Kein Ausstieg aus dem Ausstieg !

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Jetzt, da immer heftiger um längere Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke gestritten wird, ist es höchste Zeit, zu rekapitulieren. Was hat zur Laufzeitbeschränkung geführt (der Atomkonsens – 2000 unter Rot-Grün beschlossen und seit 2002 in Kraft. Hiernach sollten alle Kernkraftwerke der Bundesrepublik Deutschland bis ins Jahr 2020 abgeschaltet werden), und was erlaubt irgendwelchen Politikern plötzlich, von ihr Abstand zu nehmen. Die Argumente für und wider die Kernenergie haben sich in den letzten 10 Jahren kaum verändert. Nur dass heute die Widersacher von rot-grün am Ruder sind, und die standen mit ihren Bagatellisierungs- und Beschwichtigungsformeln seit eh und je auf Seiten der Atom-Lobby.

Man muss die Details nicht neuerlich ausgraben –die Grausamkeiten liegen auf der Hand:

1) die Mineros, die Uranerze in vielen Teilen der Erde abbauen, sind zumeist abhängige Geringverdiener, die die Verstrahlung vor Ort bewusst oder unbewusst hinnehmen. Uns interessiert in der Regel nur, was in den Atomkraftwerken und um sie herum geschieht. Mit Blick auf die EINE WELT aber sind globale Betrachtungen zwingend.

2) Sämtliche in Deutschland laufenden Atommeiler wären nach heute geltenden Sicherheitsbestimmungen nicht genehmigungsfähig. Bis heute ist beispielsweise unklar, wo und in welchem Umfang unzertifizierte Rohre im Einsatz sind, wie man Trafobränden dauerhaft beikommt, ob der prophylaktische Austausch von belasteten Konstruktionselemente in den vorgegeben Zyklen tatsächlich praktiziert wird etc.

In älteren Anlagen kommt es erfahrungsgemäß öfter zu bedenklichen Vorkommnissen

als in neuen.

3)Die Endlagerfrage ist bis heute nicht geklärt. Alles konzentriert sich auf Gorleben,obwohl Expertengutachten gerade diesen Standort nicht präferiert hatten. Gegenwärtigspricht alles dafür, dass der Schacht wegen der fehlenden Ton/Lehmschicht überdem Salzstock durch evtl. Wassereinbrüche extrem gefährdet ist. Allein die Tatsache,dass am falschen Standort viel Geld investiert wurde, ist heute Grund genug, ebensofalsch weiter zu machen. Auch wenn Gorleben weiter verfolgt würde, dauerte es 15Jahre, bis ein Langzeittest die Tauglichkeit des Standortes belegen oder ausschließenwürde.

4)Die Zwischenlagerung von mittel- und hoch radioaktivem Müll – in unmittelbarer Nähe der KKWs – stellt eine immense Gefahr dar. Terroristen wären problemlos in derLage, diese Depots mit panzerbrechenden Waffen in die Luft zu jagen. Einsolcher Angriff war als Option zu den Aktionen des 11. September 2001 inkonkreter Planung.

5)Die Laufzeitverlängerung der alten Kraftwerke um 8 Jahre brächte den

Energiekonzernen zusätzliche (!) Gewinne von 50 Milliarden Euro, bei den mehrfach geforderten 28 Jahrenwären es 225 Milliarden Euro. Nur Narren könnten davonausgehen, dass Teile dieser Renditen zurReduzierung des Strompreises benutztwürden.

6) Die Laufzeitverlängerung der Meiler trüge maßgeblich zur Ausbremsung deralternativen Energien bei, da ein zusätzliches Aufkommen an grünem Strom nur

bedingt zur Aufrechterhaltung des Netzgleichgewichtes benötigt würde.

7) Die schwarz-gelbe Regierung wird die Laufzeitverlängerung auch damit begründen,

dass fossile Kraftstoffe durch Ökostrom abgelöst werden müssen. Sie werden diese,seit Jahrzehnten von den Grünen vertretene These missbrauchen, indem sie neuerlichbehaupten, dass Atomstrom CO2-arm und damit ökologisch erzeugt werde. Wirklichhaarsträubend wird dieser Ansatz aber erst im Verbund mit dem Elektro-Auto.Letzteres soll ja – das hat Frau Merkel erst kürzlich bekräftigt – bereits 2020 ganzkräftig unsere Straßen bevölkern (1 Million Stück). Beide Ansagen sind mehr alsabenteuerlich, könnten aber bei denen, die schlecht informiert sind, durchaus aufZustimmung stoßen. Ich erinnere: Nur die ganzheitliche Betrachtung führt zurealistischen CO2-Bilanzen für die Stromerzeugung. Das trifft auch auf die KKW-Schiene zu. Folglich sind sämtliche CO2-Emissionen relevant, die, bezogen auf die Gesamtlebensdauer einer Erzeugungsanlage, auftreten. Dabei inbegriffen sind Aufbau und Entsorgung der Anlage, aber auch die Reststoffdeponierung. Hier liegen die offenen Schecks der Kernenergie, die immens zu Buche schlagen – auch wenn man sie derzeit nur schwer quantifizieren kann.Die Legende vom flächendeckend verbreiteten Elektro-Autos ist ebenfalls schnell von Tisch gefegt. Vor allem deshalb, weil der erforderliche Strom in den nächsten 30 Jahren auch nicht annähernd zur Verfügung steht. 70 Milliarden Liter Kraftstoff sind nicht von heute auf morgen zu ersetzen. Schon gar nicht, wenn man an die bis 2030 anstehende Steigerung des Energiebedarfes von 30 - 50 % in Rechnung stellt. Einige dieser Thesen griff auch das Fernsehen auf (ARD/"Frontal 21"- "Der große Bluff", 13. Juli 2010): frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/1/0,1872,1001633_idDispatch:9770811,00.html

Dr.-Ing. Ulrich Scharfenorth, Ratingen

www.stoerfall-zukunft.de

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Scharfenorth

Bis 1990 fuer die DDR-Stahlindustrie tätig. Danach Journalist/ Autor in Duesseldorf. 2008: "Stoerfall Zukunft"; 2011: "abgebloggt" und Weiteres

https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Scharfenorth

Scharfenorth

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden