Vergesst die KlimaZiele!

Vor uns flackern ... ... allenfalls Irrlichter. Die Akteure polarisieren und löschen einander aus. Das Volk ist zweigeteilt - vor allem aber unwissend, ignorant und apatisch

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Es ist zum Gotterbarmen. Alles schreit sich mit GRÜN die Seele wund und nichts wird. Politik und Medien versuchen einander zu übertreffen. Ihre KlimaKlagegesänge nerven und vieles mutet hysterisch an. Auch Greta provoziert weiter und Instinction Rebellion schockt Spießer mit Kunstblut https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/extinction-rebellion-aktivisten-spruehen-kunstblut-auf-londoner-ministerium/25082474.html. Da reißt sich Grün mit Grün, da wettern grüne Tier- und Landschaftsschützer gegen Windkraft, Pumpspeicherwerke und Stromtrassen, da werden, ohne dass eine entsprechende Machtbasis da ist, die Ökodiktatur, der Verlust der Demokratie heraufbeschworen, da muss Trittin gegen das Wiederaufleben des „grünen Atomstroms“ wettern https://digital.freitag.de/5219/wir-werden-ueberleben/. Und Svenja Schulze Prügel für Hilflosigkeit in der Sache einstecken. Während wiederum andere Akteure die Diskussion in Gänze für unzeitgemäß, ja überflüssig halten.

Die Menschheit ist polarisiert wie nie, und Klimagipfel gebären inzwischen nur eines: die hilflose, wenn auch wissenschaftsgestützte Willensbekundung. Ja, auch beim CO2 ist der Geiz groß geschrieben, auch da ist es schwer, zu geben, was den anderen – vor allem den Unschuldigen – zusteht. Und es scheint unmöglich, das unnütz Produzierte, den liebgewonnenen Überfluss einzuhegen, wenn Wahlen anstehen. Wahlen, die jeden, der sich am großen Rennen beteiligt, sehr schnell vom Kuchen ausschließen, wenn der ökogemäß schmaler gestellt wird.

Die reichen Länder haben die Büchse der Pandora geöffnet, die armen sollen bluten, weil diese Dose nimmer geschlossen wird. Wer in Entwicklungs- und Schwellenländer so leben möchte wie wir in den Industriestaaten, der hat schlechte Karten. Das Auto, das Haus, das Studium: Sie sind mein und nie dein, sagt der Wohlstandsgestrickte - ganz gleich, ob du mich als Demokraten anhimmelst oder wegen meines Fußabdrucks verachtest.

Ja, in den großen Demokratien werden auch die größten Ungerechtigkeiten kultiviert. Hier läuft alles auf allmähliche, scheinbar friedliche Vereinnahmung. Die Restwelt wird aufgesogen – und kaum jemand stellt täglich fest, dass unser Wohlstand auf Ausbeutung beruht. Macht nichts, sagt der gestandene Bürger, es gibt freie Wahlen. Und: Was lange währt, wird gut!

Konsumismus und Warenproduktion, aber auch der Luft-, Straßen und Schiffsverkehr, die allgemeine Energieverschwendung, ja selbst reisegeile Rentner (sorry, aber sind es nun mal), Rinderzüchter und HobbyReiter werden als Vorboten der Katastrophe ausgemacht. Hier und bei denen seien die Hebel anzusetzen, hier müssten auch Verbote her, rufen die Grünen und hiervon habe man gefälligst die Pfoten zu lassen, tönen AfD und Konzerne. Otto N. ist naturgemäß verwirrt. Er checkt nicht, dass sein Fußabdruck, die zunehmende Anmache, dass er, er, Otto N. klimagerecht agieren solle, zwar Indikatoren und Messgrößen für Verhaltensweisen, nicht aber maßgebliche Faktoren für notwendige Handlungsoptionen darstellen. Gewiss: Jeder Bürger sollte versuchen, umweltbewusst zu leben. Doch viel wichtiger, weil wirkungsvoller wäre es, wenn die Hauptverursacher der Umweltgifte endlich umprofiliert, stillgesetzt oder weggesperrt würden. Genau das aber wollen die, die umweltverpestend besonders hohe Profite einfahren, verhindern. Und so kurbeln sie alles an, was besserbetuchte Genießer problemlos realisieren und arme Schlucker endlich mal auskosten möchten. Beide Personengruppen sind es dann auch, die vorgeschoben werden. Und man schreit, dass man nicht beschneiden dürfe, was der Demokratie und den ihr verbundenen Menschen zustehe. Womit Einschränkungen bei Konsum, Wohlleben und Luxus der Kampf angesagt ist. Richtig: ohne Wachstum – und das resultiert aus allem, was produziert und verbraucht wird – ohne Wachstum geht der Kapitalismus vor die Hunde. Und so scheint ausgemacht, dass alles, was unser Wachstum bremst, des Teufels ist. Leider ist das Gegenteil der Fall. Nur kaum jemand will das wissen. Heute ist für den, der das nötige Kleingeld hat, alles möglich und nichts ist schwerer vom Tisch zu wischen als alte Totsünden: Völlerei/Fleischfresserei, Sauferei, Raserei auf den Straßen, das Breittrampeln indigener Pfade. Ja selbst von der Böllerei zu Silvester will kaum einer lassen.

Fragt man die Jungen, fragt man die Alten, die meisten sind heiß darauf, in PS-starken, schweren Kisten umherzustochen, die Kontinente zu durchstöbern, alles zu erfahren, was GoogleMaps so aufblättert. Da geht’s selbst in stinkende Vulkane, die immer mal tödlich ausspeien.

Macht nix, fürs leicht oder schwer verdiente Geld wird selbst das locker, was früher festgefügt schien. Auf nichts verzichten, schnell, billig und sofort sind die Slogans der Postmoderne. Dabei müssten sich die egoistische Marktteilnehmer, die Vertreter der subjektiven Rechte längst der Reziprozität, dem gleichermaßen Geben wie Nehmen, dem Zusammenleben mit kollektiv geteilten Grundwerten unterwerfen. Völlig zu Recht fordert Andreas Reckwitz, dass der heute regierende Dynamisierungsliberalismus schnellstens einem reformierten, erneuerten Liberalismus weichen müsse https://www.freitag.de/autoren/ulrike-baureithel/auf-nichts-verzichten. Und Michael Jäger ruft sehr konkret die Bürger auf, sich auf das, was sie wirklich bräuchten, zu verständigen. Sodann müsse man diesen, quasi abgestimmten Willen den Konzernen aufzwingen https://digital.freitag.de/5219/kaeufer-vereinigt-euch/.

Denkste, weder zu einem freiwilligen Konsumverzicht, noch zu einer wirkungsvollen Rebellion gegen die Konzerne wird es kommen. Dafür fehlt die Geschlossenheit, die Solidarität in der Gesellschaft. Wir sind ein Konglomerat aus Individuen, die allesamt (ich nehme nur ganz wenige aus) die Wohlfühl-Kugelform anstreben (in der Wissenschaft: der energieärmste, stressfreieste Zustand). Solch Truppen zur Demo anzustiften, ist im Grunde undenkbar. Und wenn es doch mal gelingt, dann überstimmen die sesselfurzenden Penner all jene, die sich monatelang gegen Stuttgart 21 ins Zeug legten.

Naomi Klein, die um all das weiß, die die Mechanismen von Macht und Hilflosigkeit gründlich analysiert hat https://www.stoerfall-zukunft.de/?s=Die+Schockstrategie, bleibt dennoch optimistisch. Stoppt die Brandstifter, ruft sie und kreist einmal mehr die Täter ein, die die Erde verbrennen https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/stoppt-die-brandstifter. Letztlich glaubt sie an das Unwahrscheinliche, daran, dass der Funke GRETA zum Lauffeuer wird.

Auch ich rufe alle verantwortungsbewussten Menschen auf, so zu handeln, dass der Klimawandel gestoppt wird. Ich unterstütze die fortschrittlichen Bewegungen mit Informationen, Argumenten und Spenden. Und weiß doch, dass gegen die Lethargie, den Egoismus, gegen Raffgier und Machtambitionen des Menschen kein Kraut gewachsen ist. Wer mir heute erklären will, dass Deutschland, Europa und die Welt das Zwei-Grad-Ziel erreichen werden, den lache ich aus. Denn nichts bewegt sich.

Solange die Mehrheit der Menschen unwissend und ignorant vor sich hinlebt, sprich: nicht in der Lage oder bereit ist, ein lebbares Leben revolutionär (d. h. über machtvolle Massendemonstrationen – ohne Gewalt) einzufordern, wird sich auch künftig nichts ändern.

Und noch etwas: Wenn Wissenschaftler von Jahr zu Jahr darauf verweisen müssen, dass es ständig schwieriger werde, den Treibhauseffekt zu stoppen, ist das gleichermaßen symptomatisch wie himmelschreiend. Ihre Rufe verebben, das eine wie das andere Mal. Schließlich gelingt nichts mehr. Weil der Mensch nur ernst nimmt, was er momentan spürt.

Könnten wir – hier vor Ort und jetzt – deutlich machen, was der homo sapiens bis heute an Klimawahnsinn ausgelöst hat, das Ganze sähe vielleicht anders aus. Auf Katastrophen reagiert der Mensch (eigentlich nur auf Katastrophen). Aber dieser Versuch, dieses Spürenlassen von sehr viel häufiger auftretenden, immer verheerenderen Stürmen, Fluten und Dürren, ist erst in 25 Jahren, nämlich dann, wenn sich die Folgen komplett etabliert haben, möglich (Phänomen der zeitlichen Verzögerung). Doch bis dahin dürften die Menschen ein weiteres Vierteljahrhundert mit der Natur geaast haben.

Ja, auch der Mensch an sich vermehrt sich, dass es ein Graus ist – dass er selbst, einfach so Sapiens physisch zur Umweltlast wird. Er erzeugt Nachkommen und Nachnachkommen ohne viel über deren Zukunft und Exkrementiergehabe nachzudenken.

Und so ist im Wortsinn nur eines wahrscheinlich: Nach uns die Sintflut!

Dr. Ulrich Scharfenorth, Ratingen

www.stoerfall-zukunft.de

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Geschrieben von

Scharfenorth

Bis 1990 fuer die DDR-Stahlindustrie tätig. Danach Journalist/ Autor in Duesseldorf. 2008: "Stoerfall Zukunft"; 2011: "abgebloggt" und Weiteres

https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Scharfenorth

Scharfenorth

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