„Wir müssen den Menschen zeigen, was wir tun“

Politik Eine Bielefelderin in Berlin: Die Bundestagsabgeordnete Britta Haßelmann (Grüne) über den Wandel ihrer Partei, den Kampf gegen Politikverdrossenheit – und Tiefkühlpizza.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Seit 2005 ist Britta Haßelmann für die Grünen im Bundestag
Seit 2005 ist Britta Haßelmann für die Grünen im Bundestag

Foto: Steffi Loos/AFP/Getty Images

In Bielefeld leben und in die Politik gehen – diese beiden Dinge habe sie nie geplant, sagt Britta Haßelmann. Und doch ist es genau so gekommen. Wie eng beides, ihr politisches Engagement und ihre Zuneigung zu Bielefeld, zusammenhängt, davon berichtete die 57-Jährige in der sitzungswoche Sprechstunde am 29. Januar in der Ständigen Vertretung in Berlin.

Britta Haßelmann stammt gebürtig vom Niederrhein und ist seit 2013 Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion der Grünen. Sie könne bestätigen, dass es Bielefeld tatsächlich gibt, scherzt Haßelmann mit Blick auf die Legende, ihre Heimatstadt existiere nicht. 1983 kam sie für das Studium der Sozialarbeit in die ostwestfälische Stadt.

Gegen „Stadtzerstörung“ und Wohnungslosigkeit

Sie habe damals unmittelbar erlebt, wie es in einem Bielefelder Sanierungsgebiet zugeht: Häuser seien abgerissen worden, auch solche aus der Gründerzeit, um Platz zu machen für moderne Gebäude und die Stadtautobahn. Ideen aus den 70er Jahren, so Haßelmann. Gegen die „Stadtzerstörung“ und Wohnungslosigkeit habe sie sich bei einer Initiative eingesetzt und sei so zur Lokalpolitik und später auch zu den Grünen gekommen. 1994 ist sie der Partei beigetreten.

Bielefeld sei unterschätzt: Haßelmann spricht vom immer weiter wachsenden Uni-Campus in der Stadt, der besonderen Verflechtung aus Hochschulen, Fachhochschulen und mittelständischer Wirtschaft, vom Teutoburger Wald. Auch von ihrer Dauerkarte für Arminia Bielefeld, die ihr aber nicht immer Freude bereite.

Pizza vom Familienkonzern

Dass diese Begeisterung für Bielefeld nicht von allen geteilt werde, mache gar nichts. In Bielefeld sagten die Leute: „Ihr müsst ja nicht alle hier leben.“

Und da gibt es natürlich noch diesen großen, international tätigen Konzern, der seinen Sitz in Bielefeld hat:
Dr. Oetker. Ob sie sich als Mitglied der ernährungsbewussten Grünen auch mal eine Tiefkühlpizza dieses Konzerns gönne, wollte Moderator Christoph Nitz wissen. „Wenn es keine Zeit für alles andere gibt“, sie sei auch eine Verbraucherin wie jeder andere, sagt Haßelmann, schiebt aber zügig hinterher, dass sie am liebsten auf dem Wochenmarkt einkauft, wenn die Zeit es zulässt.

„Wenn, dann die Grünen“

Sie stamme aus einer politisch interessierten Familie, die Eltern hätten ihr immer vorgelebt, dass es wichtig sei, sich einzumischen, wenn sie etwas verändern will. „Aber mit 18 Jahren habe ich mir nicht vorgestellt, einmal Bundestagsabgeordnete zu sein“, sagt sie.

Irgendwann wurde alles etwas viel: ihre Familie, ihr Beruf als Sozialarbeiterin, die Lokalpolitik. Haßelmann entschied sich, ganz auf die Politik zu setzen und kandidierte als Bundestagsabgeordnete. Seit 2005 ist sie Mitglied im Bundestag. Für sie sei klar gewesen: „Wenn, dann die Grünen“, sagt Haßelmann. Die Verknüpfung aus Ökologie und Sozialem habe sie nur bei dieser Partei gefunden.

Klimaschutz noch immer „Alleinstellungsmerkmal“

Was sie denn zu den Vorwürfen sage, die Grünen seien mittlerweile eine „angemalte FDP“ oder – im Falle Baden-Württembergs – „die bessere CDU“, fragt Moderator Christoph Nitz. Das sei ein ganz normaler Prozess, so Britta Haßelmann.

Die Partei habe eine mittlerweile 40-jährige Geschichte, stelle einen Ministerpräsidenten. Da sei es klar, dass man sich verändert und nicht immer automatisch in den „Oppositionsreflex“ verfalle. Das Thema Klimaschutz sei aber noch immer der „Markenkern“ der Grünen und ein „großes Alleinstellungsmerkmal“.

Haßelmann ist bereits als scharfe Kritikerin der AfD aufgefallen. Das Klima im Parlament habe sich deutlich verändert, seit die AfD im Bundestag vertreten ist, sagt sie. Aber wie auf Rechtspopulismus reagieren? Wie das Vertrauen der Menschen im Land zurückgewinnen?

Suche nach Mittel gegen Fake News

Sie sei da zuversichtlich, sagt Haßelmann. Wichtig sei es, inhaltliche Vorschläge zu machen, den Menschen zu zeigen: „Was tun wir ganz konkret?“ Man müsse das Gespräch suchen, stärker erklären, wie politische Entscheidungen zustande kommen. Es sei natürlich schwierig, komplexe Entscheidungen in anderthalb Minuten in den Tagesthemen oder im Deutschlandfunk zu erklären.

Von der Bundesregierung wünscht sie sich, dass sie mit mehr „Verve“ für ihre Inhalte kämpft – Beispiel UN-Migrationspakt: Kein Wort habe man während der zweijährigen Verhandlungen über den Pakt verloren, bis plötzlich eine Negativkampagne begann. Ab diesem Zeitpunkt sei es dann sehr schwierig gewesen, faktenbasiert dagegen zu halten.

Wie es um eine Gegenstrategie in Sachen Fake News steht, wollte ein Zuhörer wissen. Haßelmann: „Da sind wir, glaube ich, alle dabei und suchen.“

Politik live gibt es regelmäßig bei der öffentlichen sitzungswoche Sprechstunde in der Ständigen Vertretung des Rheinlandes in Berlin-Mitte. In der einstündigen Gesprächsrunde am Morgen werden Politikerinnen und Politiker des Bundestags vorgestellt, im Anschluss kann das Publikum Fragen stellen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sarah Schaefer

Sarah Schaefer ist freie Journalistin in Berlin. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Sarah Schaefer

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden