Milan Kundera wird neunzig, und die antikommunistische Welt (plus der naiven Unwisser) schreit ein letztes Mal HURRA. Nicht nur Reich-Ranicki, fast alle deutschen Zeitungen, ja mehr noch: fast die gesamte konservative Weltpresse war sich schon damals einig. Dieser Mann hatte mit der unerträglichen Leichtigkeit des Seins einen der witzigsten und intelligentesten Romane der Gegenwart geschrieben. Klar, die schriftstellerischen Fähigkeiten des Autors und der Prager Frühling gaben das her. Das unbedingte und berechtigte Bedürfnis der Menschen frei zu sein, frei von der sowjetischen Diktatur, war die geeignete Matrix, Tabula rasa zu machen und eben alles, was nach russisch roch, in den Dreck zu ziehen. Milan Kundera hat das glänzend verstanden. Ja, sich nicht einmal entblödet, auch dort totzuschlagen, wo es der Freude und Dankbarkeit bedurft hätte. Ich bin froh, dass Deutschland von sowjetischen Soldaten (und es waren mehr als vorwiegend sie) befreit wurde, und ich achte ihr blutiges Opfer. Kundera aber tut das unflätig ab. Mischt eine völlig verzogene exkrementelle Story über das Ableben von Stalins Sohn (so war es vermutlich wirklich: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46093887.html) mit abschätzigen Bemerkungen über Sinn und Ergebnis des 2. Weltkrieges. Völlig geschichtsvergessen heißt es zum Beispiel: „Stalins Sohn hat sein Leben für Scheiße hingegeben. Ein Tod für Scheiße ist aber kein sinnloser Tod. Die Deutschen, die ihr Leben geopfert haben, um ihr Reich weiter nach Osten auszudehnen, die Russen, die gestorben sind, damit die Macht ihres Vaterlandes weiter nach Westen reicht, ja, sie alle sind für eine Dummheit gestorben, und ihr Tod war sinnlos, ohne allgemeine Bedeutung.“
Wer so etwas schreibt, ist nicht nur ein Narr, er ist ein böser Narr. Und wenn man seinen berühmt-berüchtigten Roman schon deshalb nicht weiterlesen möchte, weil auf jeder Seite fünfmal gefickt wird, dann hat man, sobald man auf eine der Geschichtsklittereien stößt, endgültig die Nase voll. Das mag bei BILD angehen, bei jedem, der sich etwas Wahrhaftiges und Sinnvolles wünscht, in keiner Weise.
Dr. Ulrich Scharfenorth, Ratingen
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