Was ist eine Zivil-Ehe?

Gleiches Eherecht für heterosexuelle und homosexuelle Lebenspaare, als übergeordnetes Thema

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Seit über 200 Jahren ist in Deutschland die Zivil-Ehe geltendes Recht. Wesensmäßig antiklerikal, da ein "Produkt der Franzö- sischen Revolution", wurde die Zivil-Ehe in Deutschland zunächst 1798 in den im Oktober 1794 französisch besetzten und 1801 in den übrigen deutschen, von Frankreich annektierten, Gebieten eingeführt.

In Deutschland, als weitgehend *säkularem Land, in dem der Staat theoretisch von allen Religionen strikt getrennt zu halten ist, gilt seitdem nur als verheiratet wer vor einem dazu ermächtigten Standesbeamten und zwei Trauzeugen eine rechtsverbindliche diesbezügliche Willens-Erklärung (das Ja-Wort) abgibt.

Es ist sowohl für den deutschen Staat, als auch für die Millionen hier lebenden nichtreligiösen Menschen (z.B. Atheisten und Agnostiker) irrelevant, ob zusätzlich eine kirchliche bzw. religiöse Ehe-Zeremonie stattfindet, denn als verheiratet vor dem Gesetz gilt - wie oben beschrieben - ausschließlich, wer standesamtlich getraut wurde.

Wer dagegen lediglich vor einem Priester, Pastor, Imam oder Rabbiner sein Ja-Wort gibt, gilt vor dem Gesetz in Deutschland als nicht verheiratet, hat daher keinen Anspruch auf die Anwendung der steuer-, erb- und unterhaltsrechtlichen Regelungen für Ehe- paare und fällt auch nicht unter den grundgesetzlich geregelten Schutz von Ehe und Familie.

(*Besonderheiten, wie die Finanzierung der Bischofsgehälter u.v.a., regelt das sog. ‚Konkordat’, das einst zwischen Nazi- Deutschland und dem Vatikan geschlossen wurde und bis heute - da nicht aufgekündigt - immer noch gültig ist. Das Konkordat wird inzwischen regelmäßig als überholt und für die Trennung von Staat und Kirche schädlich kritisiert u.a. auch weil es der RKK Milliarden-Einnahmen sichert, die alle Staatsbürger, also auch Nicht- und Andersgläubige, in Deutschland Jahr für Jahr aufzubringen haben)

Nachdem in einer Reihe von (auch katholisch geprägten) **Län- dern in den letzten Jahren die Zivil-Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspaare geöffnet wurde, gilt dort ein gemeinsames Ehe-Recht für heterosexuelle und für homosexuelle Ehepaare.

In Deutschland wurde 2001 das sog. Lebenspartnerschaftsgesetz für gleichgeschlechtliche Lebenspaare beschlossen. Nach einer verlorenen Klage der beiden unionsregierten Bundesländer Bayern und Sachsen, trat das Gesetz als Übergangsnotlösung in Kraft, da die damaligen Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat noch keine Öffnung der Zivil-Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspaare ermöglichten.

Inzwischen hat sich die Situation in etlichen zivilisierten Ländern massiv geändert, wie die untenstehende **Auflistung zeigt. Wäh- rend die meisten der aufgeführten Länder von Anfang an ein einheitliches Eherecht für alle Eheleute (heterosexuelle und homosexuelle) schafften, ersetzten die beiden Länder Dänemark und Schweden, die zuvor eine ähnliche Regelung, wie das deutsche „Lebenspartnerschaftsgesetz“ hatten, ihre Übergangs-lösungen bereits vor Jahren durch die Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Lebenspaare.

Nur Deutschland macht sich allmählich lächerlich, und lässt sich von einigen kleinen religiös-fundamentalistischen Gruppierungen regelrecht vorführen, obwohl Deutschland ein säkularer Staat sein soll (sog. „Evangelikale“ und katholische Fundamentalisten, die vorwiegend in Baden-Württemberg ihr Unwesen treiben und in einer „mittelalterlich-antiquierten“ Weltsicht erstarrt sind, welche jedoch keinerlei Relevanz für eine moderne Gesellschaft haben sollte). Es ist absolut inakzeptabel sich von verschrobenen „Religioten“ noch länger vorschreiben zu lassen, welche zivilrechtlichen Regelungen in Deutschland zu gelten haben und welche nicht, zumal diese Gruppierungen ohnehin nur die kirchliche Trauung für wichtig halten, an der sich gar nichts ändern würde.

Das höchste deutsche Gericht - das Bundes- verfassungsgericht - stellte bereits im Jahre 2002 klar:

“(…) Es ist verfassungsrechtlich nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass die gleich-geschlechtlichen [Ehen] im Abstand zur [heterosexuellen] Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind…“

“(…) Art. 6 Abs. 1 GG als werteentscheidende Grundsatznorm gebietet seinem Wortlaut nach keine Ungleichbehandlung gleich- geschlechtlicher [Ehen]. Soweit die [heterosexuelle] Ehe als Keimzelle des Staates angesehen wird, kann dies ihre zwingende Bevorzugung nicht begründen, denn auch [alle] kinderlose(n) Ehen genießen ja den Schutz des Art. 6 Abs.1 GG …“

Das oberste Gericht führte anschließend in mehreren Einzel-Ur- teilen aus, dass der besondere Schutz der Ehe auch den Schutz gleichgeschlechtlicher [Ehen] einschließt.

Das Grundgesetz enthält zudem keine Definition der Ehe, die sie auf Mann mit Frau beschränken würde, sondern setzt sie nur als besondere Form menschlichen Zusammenlebens voraus, wodurch es jederzeit möglich ist, sie für gleichgeschlechtliche Lebenspaare zu öffnen.

Die Öffnung der Zivil-Ehe für gleichgeschlecht- liche Lebenspaare erfolgte in diesen Ländern**

Niederlande 2001

Belgien 2003

Kanada 2005

Spanien 2005

Südafrika 2006

Norwegen 2009

Schweden 2009 (zuvor seit 1995 Eingetr.Lebenspartnerschaft)

Argentinien 2010

Island 2010

Portugal 2010

Brasilien 2013

Dänemark 2013 (zuvor seit 1989 Eingetr.Lebenspartnerschaft)

Frankreich 2013

Neuseeland 2013

Uruguay 2013

Großbritannien 2014

Luxemburg 2014

Irland 2015

Grönland 2015

USA in etwa 32 Bundesstaaten inzwischen eingeführt

Warum Ehe, statt Eingetragene Lebens- partnerschaft?

Weil die Pflichten identisch sind, die Rechte jedoch noch immer nicht.

Weil der Staat hier bereits durch die Sprachregelung deutlich macht, dass nicht nur heterosexuelle, sondern auch homosexuelle Ehepartner "in guten, wie in schlechten Zeiten" füreinander ein- stehen (Stichworte: Gegenseitige Unterhaltspflicht, gegenseitige Pflege im Alter und bei Krankheit etc.) und Staat und Sozialkassen dadurch entlasten.

Weil bei einem einheitlichen Eherecht für alle (Heteros und Homos) deutlich weniger bürokratischer Aufwand betrieben werden muss, als behauptet wird. Es ist auch wenig hilfreich von "Homo-Ehe" oder "Hetero-Ehe" zu reden. Es handelt sich um eine Ehe und die Ehepartner sind ein Ehepaar oder Eheleute.

Weder Zwang noch Pflicht

Da auch weiterhin niemand, ob heterosexuell oder homosexuell, heiraten muss, wird die Öffnung der Zivil-Ehe für gleichgeschlecht- liche Paare weder etwas an der Geburtenzahl noch an der Zahl der Singles-Haushalte ändern. Wer heiraten will (u.a. weil er eine gewisse rechtliche Sicherheit und die Anerkennung durch die Gesellschaft schätzt), soll das tun und wer es nicht will, lässt es bleiben. Mit der Eheöffnung hat das nichts zu tun.

Plädoyer für die Eheöffnung

Dass niemand (ob hetero oder homo) heiraten muss, ist eine Binse. Dass man auf die Wahrnehmung eines Rechtes aber auch nur dann verzichten kann, wenn man es zuvor überhaupt erst einmal hatte, ebenfalls.

Was als bekannt vorausgesetzt werden darf:

Das Rechtsinstitut der Zivil-Ehe regelt die rechtliche Absicherung für Partner, die dauerhaft gegenseitig füreinander einstehen wollen, die ihr künftige Leben gemeinsam in einer - ja, durchaus auch Wertegemeinschaft - miteinander verbringen wollen, sowie für die in dieser Ehe aufwachsenden Kinder (Stichworte: Unterhaltsanspruche und Erbrechte gegenüber beiden Elternteilen, ganz gleich ob hetero oder homo)

Das Eherecht regelt darüber hinaus die - über das mögliche Ende einer Ehe weit hinausreichenden - gegenseitigen Unterhaltsansprüche der Ehepartner/innen nach einer Trennung/Scheidung.

Die Öffnung der Zivil-Ehe für schwule und lesbische Paare bedeutet:

Das Ende der verfassungswidrigen Diskriminierung von homosexuellen Menschen,

die Anerkennung und Würdigung der auf Dauer angelegten homosexuellen Lebenspartnerschaften, die (wie die heterosexuelle Ehe auch) durch gegenseitige Fürsorge und das füreinander Einstehen gekennzeichnet sind,

Rechtssicherheit für die in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft aufwachsenden Kinder (leibliche und adoptierte),

ein einheitliches Eherecht, mit identischen Pflichten und Rechten, für alle Ehe-Partner, ob hetero oder homo (wie es sich bereits in diversen anderen Ländern bewährt hat)

die Ablösung der Notlösung Lebenspartnerschaftsgesetz,

ein deutliches Signal an Ewig Gestrige, die immer noch glauben, sie dürften gegen Minderheiten hetzen und sich damit über andere Menschen erheben.

Eheöffnung ist linke oder rechte Politik?

Je weiter links die Politiker zu verorten sind, desto belegbar einstimmiger ist deren Zustimmung zur Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Lebenspaare. Je weiter rechts dagegen Politiker einzuordnen sind, umso ablehnender verhalten sie sich zur Eheöffnung.

Heißt das in der Konsequenz, dass die Eheöffnung Ausdruck linker Politik ist?

Dass eine rechtsextreme Partei, wie die NPD, im Parteiprogramm ihre Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit so eindeutig definiert, wie hier:

"(...) Homosexuelle Lebenspartnerschaften bilden keine Familie und dürfen nicht gefördert werden ..."

ordnet den Widerstand gegen die Eheöffnung weit rechts ein

Ist die Ehe spießig?

Ich definiere Spießertum wie folgt

a) in einem vorgegebenen, nicht hinterfragten, Denkmodell gefangen zu sein,

b) Angst vor allem, was von meiner eigenen Lebensweise abweicht, zu empfinden und daraus ein aggressiv-intolerantes Verhalten gegenüber Abweichlern abzuleiten,

c) allen anderen versuchen meine eingeschränkte Sichtweise aufzwingen zu wollen,

d) autoritätshörig und unterwürfig zu sein (mangelnde Zivil-Courage),

Mit dem Leben in einer Zweierbeziehung / Ehe hat Spießigkeit zunächst einmal überhaupt nichts zu tun.

Ich kenne schwule und lesbische Lebenspartner/innen, die sind deutlich engagierter und solidarischer in der Community präsent, als viele andere und weit davon entfernt Spießer zu sein.

Und ich kenne, bewusst als Single lebende, Schwule und Lesben, die ich als schlimme Spießer bezeichnen würde

Zum widersprüchlichen und mir unverständ- lichen Verhalten einiger (linker?) FC-User in Sachen Eheöffnung:

Während von diesen „fortschrittlichen Kräften“ in diesem Internet-Portal u.a. geklagt wurde, Zitate:

„(…) Da kämpfen all die homosexuellen Aktivisten nicht wirklich dafür, die Regeln der bürgerlichen Gesellschaft aufzubrechen und zu verändern, sondern nur dafür, dass sie endlich auch für sie selbst gelten …“

und

„(…) Statt Engagement und Kampf gegen solche bürgerlichen Zwangsinstitutionen [wie die Ehe] nur das [H]hecheln, endlich auch von diesen vereinnahmt zu werden …“

unterstützen sie eine russische Regierung, die genau diese „Regeln der bürgerlichen Gesellschaft“ und „bürgerliche Zwangsinstitutionen“ restauriert und konserviert, indem sie die Ehe zwischen Mann und Frau gegenüber allen anderen Formen des Zusammenlebens zunehmend verherrlicht, als einzig erstrebenswert darstellt und sogar noch Zwang ausübt, um Menschen davon abzuhalten sich wieder scheiden zu lassen, indem sie ein Gesetz vorlegt, dass Scheidungen derart hoch besteuert, dass sich solch eine Trennung vom Ehepartner kaum noch ein Normalverdiener leisten kann.

Wird hier (von "Linken") mit zweierlei Maß gemessen, wenn es a) um Deutschland und b) um Russland geht?

Dass vermögende Russen und Regierungsmitglieder von der Strafsteuer bei Scheidung nicht betroffen sind, liegt wohl in der Natur der Sache. Putin selbst war offenbar zu geizig um diese Strafsteuer zu zahlen und hat sich scheiden lassen und seine Ehefrau „gegen ein jüngeres Modell ausgetauscht“ bevor das Scheidungs-Besteuerungsgesetz in Kraft trat (initiiert wurde die Strafsteuer übrigens von der berüchtigten Vorsitzenden des sog. „Komitees für Familie, Frauen und Kinder“. Jelena Misulina, die zuvor schon, neben der Russisch-orthoxen Kirche, treibende Kraft bei der Formulierung des menschenrechtswidrigen Gesetzes gegen sog. „Homo-Propaganda“ war und auf Einladung des, einschlägig in Erscheinung getretenen, Jürgen Elsässer an einem homohoben Kongress in Deutschland teilnahm - inzwischen hat sie in der EU Einreiseverbot und ihre Bankkonten bei westlichen Geldinstituten wurden eingefroren).

Glossar:

Definition der gleichgeschlechtlichen Ehe

https://de.wikipedia.org/wiki/Gleichgeschlechtliche_Ehe

Evangelikale und katholische Fundamentalisten

http://gbs-stuttgart.de/ProChrist2013

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/pius-bruderschaft-die-kreuzzuegler-12278839.html

http://fsspx.de/

https://de.wikipedia.org/wiki/Hartmut_Steeb

http://www.fsspx.de//streitende-kirche/956-moderne-gottlosigkeit/7135-die-entchristianisierung-schreitet-fort

http://www.spiegel.de/panorama/spiegel-tv-magazin-ueber-katholisches-gloria-tv-zu-homo-ehe-und-papst-a-887934.html#ref=rss

https://de.wikipedia.org/wiki/Birgit_Kelle

https://de.wikipedia.org/wiki/Gabriele_Kuby

https://de.wikipedia.org/wiki/Beatrix_von_Storch

http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php?f=6&t=12999

Homophobie bedeutet

https://de.wikipedia.org/wiki/Homophobie

Weitere eigene Blogs zum Thema

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/die-loewin-und-der-maeuserich

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/homophobe-nachwehen-in-deutschland

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https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/eheoeffnung-in-deutschland

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https://www.freitag.de/autoren/janto-ban/1000-1-grund-gegen-die-gleichstellung

Satire

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/bluetenlese-homophobie-3

und auf vielfachen Wunsch :-) noch einmal diese beiden Klassiker:

"(...) zu 90 % äckelt es uns russlanddeutsche Frauen in Stuttgart an, wenn ..." :-)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Saul Rednow

Meine Themen: Rechtsextremismus - Rassismus - Homophobie - Politik - Musik u.a.

Saul Rednow

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