu bekämpfen, auch weil ihr Bandmitglieder sagen, "das würden doch schließlich alle so machen ..." und dadurch massive Persönlichkeitsveränderungen, bis hin zur Gewalt gegen den eigenen Partner, erleidet ist das genauso beängstigend real, wie faszinierend anzusehen.

Hört man sich den Jazz-Gesang der ehemaligen Girl-Group Star-Sängerin (The Supremes) Diana Ross an, dann hat man unweigerlich den Eindruck, sie hätte damals bereits jahrzehntelange Übung in diesem Genre gehabt, beeindruckend!

Das von Motown veröffentlichte Soundtrack Album 'Original Motion Picture Soundtrack Diana Ross Lady Sings The Blues'' erreichte schnell Platz 1 der Billboard Hot 200 Album Charts und verkaufte sich bereits in der ersten Woche etwa 2 Millionen Mal.

Mein Fazit:

Obwohl der Film eindeutig zu lang geraten ist und mit der Lebensgeschichte der Billie Holiday kaum etwas zu tun hat, fasziniert er und das ist fast ausschließlich der Hauptdarstellerin Diana Ross zu verdanken, die sich mit ihrer Darstellung einen Platz in der Filmgeschichte sicherte.

Dieser Text wurde von mir, wie oben erwähnt, im Jahre 2012, anlässlich des 40-jährigen Film-Jubiläums bereits an anderer Stelle veröffentlicht und für dieses Blog umgeschrieben und aktualisiert.

Filmtrailer (englisch):

https://www.youtube.com/watch?v=PgHDZNr9hyM

P.S. Die Kommentarfunktion wurde nicht aktiviert, weil ich aus Zeitgründen keine Blog-Betreuung (Kommentare/Fragen beantworten, Quellen verlinken usw.) vornehmen kann. Deshalb finde ich es fairer potenzielle KommentatorInnen nicht ins Leere laufen und ihre Texte dann unbeantwortet zu lassen, sondern gar nicht erst die Möglichkeit zum Kommentar einzuräumen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Saul Rednow

Meine Themen: Rechtsextremismus - Rassismus - Homophobie - Politik - Musik u.a.

Saul Rednow

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