Hände weg vom Jemen!

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Wir sind die Hypes inzwischen gewohnt. Da gab es die Schweinegrippe, Robert Enke und die „Winterkatastrophe“. Doch was uns jetzt ins Haus schneit, ist nicht nur aufgeblasen, sondern äußerst gefährlich. Die „Rheinische Post“ hält es da noch moderat („Rheinische Post“, 4. Januar 2009), doch „DIEZEIT“ fällt bereits hysterisch über uns her („DIEZEIT“, 7. Januar 2010). Ganz so, als wollte sie uns verständnisvoll stimmen – ein Votum für den einholen, der nobelpreisgekrönt, seinen dritten Kriegsschauplatz (Anti-Terror-Front) eröffnet. In riesigen Kommentaren wird der Jemen, der schon immer suspekt schien, gänzlich zum Labilo und Ort des Bösen stilisiert. Nun, wir wissen um die Entführungen von Missionaren und Reise-Idioten, die jede Warnung in den Wind schlagen und ... zahlen auch noch kräftig für die Lösegelder. Und dass Al-Qaida dort Wurzeln schlägt, ist kein Geheimnis. Doch müssen wir deshalb ein ganzes Land stigmatisieren und einen neuen Feldzug (zunächst) mental unterstützen? Noch schicken die Amerikaner ihre (feigen)Drohnen und bomben. Doch bald schon könnten Bodentruppen an Land gehen. Eben das will die jemenitische Regierung um jeden Preis verhindern, und sie tut Recht damit. Zunächst muss doch festgestellt werden, ob einheimische Kräfte in der Lage sind,Ordnung zu schaffen. Aber nein – man instrumentalisiert Umar Faruk Abdul Mutallab, den (Fast-)Attentäter von Detroit, als Tropfen aus unheilvoller Quelle – „nur“, weil er im Jemen von Al-Qaida ausgebildet worden sein soll. Und man tönt, dass der in den USA lebende Jemenite Anwar Al-Awlaki, angeblich ein Kontaktmann zu westlichen Dschihad-Kreisen 5.000 Fans auf Facebook hat. Passender kann es nicht zugehen. Schließlich spielt man weitere Namen auf die Liste, die der Leser weder nachvollziehen kann, noch hinnehmen muss. Wie groß die Gefahr wirklich ist, lässt sich aus unseren Lehnstühlen heraus nicht erfahren. Wirklich akut scheint nur eine Bedrohung – die Saudi-Arabiens (das an den Jemen grenzt) mit seinen Ölfeldern. Das freilich dürfte den Amerikanern mehr stinken als virtuelle Anschlag-Szenarios in den USA. Es geht also vornehmlich um die Stabilität der Prinzen-Diktatur und … Rohstoffe. Folglich ist das Bild ein Gewohntes. Auch der Irak und Afghanistan folgten diesem Muster, und nichts lag mehr im Interesse Washingtons, zur Verteidigung der eigenen wirtschaftlichen Interessen auch Willige aus der Nato einzubinden. Da mag man einwenden, dass Ölinteressen auch für Europa wichtig seien, ja, dass selbst die Bundeswehr Kampfeinsätze zur Rohstoffsicherung im Portfolio habe. Doch so klar das in den Dokumenten verankert ist, so rudimentär/verschwommen lagert das in den Köpfen der Bürger. Wennwir den Ambitionen der Amerikaner und Briten (im Jemen) folgten, würden die Gefahren, die uns aus Kundus erwachsen, akuter denn jeh. Denn nicht nur, dass uns dann auch die Jemeniten hassen lernten, auch die Forderungen nach stärkerer deutscher Präsenz am Hindukusch würden strikter – einfach, weil das Kampfpotential der USA Grenzen hat.

Es wird also höchste Zeit, dass wir uns auf uns selbst besinnen und endlich den Mut finden, mit Bündnispartnern mal Tacheles reden. Ob das unsere „Schweige-Kanzlerin“ auf die Reihe bekommt, ist allerdings fraglich.

Dr. Ulrich Scharfenorth, Ratingen

www.stoerfall-zukunft.de

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Geschrieben von

Scharfenorth

Bis 1990 fuer die DDR-Stahlindustrie tätig. Danach Journalist/ Autor in Duesseldorf. 2008: "Stoerfall Zukunft"; 2011: "abgebloggt" und Weiteres

https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Scharfenorth

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