Bravo, Tsipras, aber weg mit den Rechten!

pragmatischer Bund Wir können Tsipras nur Tatkraft und Glück wünschen. Der junge Aufbruch verheißt, dass die derzeitige reaktionäre EU-Politik ein Ende finden könnte.

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Die linke Partei/Bewegung Syriza mit Tsipras an der Spitze hat die griechischen Wahlen gewonnen, Tsipras hat sich mit den Rechten zusammengetan, Tsipras will die Verträge mit der Troika nicht weiter einhalten. Tsipras will des Schuldenschnitt, der auch uns Deutsche wieder Milliarden kosten könnte, Tsipras verbündet sich mit den auf Konfrontationskurs befindlichen Russen gegen Europa. Mehr Scherben – so zumindest vermitteln es die Mainstream-Medien – können derzeit nicht am Boden liegen.

Wer die Geschichte nicht genauer kennt, wird erneut auf diese Deutung der Verhältnisse reinfallen und den Hardlinern auf den Leim gehen. Glücklicherweise gibt es inzwischen genug Fachleute, die der Bürgerverdummung Einhalt bieten. Einer von ihnen ist Heiner Flassbeck. Er hat in einem für meine Begriffe Aufsehen erregenden Kommentar die vermeintlichen Alleswisser und Demagogen zum Schweigen verdonnert. Viele Großmäuler gerierten sich wieder als Griechenland-Experten – meint der einflussreiche Ökonom - und sollten doch besser die Klappe halten. Auf knapp drei A4-Seiten seziert er die Situation und kommt zu dem deutlichen, für mich aber keineswegs überraschenden Ergebnis, dass wir Deutsche uns nur zu sehr wenigen Sachverhalten äußern sollten – dann aber auch nur, wenn wir uns gründlich informiert hätten. Die meisten Griechenland betreffenden Probleme seien für Außenstehende weder zu erkennen, noch zu beurteilen. Außerdem gingen sie nur die Griechen etwas an. Und die wüssten besonders jetzt, wo auch im eigenen Laden aufzuräumen sei. Ich kann nur empfehlen, das angeführte Papier zu studieren. Es öffnet ganz einfach die Augen. Was Putin und seine Annäherung an Griechenland betrifft, so liegt doch völlig nahe, dass sich die zwei Geschassten aufeinander zu bewegen. In Kürze wird auch Spanien noch mit Podemos und Iglesias dazu stoßen .Wir sollten eigentlich froh darüber sein, dass junge Kräfte die verharzte EU-Doktrin endlich aufbrechen und der Austeritätspolitik, die zur Verarmung von Millionen Menschen geführt hat, den Kampf ansagen. Auf der anderen Seite müssen endlich die Kräfte in Deutschland Boden gewinnen, die eine Kooperation mit Russland und nicht dessen Ausgrenzung betreiben wollen. Peter Scholl-Latour hat die permanente Feindseligkeit gegen Russland in seinem Buch „Russland im Zangengriff“ auf den Punkt gebracht. Jetzt muss auch Panorama eingestehen, dass Russland bei den Verhandlungen zur deutschen Wiedervereinigung über den Tisch gezogen wurde. Mündliche Zusagen der Westmächte – die Nato-Osterweiterung auszuschließen – wurden vorsätzlich gebrochen. Ja, die Amis lachten sogar über die Sowjets, weil sie sich diese Zusage nicht hatten schriftlich geben lassen. In einer Welt, die so tickt, in der man auf mündliche Vereinbarungen am großen Verhandlungstisch nichts mehr geben kann, muss ein Mann wie Putin rot sehen. Kein Wunder, wenn er jetzt seine Muskeln spielen lässt und deutlich macht, dass nur auf gleicher Augenhöhe mit ihm verhandelt werden kann. Auch das Ukraine-Problem wird sich nur dann lösen lassen, wenn dieser Maßstab angelegt wird. Fragt sich, ob Poroschenko, ob der Westen an einer einvernehmlichen Lösung überhaupt interessiert sind. Derzeit lässt sich das nicht erkennen.

Dr. Ulrich Scharfenorth, Ratingen

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Geschrieben von

Scharfenorth

Bis 1990 fuer die DDR-Stahlindustrie tätig. Danach Journalist/ Autor in Duesseldorf. 2008: "Stoerfall Zukunft"; 2011: "abgebloggt" und Weiteres

https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Scharfenorth

Scharfenorth

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