Argumente statt Empörung

Rechtspopulismus Wie sollten Journalist*innen mit der AfD umgehen? Über Strategien gegen rechte Hetze und einen verunsicherten Berufsstand

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Sie kommen um zu bleiben, wie gehen sie wieder weg?
Sie kommen um zu bleiben, wie gehen sie wieder weg?

Foto: Carsten Koall/Getty Images

Wenn es um die Frage geht, wie Journalist*innen in Zeiten zunehmender Polarisierung die breite Bevölkerung erreichen können, ist oft die Rede von einer »Blase«, in der sich Medienvertreter*innen befänden und darum nicht mitbekämen , was in der Welt wirklich vor sich geht. Auch beim Mediensalon am 28. August in der Berliner taz-Kantine kam die »Blase« zur Sprache – in Gestalt einer Selbstkritik von Vertreter*innen der Branche.

»Hass im Netz und an der Wahlurne – wie gehen Medien mit einer sich verändernden Gesellschaft um?« war die Ausgangsfrage des Abends, wenige Tage vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, bei denen Rekord-Ergebnisse für die AfD erwartet werden.

Vor einer Form von »Milieujournalismus« warnte Journalist und Medienwissenschaftler Bernd Gäbler. Er beobachte einen »ungeheuren Subjektivismus in der Auseinandersetzung mit Rechts«. Dies schlage sich oft in Medienbeiträgen nieder, in denen es um persönliche und emotionale Bekenntnisse zu einer offenen und individuellen Gesellschaft gehe.

Kommentare aus der Ferne

Dieses persönliche Erleben, so Gäbler, sei allerdings »nicht identisch mit einem Argument« – doch gerade darauf komme es an: Gäbler mahnte an, nicht nur reflexartig empört zu reagieren, sondern sich auf einer argumentativen Ebene faktenbasiert mit rechtspopulistischem und rechtsextremem Gedankengut auseinanderzusetzen. Journalist*innen sollten sich »an der Sache abarbeiten, nicht an den Populisten«.

Gäbler sprach im Zusammenhang mit der AfD von einer »akuten Schwäche des Lokaljournalismus«. Für die Studie »AfD und Medien. Erfahrungen und Lehren für die Praxis« der Otto Brenner Stiftung hat er die AfD-Berichterstattung zweier Lokalzeitungen in Hessen und Bayern untersucht. Sein Fazit: Die Lokalzeitungen setzten sich zwar mit der AfD auseinander, kommentierten auch mal scharf – allerdings nur »aus der Ferne«. Wahlveranstaltungen der AfD in der unmittelbaren Umgebung würden, so habe er beobachtet, oft nicht besucht, stattdessen werde auch schon mal eine Meldung von einer Presseagentur übernommen. »Dabei entsteht der Eindruck«, so Gäbler, »dass die eigentliche politische Auseinandersetzung etwas Entferntes ist«.

Was bedeutet »rassistisch«?

Auch Simone Rafael, Chefredakteurin der »Belltower News«, einem Nachrichtenportal der Amadeu Antonio Stiftung, kam auf die »Blase« zu sprechen. Sie verwies auf die Diskussion um die umstrittenen Äußerungen des Unternehmers und Schalke-Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies über »die Afrikaner«. Dass dessen Aussagen rassistisch seien, sei doch klar – diesen Satz habe sie oft in den Medien gehört. »Aber wir müssen uns daran gewöhnen, dass das auch ein Blick aus der Blase ist«, sagte Rafael.

Denn: Es gebe viele Menschen, die zwar »ein Unwohlsein« fühlten, wenn sie derartige Aussagen hören, denen aber nicht immer klar sei, warum sie dies fühlen. Es sei Aufgabe der Medien, diesen Zusammenhang in Ruhe zu erklären, »Schlagworte nicht nur zu verwenden, sondern sie auch zu füllen«, so Rafael. Dies vermisse sie in der Berichterstattung der großen Medien oft.

Nicole Diekmann, Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio, ist die Auseinandersetzung mit Rechtspopulist*innen gewohnt. Für Schlagzeilen sorgte sie Anfang des Jahres, als sie bei Twitter »Nazis raus« schrieb. Auf die Frage eines Nutzers, wer für sie ein Nazi sei, antwortete sie ironisch: »Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt.« Daraufhin wurde sie tagelang mit Beleidigungen und Drohungen überschüttet. Dieser Tweet, erzählte sie an diesem Abend im Mediensalon, sei entstanden nach einem Kaffeetrinken mit einem Familienmitglied, das seit Jahren NPD wähle.

Auch Diekmann übte Kritik an ihrer Branche. Der Mord an Walter Lübcke habe eine zu geringe Rolle in den Medien gespielt – selbst dann noch, als klar war, dass der Tatverdächtige aus dem rechtsextremen Milieu stammt. Sie sei überrascht, wie wenig sich seit diesem Mord verändert habe.

Den Anschluss verpasst

»Ich merke, wie verunsichert dieser Berufsstand ist«, sagte Diekmann mit Blick auf die Medienbranche. Da sei zum einen die Digitalisierung, eine Entwicklung, bei der viele Journalist*innen und Entscheider*innen in Medienhäusern den Anschluss verpasst hätten. Dann sei die AfD gekommen, die massiven Druck auf die Medien ausübe und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen wolle.

Und schließlich gebe es Druck von der anderen Seite, die kritisiert, dass Journalist*innen überhaupt mit der AfD sprechen. Von Journalist*innen werde mittlerweile erwartet, dass sie Aktivist*innen sind, sagte Diekmann, dass sie AfD-Politiker*innen ins Gesicht sagen, was sie von ihnen halten. »Und das ist nicht unsere Aufgabe«, betonte sie.

Nicht nur Journalist*innen müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie auf die Aussagen von AfD-Angehörigen reagieren – in dieser Situation befinden sich auch Politiker*innen. Wenn man zwei bis drei Redeminuten im Bundestag habe, müsse man sich genau überlegen, wie viel von dieser Zeit man opfern möchte, um auf die Provokationen der AfD einzugehen, sagte Thomas Hacker, Bundestagsabgeordneter und medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Es gebe bei den anderen Parteien durchaus einen Gewöhnungseffekt, aber: Die Bereitschaft, es der AfD immer durchgehen zu lassen, sei natürlich auch nicht vorhanden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sarah Schaefer

Sarah Schaefer ist freie Journalistin in Berlin. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Sarah Schaefer

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