Sollen wir sie einfach einfliegen?

Flüchtlinge Der Vorschlag, die Migranten einfach am Ausgangspunkt ihrer Flucht aufzunehmen und nach Deutschland zu fliegen, dürfte hier zu Lande keine Mehrheit finden

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Was bleibt zum Thema „Flucht“ noch offen? Zum einen die mehrfach vorgetragene Forderung – vor allem der Grünen – die Flüchtlinge legal einreisen zu lassen.

Derzeit wird ihnen diese Möglichkeit auf allen relevanten Flughäfen verwehrt. Natürlich würde den Migranten eine solche Lösung viel von ihrem „Reise“-Leid ersparen und vor allem verhindern, dass Menschen auf den Gewaltfahrten und –märschen umkommen. Soweit der ethische Aspekt einer solchen Regelung. Wüsste ich, dass sich ganz Europa fair an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen würde – ich würde einem solchen Vorschlag sofort zustimmen. Die Einreise aber nur denen gestatten, die als Kriegsflüchtlinge gelten.

Frau Merkel wird es aber m. E. nicht gelingen, die Europäer auf diese Linie einzustimmen. Außerdem wird ein legales Verfahren mehr Leute nach Europa ziehen als das bisherige (diese brutale Rechnung wird von der Politik aufgemacht – ob wir das nun wollen oder nicht). Herbert Brückner von der Uni Bamberg hat vorgeschlagen, dass Aufnahmeverweigerer und -begrenzer nach einem fairen Schlüssel für die „Fluchtkosten“ in Deutschland aufkommen sollten („der Freitag – Das Paradox der Politik“, 15. Oktober 2915). Auf diese Weise könnte sowohl die finanzielle Seite des auf unbestimmte Zeit andauernden Vorganges geklärt als auch den Siedlungswünschen der Flüchtlinge optimal entsprochen werden.

Bleibt nur ein Problem: nämlich das, dass sich nahezu alle Flüchtlinge nach Deutschland begeben würden – mit absehbaren Folgen. Für eine solche Lösung dürfte es hier zu Lande keine Mehrheit geben, denn der Zufluss könnte eine ewig andauernde Größe darstellen, die unser Land in seiner Bevölkerungs- und Konfessionsstruktur völlig umkrempeln würde. Auch wenn die Gewährung von Asyl zu unseren höchsten und schützenswerten Gütern gehört, darf sie den Schützenden nicht in Frage stellen. Folglich ist die ständig wiederholte und abgewiesene Frage nach der Höchstzahl der Aufzunehmenden eine durchaus berechtigte Frage. Zumindest für diejenigen, die über den Tellerrarnd hinwegblicken. Sich jetzt darauf zu verlassen, dass die militärischen Konflikte auf der Welt und damit auch die Flüchtlingsströme ein Ende finden, ist mehr als naiv. Kriege dürfte es in der kapitalistischen Gesellschaft immer geben – daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich ihr Erscheinungsbild, ihr Volumen oder die angewendeten Strategien verändert haben https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/evolution-der-gewalt. Rücken sie – wie vor Monaten geschehen – in die Nähe eines friedlichen und wohlhabenden Europas, dann findet der „Ausfluss“ in genau diese Richtung statt. Die Fluchtbewegung kann – und das machte die Sache von Anfang an bedenklich – nur zu einem kleinen Teil über Empathie, Pflichtgefühle, ethische Appelle oder Moralkeulen gesteuert und abgefangen werden. Blieben diese Komponenten aus, dann kämen sie trotzdem – die zwei, drei, fünf, zehn Millionen. Umso wichtiger wäre es jetzt, dass sich Europa auf einen durchgängig akzeptierten, von Humanität getragenen Masterplan verständigt, der das gesamte nächste Jahrzehnt umfasst. Ginge das schief, könnte sich das durch die Griechenlandkrise und massive interne Probleme gepeinigte EU-Konstrukt http://www.tagesspiegel.de/politik/europaeische-union-der-frust-der-foederalisten/12379334.html auch schnell auflösen.

zum anderen: die Horrorszenarien und Verschwörungstheorien. Die gehören – auch wenn das dieser oder jener anders sehen sollte – ebenfalls zum Thema. Wir alle wissen, dass die Flüchtlingskatastrophe von verschiedenen Wissenschaftlern und Politikern vorausgesehen und dass entsprechende Botschaften von den Regierenden in eklatanter Weise ignoriert worden sind. Viele unserer heutigen Probleme hätten bei vorhandener Weitsicht vermieden werden können. Jetzt gibt es wieder eine Reihe von Leuten, die den Blick in die Zukunft werfen und dabei nicht nur rechnen, sondern Extreme potenzieren. Einer von ihnen heißt Udo Ulfkotte http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/udo-ulfkotte/wo-hat-angela-merkel-den-amtseid-abgelegt-sie-kann-ihn-nicht-mehr-finden-.html;jsessionid=80EE272A0F8A50C5B137C6ED7FDEA571. Niemand weiß heute, in welchem Umfang solche Voraussagen eintreffen könnten. Ich auch nicht …

TOP Aktuell und absurd! Die Polizeigewerkschaft DPolG schlägt vor, zwischen Deutschland und Österreich einen 800 km langen Zaun zu errichten http://www.tagesschau.de/inland/fluechtlinge-deutschland-129.html

Lesenswert auch der Faktencheck Asyl https://www.freitag.de/autoren/katharina-schmitz/pragmatismus-hilft

Alles Weitere zum Thema "Flucht" (Teile 1-5) auf www.stoerfall-zukunft.de

Schöne Grüße aus Ratingen!

Dr. Ulrich Scharfenorth

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Scharfenorth

Bis 1990 fuer die DDR-Stahlindustrie tätig. Danach Journalist/ Autor in Duesseldorf. 2008: "Stoerfall Zukunft"; 2011: "abgebloggt" und Weiteres

https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Scharfenorth

Scharfenorth

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden