Trump und die brutale Wahrheit

Allseits großes Staunen. Warum nur? Dass dieser Mann ab Januar das Sagen hat, war doch absehbar. Nicht der Belzebub, sondern das Original selber wird es richten. Wir sind die dummen Zaungäste

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Nun ist Trump da, und alle wundern sich. Weil sie den Demoskopen aufgesessen sind, die sich wenig Mühe machten, die wirkliche Stimmung, die wirkliche Befindlichkeit in den USA festzustellen. Das dürfte für 80% der amerikanischen, aber auch fast 100% der hiesigen Meinungsforscher und Medien gelten. Man hat Geld & Sorgfalt gespart und Unsinn prophezeit.

Dass Trump jetzt ins Rennen geht, hat vor allem damit zu tun, dass sich diejenigen, die sonst nie und nirgendwo etwas zu sagen, respektive mitzuregieren hatten/haben, angesprochen fühlten. Dabei war eher unwichtig, ob der Kandidat hält bzw. halten kann, was er verspricht. Wichtig war allein die Botschaft, die schon mal derb ausfallen darf, weil man das gewohnt ist. Für die Unterprivilegierten bestand und besteht die Hoffnung, dass ihre Nöte vernommen, dass die für sie wichtigen Dinge mal anders, ja vielleicht sogar besser geregelt werden. Abgestürzte und die, die den Absturz fürchten, sind dankbar für jeden Sonnenstrahl – auch wenn der (für sie kaum erkennbar) aus der falschen Ecke kommt. Was im bisher bestehenden System angerichtet wurde, wie stark sich die Schere zwischen Arm und Reich geöffnet hatte, ist im Verlauf des Wahlkampfes – auch mit seinem Ergebnis – deutlich geworden. Die Zustände waren noch nie so bedrohlich

Hillary Clinton musste den meisten Amerikanern wie eine schmierige, notdürftig gestylte Matrone vorkommen. Sie, die für 20 Millionen Dollar (!!!) Reden vor WallstreetBankern hielt, Privatserver für dienstliche Obliegenheiten nutzte, herumlog und sogar ihren Parteigenossen, Bernie Sanders, austrickste, hat viele Menschen einfach nur abgeschreckt bzw. von der Wahl abgehalten. Noch nie haben so viele Wähler die Urnen links liegen lassen. Beide Kandidaten schienen unwählbar, und so sind sicher auch viele der Sanders-Anhänger zu Hause geblieben.

Wenn jetzt neue Legenden aufgetischt werden, um zu erklären, warum der sicher geglaubte Sieg Hillarys den Bach runter ging, kann ich nur lachen . Nicht die FBI-Recherche und keinesfalls die von Trump-Anhängern angeblich manipulierte Meinungsumfrage haben der Clinton das Genick gebrochen. Nein! Sie war es selbst, die sich lynchte. Und es war ein fundamentaler Fehler der Demokraten, diese Frau zu nominieren. Weil Frau – wenn schon erstmalig im Weißen Haus – auch sauber sein muss. Viele haben an Michelle Obama gedacht, aber keiner hat sie vorgeschlagen. Na, vielleicht das nächste Mal.

Was Trump angeht, so kann man nur hoffen, dass der sich besinnt oder zwangsweise besonnen wird. Dass er sein Land weltweit aus Konflikten herausziehen und ein besseres Verhältnis mit den Russen anstreben möchte, gefällt mir. Doch auch an dieser Stelle können die Vorsätze bröseln – wie das inzwischen in Sachen Gesundheitsreform und Migrantenabschiebung der Fall zu sein scheint. Nichts davon kann jetzt festgezurrt werden. Warten wir also bis Januar 2017. Und denken wir daran, dass auch Obama so gut wie keines seiner großen Vorhaben verwirklichen konnte. Bisher war es immer so, dass die wirklich Mächtigen, das sind Wirtschaft und Wallstreet, den Kurs der USA bestimmten und niemand anders – auch nicht die präsidialen Gallionsfiguren.

Auch in Deutschland sind die Regierenden gut beraten, auf die Sorgen und Nöte der Menschen einzugehen – mehr als das in den Diskussionen zu Pegida und zur AfD derzeit der Fall ist. Intellektuelles Feilschen und bemühtes Gutmenschentum sind da ebenso wenig angebracht wie die große Klatsche, mit der die Probleme zugekleistert werden. Wenn Klaus-Peter Schöppner davon spricht, dass es Trump auch in Deutschland geben könnte, ist es wirklich höchste Zeit für ein ehrliches und offenes Bemühen. Die Politik muss es endlich fertig bringen, diejenigen, die berechtigte Kritik an bundesdeutschen Verhältnissen üben von denen zu trennen, die Rassismus und Faschismus hoffähig machen wollen. Nur so können die wirklich destruktiven Strukturen nachhaltig geschwächt werden.

Dr. Ulrich Scharfenorth, Ratingen

www.stoerfall-zukunft.de

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Geschrieben von

Scharfenorth

Bis 1990 fuer die DDR-Stahlindustrie tätig. Danach Journalist/ Autor in Duesseldorf. 2008: "Stoerfall Zukunft"; 2011: "abgebloggt" und Weiteres

https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Scharfenorth

Scharfenorth

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