Nicht nur die Solarindustrie wird es treffen

Solarworld Wir müssen unsere Hightech-Produktion schützen und gleichzeitig Teile unseres Wissens den Drittweltländern kostenfrei zur Verfügung stellen

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Wenn dieser Tage das Schicksal von Frank Asbeck beheult wird, dann kann ich nur den Kopf schütteln http://nachrichten.rp-online.de/wirtschaft/absturz-des-solarkoenigs-frank-asbeck-1.3155701. Hier wird nicht nur auf hohem Niveau gejammert, sondern bewusst fehlgedeutet. Ein inzwischen immer häufigeres Procedere in Deutschland. Asbeck hat mit Solarworld eine der steilsten deutschen Karrieren hingelegt. Das schien so lange berechtigt, wie dieser Unternehmer kreativen Geist, Risikobereitschaft und Sinn für Künftiges bewies und das mit viel Arbeit auch umgesetzt hat. Zu Hilfe kamen ihm seine Brüder im Geiste, die Grünen, die sich für alternative Energien (zu Recht) krumm legten, dann aber vergaßen, die Stellschrauben für die Einspeisevergütung und die Verteilung der eingespielten Steuermittel an die sich verändernde Landschaft anzupassen - bzw. das zumindest anzumahnen. Asbeck und andere Firmen der Solarbranche konnten viel zu lange von der Wirkung der großzügigen Entgelte, die Solarstromerzeuger vom Staat erhielten, profitieren. Sie bauten Anlage für Anlage und verkauften sie zu z. T. überhöhten Preisen – und mit fast unveränderter technischer Konfiguration. Die Subventionitis beim Stromerzeuger gab es ja her. Asbeck wurde stinkreich dadurch und vielen seiner Kollegen ging es ähnlich. Erst viel zu spät checkte der Staat, dass er mit den hohen Einspeisevergütungen Innovation und Technik ausbremste. Denn rein finanziell musste kein Anbieter Geld in die Forschung investieren. Es lief ja auch so. Der Staat versäumte es aber ebenfall, ausreichend Geld in die Energieforschung zu stecken. Dieses Feld ist seit mehr als einem Jahrzehnt chronisch unterversorgt. Statt sich mit aller Kraft der Weiterentwicklung von Solarzellen und der Stromspeicherung zu widmen und in diesen Bereichen 10 mal mehr zu investieren als bisher, zog man die Unternehmenssteuern von den Solaranlagenherstellern und die eingesparten Mittel aus der inzwischen gekürzten Einspeisevergütung kompromisslos für andere Zwecke ab. Ein instinktloser Vorgang, der in seiner Tragweite nur noch davon übertroffen wird, dass Regierung und Medien die China-Konkurrenz völlig falsch interpretieren. Natürlich ist es möglich, dass die Chinesen inzwischen bessere und vor allem billigere Solarmodule bauen. Doch dass diese mit Preisen unter den Herstellungskosten in alle Welt vertrieben werden, ist völlig unbewiesen. Schon immer hat man im Westen versucht, die aufkommende chinesische Dominanz durch Scheinargumente auszubremsen. Die wirkliche Sachlage ist eine völlig andere. Unsere Regierung und Teile der Wirtschaft sind entweder nicht bereit oder aber nicht in der Lage zu erkennen, dass China, Indien, Brasilien und Russland bei uneingeschränktem Freihandel eines Tages alle Geschäfte dieser Welt machen werden – auch die mit neuesten Hightech-Komponenten. Denn die Produktionskosten werden noch 20 Jahre lang erheblich unter denen von Westeuropa und den USA liegen. Diesem Argument werden wir – vor allem bei arbeitsintensiven Produkten – nicht entkommen. Unsere Konkurrenzfähigkeit wird in zunehmendem Maße eingeschränkt, jetzt auch auf höchst innovativen Feldern wie der Solartechnik – die eine Domäne deutscher Technik war. Gleiches wie mit der Solartechnik wird uns in Kürze auch im Bereich der Biotechnologie und Nanotechnik passieren, denn auch hier droht der Einfall von Billigimporten aus China etc. Dass die Amerikaner, die – so es ihnen Vorteile brachte – den Freihandel extrem anheizten, immer mal Schutzzölle verhängen, kommt in Deutschland kaum an. Gegen die chinesischen Solar-Modul-und -Anlagenhersteller ist solches gerade im Gange. Wacht den da niemand auf? Wir haben in den zurückliegenden Jahrzehnten – gerade durch den Einfluss von Billiglohnländern – unseren Mittelstand schon teilweise vernichtet. Die Produktgruppen, die in Deutschland und Europa nicht mehr erzeugt werden, muss ich nicht extra nennen. Wenn Regierung und Wirtschaft heute die altbackene Parole ausgeben, dass man durch globalisierunsgetriebenen Wettbewerb, sprich: durch immer niedrigere Löhne/Kosten dem asiatischen Druck standhalten kann, ist das kompletter Un- und Irrsinn. Wir müssen vor allem noch mehr Geld in die Forschung stecken und die daraus erwachsenenen innovativen Ideen und Produkte durch massive Zölle schützen. Es ist heute Zeit, dass die Regierenden von der falschen Ideologie ablassen, dass all und jedes Erzeugnis mit all und jedem Erzeugnis auf dem Weltmarkt verglichen werden muss. Wir könnten auch in Deutschland höchstwertige Fernseher bauen, wenn der Import eingeschränkt/eingestellt würde und die Einkommensstruktur an eine solche Politik angepasst würde. Buchautor Gero Jenner hat diese Philosophie ausgebaut und „Splendid Isolation“ als einzige Lösung für die Bewahrung europäischer Wettbewerbs- und Lebensfähigkeit empfohlen http://www.gerojenner.com/portal/gerojenner.com/Stratfor.html. Ich sehe das ähnlich. Gleich starke Staaten sollten sich in Staatenbunden wie der EU zusammentun und vor allem in ihrem Innern fair und auf gleicher Augenhöhe handeln. Nur in Ausnahmefällen (z.B. fehlende, unverzichtbare Rohstoffe) sollte von diesem Konzept abgewichen werden. Parallel dazu muss es im Rahmen von Wirtschaftshilfe einen von der UNO gesteuerten kostenlosen Wissenstransfer der wirtschaftlich starken Mächte an Drittwelt- und Schwellenländern geben. Außerdem müsste das internationale Patentrecht nicht verschärft, sondern mit dem Ziel gelockert werden, auch wirtschaftlich schwachen Menschen/Ländern qualitativ hochwertiges Wissen kostenlos oder zu günstigen Konditionen bereit zu stellen. Der gnadenlosen Ausbeutung wirtschaftlich und politisch schwacher Länder könnte damit wirksam begegnet werden.

Zurück zu Frank Asbeck. Diesen Mann, der noch reichlich Geld im Privatkoffer hat, muss man nicht bedauern. Er hat erst kürzlich das Schloss von Gottschalk gekauft und kommt auch so, sprich: mit seinem geschmälerten Aktienbesitz (28% von Solarworld) gut über die Runden. Jetzt will er die Grünen verlassen und der CDU beitreten. Das ist nur zum Teil logisch. Wenn er künftig Witze über die Dummheit des deutschen Staates erzählt, trifft er auch Merkel. Ihm zuhören, könnte dennoch Sinn machen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Scharfenorth

Bis 1990 fuer die DDR-Stahlindustrie tätig. Danach Journalist/ Autor in Duesseldorf. 2008: "Stoerfall Zukunft"; 2011: "abgebloggt" und Weiteres

https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Scharfenorth

Scharfenorth

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