Mark Zuckerberg, Elon Musk, Jeff Bezos, Bill Gates – die Berühmtheiten der Tech-Branche in den USA sind fast immer Männer. Gut, da gibt es Facebook-Managerin Sheryl Sandberg. Aber sonst? In Deutschland sieht es ebenso mager aus.
Das Marktforschungsunternehmen Ipsos hat für eine Studie mehr als 9.000 Menschen aus neun Ländern befragt, wie offen sie der Digitalisierung gegenüberstehen. Die Befragten stammen aus Indien, China, den USA, Deutschland, Spanien und anderen europäischen Ländern. Es zeigte sich, dass besonders in den westlichen der neun untersuchten Länder ein eindeutiger Gender-Gap besteht: In diesen Ländern stehen Frauen den neuen Technologien deutlich kritischer gegenüber als Männer. Am größten fällt der Gender-Gap in den USA aus, darauf folgt Deutschland.
Frauen aus IT-Branche in der indischen Vogue
Ein Grund für dieses Ergebnis: Es fehlen hierzulande wie in den USA schlicht die weiblichen Vorbilder in der Tech-Branche. Das sagte Laura Wolfs, Senior Research Executive bei Ipsos, die die Studie am 24. Oktober im Mediensalon beim Vodafone Institut in Berlin vorstellte. China ist laut der Studie das einzige Land, in dem Frauen der Digitalisierung positiver gegenüberstehen als Männer, in Indien fällt der Unterschied zwischen Frauen und Männern vergleichsweise gering aus. Wolfs berichtete von einer Ausgabe der indischen Vogue, in der die Top 10 der Frauen in der indischen IT-Branche vorgestellt wurden. „Ich frage mich, ob das in Deutschland überhaupt möglich wäre“, so Wolfs.
Überhaupt ist die Digitalisierungs-Euphorie in Indien am größten – ein weiteres wesentliches Ergebnis der Studie. Darauf folgt China. Deutschland liegt auf dem vorletzten Platz, vor Großbritannien und hinter den USA. „Deutsche sind Skeptiker“, so Wolfs. Sie neigten dazu, langfristig zu denken und abzuwägen. Deutschland sei nicht der Ort, um Innovationen zu starten. Besonders sensibel seien die Deutschen, wenn es um persönliche Daten und die Angst vor Überwachung gehe. Das sei historisch begründet.
Abgeklärte Konsumenten im Westen
Die größere Euphorie in Indien und China erklären Laura Wolfs und ihre Kollegin Liane Stavenhagen auch damit, dass die Menschen in diesen Ländern stärker das Gefühl haben, dass die Digitalisierung ihnen zu einem selbstbestimmteren Leben verhelfe, dass sie leichter an Informationen gelangen und generell freier leben könnten. Die westlichen Länder seien eher „abgeklärtere Märkte“, in denen man zwar die Vorteile des Konsums digitaler Medien genieße, darüber hinaus aber ein starkes Bewusstsein für die Nachteile entwickelt habe.
Auch in China habe das Bewusstsein für den Wert persönlicher Daten zugenommen, berichtet Dr. Kristin Shi-Kupfer, Leiterin des Forschungsbereichs „Politik, Gesellschaft und Medien“ beim Mercator Institute for China Studies. Gerade am Anfang sei aber das Vertrauen in China in die Sozialen Medien größer gewesen als in die parteistaatlichen Medien. Die chinesische Regierung und chinesische Unternehmen wie Alibaba seien ein Zweckbündnis eingegangen, das langsam an seine Grenzen komme. Für den chinesischen Staat werde es zunehmend schwer, diese Unternehmen zu kontrollieren. „Es knirscht“, so Shi-Kupfer.
Die Mehrheit der Menschen in allen untersuchten Ländern – so ein Fazit der Studie – sei der Digitalisierung gegenüber allerdings positiv eingestellt.
Fortschritt hört beim Farbfernseher auf
Und wie halten es die deutschen Medien in Sachen Digitales? Um diese Frage ging es bei einer anschließenden Podiumsdiskussion.
Dass eine allzu positive Haltung zur Digitalisierung bei vielen Lesern in Deutschland nicht gut ankommt, diese Erfahrung machte Spiegel-Redakteurin Miriam Olbrisch. Sie hatte sich in einem Spiegel-Leitartikel gegen ein Smartphone-Verbot an Schulen ausgesprochen. „Danach ist ein Kübel von Hass über mir ausgeschüttet worden“, sagte sie. Technikfeindlichkeit gebe es hierzulande durchaus, so Olbrisch.
Wie sieht es bei den Journalisten selbst aus? Christoph Dernbach, Leiter des Bereichs Netzwelt bei der Deutschen Presse Agentur (dpa), sagte, unter den Journalisten seien beide Seiten vertreten: Es gebe Journalistinnen und Journalisten, die ein großes Interesse an digitalen Themen haben. Und es gebe solche, bei denen der Wille zum Fortschritt beim Farbfernseher aufhöre.
Die Themen, über die berichtet wird, hätten sich durch den Medienwandel verändert. Wenn es eine fünfminütige Störung bei WhatsApp gebe, riefen bereits die Kunden, also die deutschen Medienhäuser, an. Liveticker von Präsentationen beispielsweise eines neuen Smartphones gehörten zu den reichweitenstärksten Angeboten der dpa.
Direkter Kontakt durch Social Media
Christiane Germann, Social Media-Beraterin unter anderem im Bereich öffentliche Verwaltung und Politik, betonte wiederholt, dass eine der größten Chancen Sozialer Medien im direkten Kontakt mit Lesern, Kunden oder Bürgern bestehe. Sie erlebe in ihren Beratungen immer wieder eine große Skepsis gegenüber Sozialen Medien, auch bei jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dabei könnten gerade Behörden die Möglichkeit nutzen, in den direkten Kontakt mit den Bürgern zu treten. Germann nennt die Polizei als Beispiel für eine Behörde, die durch den Einsatz Sozialer Medien einen Imagegewinn verzeichnen konnte.
Den direkten Kontakt zu den Lesern nutze auch BuzzFeed, sagte Anna Aridzanjan, Leiterin des Bereichs Entertainment bei BuzzFeed Deutschland – zum Beispiel, um Selbstkritik in einem regelmäßigen Podcast zu üben.
Als Repräsentantin eines reinen Online-Mediums sagte Aridzanjan: „BuzzFeed ist gegen alles, was einschränkend ist.“ Paid Content, wie er mittlerweile bei den meisten großen Medienhäusern zum Angebot gehört, sei bei BuzzFeed nicht geplant. Denn es gehe auch darum, mit den eigenen Themen eine Debatte in der Gesellschaft loszutreten, und das funktioniere vor allem dann, wenn Inhalte kostenlos seien. Der Entertainment-Bereich der Webseite bringe die Klicks, darüber hinaus gebe es mittlerweile ein News-Ressort.
Wie antiquiert es in einigen Büros in Deutschland noch zugehe, erlebten die BuzzFeed-Mitarbeiter vor allem bei der Recherche. Aridzanjan berichtete von einer Behörde, die eine Anfrage nicht per E-Mail beantworten wollte – sondern per Fax.
Kommentare 3
Wirklich ... antiquiert ... wenn die Generation "Smartphone" den Handyvertrag nicht per Mail oder Whatsdings kündigen kann, sondern dies "schriftlich" erfolgen muss. Dann machen die sich [wirklich] ganz "antiquiert" auf die Suche nach einem Faxgerät ...
Wie kommt es wohl, dass ich keine von den im Beitrag erwähnten digitalen Sachen mache, aber mich dennoch als digital sehr affinen Menschen bezeichnen darf? Offenbar gibt es nicht nur den Gegensatz zwischen Digital und Fax, sondern auch innerhalb des Digitalen gibt es unzählig viele Spielwiesen, die außer dem Medium Internet nichts miteinander zu tun haben.
Ich programmiere z.B. meine eigenen Webseiten, schreibe Reiseblogs, betätige mich aktiv bei der Erstellung der freigemeinnützigen digitalen Weltkarte openstreetmap.org, gehöre zu den fleißigsten Postern von Wander- und Fahrradtouren auf wikiloc.com, kaufe online bei amazon und otto.de, buche meine Hotels und Flüge online, verkaufe meinen Krempel auf ebay, und meine Produkte auf amazon.de, führe meine Bankkonten und Aktiendepots online und mache mich auf youtube schlau, wenn ich etwas reparieren muss. Mit meinen ausländischen Verwandten und Freunden kommuniziere ich über kakaotalk und skype. Auch erste Gehversuche mit einem 3D-Drucker habe ich hinter mir. Der dabei emittierte Feinstaub war mir aber zu suspekt.
Für z.B. Smartphone-Präsentationen interessiere ich mich hingegen gar nicht.
Geht das auch ohne Werbeagentur?
Die meko factory - Werkstatt für Medienkompetenz ist eine gemeinnützige sogenannte 1-Euro-Gesellschaft, ihr Initiator, Gesellschafter und Geschäftsführer Carl-Christoph Nitz. Derselbe führt die profitorientierte meko factory - Agentur für Kommunikation GmbH. Was hat das nun mit dem Artikel der freien Journalistin Schaefer zu tun? Nun, ein Geschäftsmodell wäre, über staatlich mitfinanzierte Seminare der meko factory Werkstatt fähige Seminarteilnehmer/innen zu identifizieren, die dann als freie Mitarbeiter/innen für die Werbeagentur arbeiten ... - Inwieweit das hier zutrifft, überlasse ich den etwaigen Richtigstellungen der Beteiligten.
Der Artikel selbst ist ein Bericht gemäß den Vorstellungen von Journalismus aus den 1950ern: unkommentierte Faktenwiedergabe ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass allein die Auswahl der Fakten bereits eine Kommentierung darstellt; zwar noch Nennung der Funktionen der Akteure, nicht jedoch ihrer gesellschaftlichen Stellung oder Funktion. Erfahrene Schreiber bedienen sich unter solchen Bedingungen z.B. des Stilmittels der Juxtaposition gegensätzlicher Positionen: Auf das sich der kompetente Leser daraufhin am Kopfe kratze! Allein: Man scheint sich einig gewesen zu sein auf dem Event des Vodafone Instituts, dem think-tank des gleichnamigen Telekommunikationsanbieters, der an mit Digitalisierung einhergehendem ansteigenden traffic nicht ganz uninteressiert sein dürfte.
Mir bleibt daher nur das skizzenhafte Fragestellen und Analysieren des Subtextes der (Werbe)Veranstaltung:
- Das Marktforschungsunternehmen Ipsos erstellt eine Studie und stellt sie im Mediensalon besagten Instituts vor: weshalb die Studie, wer ist Auftraggeber, gibt es Verbindungen zu Vodafone?
- Die Marktforscherinnen bezeichnen westliche Länder im Gegensatz zu China oder Indien als "abgeklärtere Märkte", einem in der Betriebswirtschaft nicht gebräuchlichen Begriff. Handelt es sich dabei um einen Euphemismus für "weitgehend gesättigte Märkte", den man aber nicht verwendet, um Folgeaufträge möglicher IT-Unternehmen nicht zu gefährden (Wer erforscht schon einen "armen Hund"?)?
- Mögliche kritische Haltungen zur Digitalisierung werden auf der Veranstaltung auch thematisiert, personifiziert durch eine Vertreterin des unabhängigen Mercator-Instituts. Allerdings nur am Beispiel China. Ist das die rhetorische Einbettung möglicher Kritik und Lenkung in genehme Bahnen des fernen Chinas, einer Partei-Diktatur?
- Eine Spiegel-Journalistin berichtet über Kritik an ihrem Vorschlag, Mobiltelefone an Schulen zuzulassen und klassifiziert diese als "Technikfeindlichkeit". Das Thema wird nicht weiter verfolgt, die Äußerung nicht kommentiert. Absichtlich?
- Eine "Social-Media Beraterin" berichtet von der Skepsis in der öffentlichen Verwaltung und in Behörden gegenüber interaktiven Inhalteplattformen. Und stellt mögliche Imagegewinne durch deren Nutzung in Aussicht. Auch dieses Thema wird nicht weiter verfolgt. Ergibt sich hier ein absichtsvolles Muster: Themen kurz anreißen, nur genehme Positionen vorstellen, nicht diskutieren, sondern Eindrücke hervorrufen?
- Eine Repräsentantin eines Anbieters von Internetdienstleistungen schildert, dass es zwei Bereiche gibt, einen für bezahltes Entertainment (offenbar über Werbeeinblendungen, das Geschäftsmodell wird kurz als "Klicks" charakterisiert) und einen für den freien Austausch mit Besuchern der Seite, z.B. um gesellschaftliches agenda-setting zu betreiben. Man ahnt es schon: Auch dieses Thema wird nur angerissen, klassisches topic dropping. Interessant allerdings die Positionierung am Ende des Artikels: Wird dem Leser hier eine "Lösung" angeboten, die er akzeptiert, weil sie als kleineres Übel gegenüber paid content präsentiert wird?
- Und im Abdrehen schließlich noch einmal die Schilderung besagter Dienstleister-Repräsentantin, "wie antiquiert es in einigen Büros in Deutschland noch zugehe" - Da haben wir die Juxtaposition. Im Verkaufskontext dient sie dazu, noch Unentschlossene durch Kontrastierung zum eigenen Produkt zu überreden.