Finanzpolitisches Muskelspiel

Kryptowährung Facebooks Ziele erscheinen nicht nur auf den ersten Blick ambitioniert. Mit einer eigenen digitalen Währung könnten Zuckerberg und Co ordentlich Staub aufwirbeln

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Finanzpolitisches Muskelspiel

Foto: Brendan Smialowski/AFP/Getty Images

Statistiken, die sich mit Facebook beschäftigen, werfen geradezu nur so mit astronomischen Zahlen um sich: 2,38 Mrd. Nutzer*innen weltweit, davon 1,56 Mrd. tägliche Nutzer*innen, alle fünf Sekunden ein neuer Account, pro Tag 300 Mio. Foto-Uploads. Und auch außerhalb des Sozialen Netzwerks Facebooks wirkt die Marktstellung des US-amerikanischen Großkonzerns schwindelerregend: Dem Social-Network-Riesen gehören vier der fünf größten Messaging-Dienste. Whatsapp (Platz 3), Facebook Messanger (Platz 3) und Instagram (Platz 5) kommen zusammen auf knapp 5,2 Mrd. monatliche Nutzer*innen. Die Pläne von Facebook-CEO Mark Zuckerberg stehen diesen Zahlen in nichts nach – im Gegenteil. Zuckerberg will noch weiter hinaus, will den nächsten Schritt machen. Und dieser könnte eine Zäsur darstellen.

Für 2020 hat Facebook eine eigene Facebook-Währung angekündigt – Libra. Nach eigenen Angaben steht hier ein nobles Ziel im Vordergrund: Menschen in Schwellenländern helfen, die keinen Zugang zum Bankwesen haben. In einem Weißbuch der Libra Association steht hierzu direkt zu Beginn: „Libra’s mission is to enable a simple global currency and financial infrastructure that empowers billions of people” . Doch was ist Libra überhaupt? Einfach nur eine neue Kryptowährung? Nicht ganz.

Bei Libra handelt es sich um eine sogenannte digitale Ersatzwährung. Sie basiert – wie auch beispielsweise Krypto-Konkurrent Bitcoin – auf dem Blockchain-Prinzip, muss allerdings nicht erst gefarmt, also digital "abgebaut" werden. Darüber hinaus stellt Libra ein sogenanntes quelloffenes verteiltes System dar, welches als Plattform für sogenannte Smart Contracts genutzt werden kann. Ein Handel, der mit Libra abgeschlossen wird, kann somit an spezielle Bedingungen geknüpft werden. Treten diese Bedingungen vollständig oder teilweise ein, wird der Kaufpreis so in Teile oder ganz automatisch zurückerstattet – je nach den individuellen Bedingungen des Handels.

Ein weiterer Unterschied zu alternativen Digitalwährungen wie Bitcoin ist zudem, dass Libra keinen Kursschwankungen unterliegen soll. Um dies zu erreichen will Facebook verschiedene Reservefonds in unterschiedlichen Währungen anlegen, die die neue Währung so ausreichend decken sollen. Facebook wird somit kein eigenes Geld drucken – das wäre allein rein rechtlich schon schwierig. Und trotzdem: Libra könnte zur sprichwörtlichen Gelddruckmaschine für den Konzern werden.

Denn Facebook ist bereits jetzt schon mehr als ein Soziales Netzwerk. Es wandelt sich immer mehr zu einer Form digitalen Marktes, einer Plattform, auf der man handeln kann. Bald dann sogar mit eigener, Grenzen und Notenbanken überschreitender Währung. Im Gegensatz zu anderen Kryptowährungen, wie beispielsweise Bitcoin, ist Libra jedoch keine grass-roots movement – ganz im Gegenteil. Die fast schon anarchistische Ideologie hinter Bitcoin – nationale und internationale Groß- und Notenbanken zu entmachten und zementierte Machtstrukturen aufzubrechen – fehlt bei Facebook komplett. Zuckerbergs Krypto-Ersätzwährung ist viel mehr Revolution von oben. Konkret bedeutet dies, dass Facebook als börsendotierter, profitorientierter Konzern lediglich den nächsten großen Schritt im Zeitalter des digitalen Kapitalismus macht. Die politische Sphäre hingegen ist auf solche Szenarien weder vorbereitet noch in irgendeiner Weise auf etwaige Konsequenzen gewappnet.

Aus der demokratietheoretischen Perspektive kommt hier zwangsläufig sofort die Frage auf: Wie viel Macht darf ein einzelnes Unternehmen haben, ohne dass der Staat regulierend eingreift? Diese Frage alleine ist schon nicht einfach so beantwortbar und aus ihr ergeben sich unzählige Folgefragen und Probleme aus den verschiedensten Perspektiven von anderen Interessengruppen. Somit stellt aktuell das Fehlen einer gesellschaftlichen und politischen Debatte – national sowie auch international – zum Thema Libra das größte gesellschafts-ökonomische Problem dar. Die großen Unternehmen und Konzerne der globalisierten Welt kennen schon lange keine Grenzen mehr – buchstäblich. Das hat sich bei den Panama Papers gezeigt, das zeigt sich aktuell in der Debatte um Steuerflucht und -oasen.

Facebook setzt indes Weg zum Monopol und Systemrelevanz fröhlich weiter fort. Vorne weg wie immer CEO Mark Zuckerberg mit all den noblen Zielen von Facebook auf der blauen Fahne. Der Anspruch von Facebook als Soziales Netzwerk: Menschen verbinden. Der tatsächliche Nutzen hat sich schnell gezeigt: Daten- und Informationsauswertung als lukratives Geschäft. Der Anspruch von Libra: Menschen auch ohne Bankkonto befähigen selbstständig online zu handeln. Der tatsächliche Nutzen dürfte sich jedoch als nicht ganz so altruistisch darstellen.

Auch wenn sich aktuelle noch nicht besonders viel Konkretes über die Auswirkungen von Libra auf die Wirtschaft, Gesellschaft oder Politik auf den verschiedenen Ebenen sagen lässt; dass man Facebooks finanzpolitisches Muskelspiel scharf im Auge behalten sollte, müsste unmissverständlich sein. Ein erster Schritt für die Debatte wäre wohl nicht mehr von Facebook-Nutzer*innen, sondern vielmehr von -Kund*innen zu sprechen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maximilian Scharffetter

Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.

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