Wir wollen uns nichts vormachen: SPD und Grüne stehen vor ihrer bisher größten Belastungsprobe. Die Entscheidungen vor der Bundestagswahl, vor allem aber die zu den Landesparlamenten in Thüringen und im Saarland, zeigen, wie die innerparteiliche Zersplitterung vorankommt. Die SPD bangt um die letztmögliche Einflussnahme im Bundesrat, und Teile der Grünen rücken allmählich von ihren sozialpolitischen Forderungen ab. Soviel Mitte allerdings gibt es in keinem Volk, schon gar nicht im deutschen - wo die Mittelschicht seit einem Jahrzehnt von Ausdünnung gezeichnet ist. Jetzt scheint Platzeck die Notleine zu reißen – ob freiwillig oder auf Geheiß aus Berlin, weiß niemand. Grünen-Landesvorsitzender Ulrich hat im Saarland blutige Zeichen gesetzt und damit einen Trend verdeutlicht, der seit Jahren immer mal aufblitzte, im Grunde aber verborgen blieb. Jetzt müssen wir zur Kenntnis nehmen: Grün heißt eben nicht automatisch links. Und weil das so ist, zeigt sich heute die klaffende Wunde.
Ich persönlich glaube, dass die Parteienstruktur derzeit nur im rechten Lager einigermaßen stabil ist. Bei rot-rot-grün hingegen (ich nehme das mal zusammen) dürften sehr bald grundlegende Veränderungen anstehen. Die aber führen entweder zu einer völligen Zerstörung der einstmals gefestigten Inseln oder aber zu neuer Konzentration/Polarisierung. Denkbar wäre die allmähliche Herausbildung einer linken "Front"(aus SPD, Linken und links orientierten Grünen),die sich gegen ein neues bürgerliches Lagers aus Jamaika-Anhängern und SPD-Rechten absetzte. Letztere könnten aber auch bei CDU und FDP aufgehen. Die beobachteten Wanderungsbewegungen zwischen den Parteien lassen derartige Schlüsse durchaus zu.
Denkt man weiter, dann könnte sich für die Zukunft ein eher bedenkliches Bild auftun: stabile Regierungen aus CDU, FDP und dem abgespaltenen Block aus SPD und Grünen. Für linkes Gedankengut wäre dann nur noch in der Opposition Platz. Eine solche Konstruktion wäre allenfalls in Frage gestellt, wenn sich die wirtschaftlichen/gesellschaftspolitischen Verhältnisse in Deutschland zum Schlechten wendeten.
Angesichts solcher Faktenlage müssen SPD und Grüne sorgfältig abwägen, was sie künftig zu tun gedenken. Schließlich obliegt ihnen große Verantwortung. Wennwir in einen Zustand gelangten, bei dem Regierung und Länderparlamente zu 90% konservativ bestimmt sind, wäre das katastrophal. Denn der Volkswille wäre dann – trotz demokratischer Spielregeln - nahezu ausgehebelt. Schließlich gab es bei fast allen Wahlen nur knappe Mehrheiten. Und niemandem nützt es wirklich, wenn Angela Merkel formuliert, dass sie die Kanzlerin aller Deutschen sein wolle.
Ulrich Scharfenorth, Ratingen
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