Schade um Hannah Arendt

Murx b. Untertiteln Die Besucher hätten vorgewarnt werden müssen: 80% englisch mit Untertitel-Salat. Aber selbst auf der Website wird dieser Dilettantismus nicht sichtbar

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Ich habe vorgestern den allseits hoch gelobten Film „Hannah Arendt“ gesehen. Prädikat: besonders wertvoll. Komisch: Ich kann diesen Jubel nicht verstehen. Was damit zusammenhängen mag, dass ich statt Philosophie Metallformung studiert habe. Oder weil ich vermute, dass sich philosophisch ambitionierte Journalisten mal wieder profilieren – auf keinen Fall aber nachsagen lassen wollen, sie hätten nichts verstanden. Immerhin scheint der Streifen für kleine Genies komponiert. Für Menschen, die es nicht nur drauf haben, das Böse geistesgerecht zu sortieren, sondern auch eigenwilliges Multitasking beherrschen. Anders jedenfalls ist die dilettantische deutschsprachige Unterlegung der Englischtexte nicht zu begreifen. Man muss schon fremdsprachengestört sein, will man diesen Unsinn gutheißen. Irgendetwas muss der v. Trotta aber aufgefallen sein, denn auf der Arendt-Website wird kein einziger fremdsprachiger Szenenausschnitt gezeigt http://www.hannaharendt-derfilm.de/, obwohl das Englische ganz eindeutig dominiert. Eben das dürfte nicht nur mich, sondern viele meiner Landsleute irritiert und um die Kinofreude gebracht haben. Nicht, dass ich mir oder anderen Kinobesuchern unzureichende Englischkenntnisse attestieren will. Nein. Die stümperhafte, auf das Unwesentliche konzentrierte Übersetzung, die zerfetzt und zusammenhanglos eingeblendet wurde, störte das Verständnis. Immerhin musste man das filmische Geschehen verfolgen. Doch das lief synchron mit besagten Halbsätzen. Die Augen zu schließen und den Wortgefechten nur zu lauschen machte dann auch keinen Sinn. Immerhin saß man im Kino. Eines tröstete mich dann doch: Der Film ist jugendfrei, eine Botschaft, die einem auf der Website schon mal virtuell entgegen schießt. Zu Inhalt und Aussage des Films nur zwei Worte: Margarethe von Trotta hat den Abstand verspielt. Sie ist fasziniert und verschleiert manches (vgl. http://www.zeit.de/2013/03/Film-Hannah-Arendt-Margarethe-von-Trotta). Dennoch sind die Konflikte gut dargestellt. Mich selbst stört, dass der Arendtsche Ansatz (Eichmann war ein bürokratisch verformter Mensch, der nicht denken konnte) die Szene dominiert und Heidegger mit ein paar unverfänglichen Sequenzen davon kommt. Aber gemach: Der deutsche Durchschnittsbürger erfährt ohnehin nichts. Er vermeidet solche Filme, ist bereits vor dem Kino – spätestens aber im roten Plüsch – auf der Strecke geblieben.

Dr. Ulrich Scharfenorth, Ratingen

www.stoerfall-zukunft.de

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Geschrieben von

Scharfenorth

Bis 1990 fuer die DDR-Stahlindustrie tätig. Danach Journalist/ Autor in Duesseldorf. 2008: "Stoerfall Zukunft"; 2011: "abgebloggt" und Weiteres

https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Scharfenorth

Scharfenorth

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