Die widerliche Aura des Militarismus (2)

Tod und Orden Während Rheinmetall & Co. riesige Profite einfahren und Soldaten in sinnlosen Kriegen sterben, ist in den USA ein Streit um militärische Orden entbrannt - obszön

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Es gehört zu den Absurditäten unserer Zeit, dass die Erde von immer mehr Waffen überschwemmt wird, obwohl durch Kriege – wie man weiß – kein menschliches oder gesellschaftliches Problem gelöst wird. Da Waffenhandel und Krieg aber große Geschäfte implizieren und fast immer mit der Vereinnahmung von Rohstoffen einhergehen, gibt es überall auf der Welt Menschen, die Konflikte anheizen, anzetteln oder neu beleben. Dass Deutschland zu den Ländern gehört, die besonders viele Waffen exportieren, ist angesichts unserer Vergangenheit und der vollmundigen Beschwörungen nach 1945, besonders bitter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-89932536.html. Da nehmen sich auch Beschwichtigungformeln, die den Einsatz deutscher Waffen in Spannungsgebiete untersagen oder ihren kollateralschadenfreien Einsatz beschwören, wie Ammenmärchen aus. Denn wie man weiß, werden die Entscheidungen für Waffenlieferungen vom Bundessicherheitsrat im geheimen Safe-Bunker zwischen Leuten ausgekungelt, die zu absolutem Stillschweigen verpflichtet sind. Dass dort neben den üblichen Verdächtigen mal ein Grüner, geschweige denn Linker mit verschwört, ist eher selten. Gleichwie: Die Rüstungsexporte rollen, und was heute wegen ausbleibender Bestechung nicht mehr nach Griechenland reinkommt, muss auf andere Höfe. Da wird Saudi-Arabien von der diktatorischen Aura reingewaschen, da geht’s in die Abseiten der Spannungsgebiete. Und wir wissen ja, wer in Libyen und woanders mit weitergereichten deutschen Waffen geschossen hat oder weiter schießt.

Die Amerikaner, die weltweit noch mehr Waffen verteilen als die Deutschen, haben seit kurzem ein echtes Problem: die Drohnen. Achthundert Stück von denen sind täglich weltweit unterwegs, und man kann durchaus davon ausgehen, dass die meisten auf US-amerikanischen Mist gewachsen sind. Wenn ich die Drohnen als Problem benenne, dann diesmal nicht, weil diese völkerrechtwidrig und gegen den ausdrücklichen Willen von Menschen und Regierungen genau dort platziert werden und töten, wo es die Amis gern haben – nämlich in Afghanistan, Pakistan und im Jemen. Sondern deshalb, weil die Drohnen ein Dekorationsdebakel hervorrufen. Präsident Obama nämlich will den Soldaten, die aus sicheren Kommandozentralen heraus Killerdrohnen lenken, bei herausragenden Abschussquoten neue Orden verleihen und zwar solche, die ihrer Bedeutung nach noch vor dem Verwundetenabzeichen "Purple Heart" rangieren. Solch fehlende Sensibilität und Geschmacklosigkeit ist bei vielen US-Militärs auf Protest und brüske Ablehnung gestoßen ("Süddeutsche Zeitung", 8. März 2013). Kein Wunder: Gilt doch in der Army das Zumarkte-Tragen der soldatischen Haut als höchstes Zeichen für Ehre und Opferbereitschaft – ganz gleich, ob der Waffengang ein verbrecherischer Vietnam- oder Irakkrieg war oder eben nur ein leichtsinniger Patrouillengang im friendly fire. Wie auch immer: die Auseinandersetzung um Orden und Werschätzung dauert an – mit hässlichen Begleitgeräuschen. Kein Wunder, dröhnen da die einen, dieser Präsident habe "für seinen Friedensnobelpreis weder Freiheit noch Leben riskiert" oder "Es kann schwere Folgen haben, das Sich-Opfern-Müssen aus dem Krieg zu entfernen." Wer solches liest, hat Probleme zu orten, was oben und unten ist. Thomas de Maizière , der deutsche Verteidigungsminister, scheint diesbezüglich ebenfalls ein schlechtes Gefühl zu haben. Nicht, dass ihm Ordensprobleme Kopfschmerzen bereiteten. Doch die Abneigung gegen Drohnen, die nicht nur bei der LINKEN, sondern nahezu parteiübergreifend in jedem der politischen Lager, vor allem aber im Gros der deutschen Bevölkerung wächst, hat ihn sichtbar ausgebremst. Er will die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr jetzt bis zur Bundestagswahl aussetzen http://www.sueddeutsche.de/politik/ausruestung-der-bundeswehr-bewaffnete-drohnen-erst-nach-der-wahl-1.1645882. Ein kleiner mieser Trick, wie man schnell erkennt. Denn niemand kann uns weismachen, dass Deutschland mittelfristig auf diese Waffe verzichtet. Natürlich gilt es, militärtechnisch am Ball zu bleiben. Und vielleicht lassen sich die anstehenden Rückzugsgefechte in Afghanistan noch als lohnende Übungseinsätze gestalten. Immerhin wäre dann EIN Sinn dieses Krieges – wenn auch ein verwerflicher – erfüllt. Um es kurz zu sagen: Mir kommt immer häufiger der Ekel – ob der heuchlerischen Argumentationen, der Ehrbegriffe und Indoktrinationen. Einfach grauenhaft fand ich Popen in Saigon oder Bagdad – wo der einfache Soldat ausblutete, was Verbrecher am grünen Tisch befahlen. Und noch furchtbarer jene Politiker, die den Lobbyisten des Krieges verfielen, fingierte Krieggründe absegneten und ihre Landleute für die Schlachtbank fit machten. Sämtliche von den USA nach dem Koreakrieg vom Zaun gebrochenen Konflikte bedienen genau dieses Muster.

An jedem Krieg verdienen vor allem diejenigen, die Waffen und Munition liefern und Zerstörtes wieder aufbauen. Das zynische Miteinander von Vernichtung und Wiederkehr ist typisch für fast jedes Schlachtfeld. Es beschert Milliarden für große Konzerne – zu Lasten der am Kriege Beteiligten und der Steuerzahler im Land des Aggressors/"Befreiers". Obwohl das alles einleuchtend ist, wird weiter produziert – jede neue Waffe noch scheußlicher als die abgelöste. Auf der Waffenmesse in Abu Dhabi konnten die Hightech-Kreationen der letzten Saison besichtigt werden http://www.spiegel.tv/filme/waffenmesse-magazin/. Ein verheerender Anblick! Selbst die südkoreanische Firma Samsung, die bislang tunlichst um ihren (friedlichen) Ruf bemüht war, ließ ihren Kampfroboter von der Leine. Der schießt ferngesteuert aus allen Rohren und Kalibern und überwindet dabei noch Hindernisse. In den Kampfzonen dieser Welt werden folglich die bösen Aufständischen immer weniger gegnerischen Soldaten, dafür aber Jets, Laser-Pointer- und Gewehren, Drohnen und eben Kampfrobotern begegnen. Und ihnen trotz freiheitlichem Begehren auch unterliegen. Das dürfte genauso frustrieren wie der Cyberkrieg, der Gegner, resp. deren Bilder abstrahiert/virtualisiert, um im Gegenzug stuxnette Würmer, Viren oder Bundestrojaner in x-beliebige Richtungen auszuschütten.

Bleibt die schmutzige Bombe, bleiben die Hightech-Waffen, mit denen präzise daneben seziert wird. Ihnen dürfte die Zukunft gehören. Schmutzig klingt einfach und nach Aktentasche, präzise und seziert wie das Märchen vom Hightech-Fleischermesser. Doch was macht das? Das Gros der Bürger hat sich darauf eingelassen, Krieg als unvermeidlich zu akzeptieren. Und man begnügt sich mit der Freude über einen, der vor der Zeit zu Ende geht. Die Schar der Akteure reagiert meist gespalten. Die einen verschwinden ungesehen, um zu vergessen. Andere pöbeln, prügeln oder morden nach ihrer Rückkehr http://www.spiegel.de/politik/ausland/britische-studie-junge-kriegsveteranen-neigen-oft-zu-gewalttaten-a-889193.html. Der Rest ist gänzlich geschädigt und deshalb schnell abgemeldet http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Afghanistan/ptbs2.html. PTSB ist bis heute nicht heilbar, auch nachwachsende Gliedmaßen sind nicht in Sicht. Wer hier ein Nachhinken der Rekonveleszenz-Techniken hinter den Fähigkeiten der Waffen-Narren vermutet, hat Recht und irrt dennoch. Weil die Wiederherstellung von Menschen aus (weitgehend) mannlosen Kriegen im Grunde entfällt - und die Probleme des Gegners Probleme des Teufels sind und damit … irrelevant bleiben.

Die widerliche Aura des Militarismus“, Teil 1 http://www.stoerfall-zukunft.de/blog/227-die-widerliche-aura-des-militarismus

Dr. Ulrich Scharfenorth, Ratingen

www.stoerfall-zukunft.de

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Geschrieben von

Scharfenorth

Bis 1990 fuer die DDR-Stahlindustrie tätig. Danach Journalist/ Autor in Duesseldorf. 2008: "Stoerfall Zukunft"; 2011: "abgebloggt" und Weiteres

https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Scharfenorth

Scharfenorth

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