Wenn der Haussegen schief hängt

Kommune Wenn Menschen sich zu einer Gemeinschaft zusammentun, sind Konflikte vorprogrammiert. Die Frage ist, wie sie damit umgehen

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Kommune heißt nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen. Im Grunde war mir das schon vor meinem Einstieg klar. Trotzdem war es eine besondere Situation, dass ein relativ großer Konflikt unser Zusammenleben so auf die Probe gestellt hat, noch während ich langsam in der Gemeinschaft ankomme. Wie geht eine Gruppe mit solchen Herausforderungen um? Welche Lösungen gibt es? Und: Was ist die Moral von der Geschicht'?

Ohne näher auf die konkreten Umstände eingehen zu wollen: Der Konflikt drehte sich hauptsächlich um unsere Vereinbarungen zur Gemeinsamen Ökonomie. Wer in die Kommune einsteigt, schließt sich diesen Vereinbarungen an und steht im Idealfall natürlich auch hinter ihnen. Nicht allen Kommunard*innen fällt das leicht, vor allem wenn sie jahrelang eine andere Form des Wirtschaftens gewohnt waren. Wahrscheinlich hat jede*r von uns seine ganz eigenen Problem(chen) mit der praktischen Ausgestaltung.

Unser Geld statt mein Geld

Mir geht es zum Beispiel so, dass ich mich immer mal wieder frage, ob ich genug in die gemeinsame Kasse einbringe und was ich tun könnte oder sollte, um meinen "finanziellen Rückstand" durch andere Aktivitäten auszugleichen. Gleichzeitig betrachte ich auch meinen Konsum aus einer anderen Perspektive, denn ich gebe nicht mehr nur mein Geld aus, sondern das Geld der ganzen Gruppe. Vergleiche mit den anderen Kommunard*innen kann ich nicht ganz vermeiden – sowohl auf monetärer Ebene als auch auf Ebene der Zeitökonomie.

Schwierig wird es aber an der Stelle, an der die gemeinsame Vereinbarung nicht (mehr) eingehalten wird – sei es ganz willentlich oder weil persönliche Umstände keinen anderen Weg zulassen. Wenn die gemeinsame Auseinandersetzung über Einnahmen und Ausgaben nicht mehr stattfindet, werden wichtige Gruppenprozesse umgangen. Und das heißt, die gemeinsame Ökonomie steht zur Disposition – zumindest für eine*n der Kommunard*innen.

Handlungsspielräume schaffen

Es gibt dann mehrere Möglichkeiten: Entweder die gemeinsame Vereinbarung wird insgesamt auf den Prüfstand und insofern verändert, dass alle wieder mit ihr leben können. Oder die gemeinsame Vereinbarung bleibt bestehen und der betroffene Mensch entscheidet, ob er oder sie weiterhin Teil davon sein möchte. Oder es wird eine (temporäre) Ausnahmeregelung gefunden, um die Situation erst einmal zu deeskalieren und für die Zukunft möglichst viel Handlungsspielraum offen zu halten.

Das ist die sachliche Analyse. Sie ist richtung und erstrebendswert – aber auch nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Schließlich spielen immer auch eine Menge persönlicher und emotionaler Aspekte eine Rolle. In der Gemeinschaft treffen ganz unterschiedliche Menschen mit ihren Charakteren und Geschichten aufeinander. Das wird auch und vor allem in Konfliktsituationen deutlich. Umso wichtiger ist es, dass die Gruppe die nötigen Methoden und Strukturen hat, um mit ihnen umzugehen.

Strukturen und Methoden der Kommunikation

Um den verschiedenen Ebenen (Sach- und Gefühlsebene) gerecht zu werden, gibt es neben den organisatorischen und ökonomischen Plena noch ein soziales Plenum. Hier ist der Raum für alles Persönliche, das den sachlichen Rahmen einer Diskussion sprengen würde – und was bestimmter Moderation- und Kommunikationstechniken bedarf. Das Sozialplenum wird immer von zwei Kommunard*innen vorbereitet: Sie planen Ablauf, Fragestellungen und Ablauf und übernehmen die Leitung.

Als grundlegendes Konzept für unseren Austausch gilt die Gewaltfreie Kommunikation (GfK): Sie ist ...

" … ein Konzept, das von Marshall B. Rosenberg entwickelt wurde. Es soll Menschen ermöglichen, so miteinander umzugehen, dass der Kommunikationsfluss zu mehr Vertrauen und Freude am Leben führt. GFK kann in diesem Sinne sowohl bei der Kommunikation im Alltag als auch bei der friedlichen Konfliktlösung im persönlichen, beruflichen oder politischen Bereich hilfreich sein. Im Vordergrund steht nicht, andere Menschen zu einem bestimmten Handeln zu bewegen, sondern eine wertschätzende Beziehung zu entwickeln, die mehr Kooperatioer aktuellen und gemeinsame Kreativität im Zusammenleben ermöglicht." (Quelle: Wikipedia)

Ich selbst bin mit diesem Konzept bisher nur unbewusst und oberflächlich in Berührung gekommen. Nicht zuletzt dieser Konflikt hat mich aber dazu angeregt, mich intensiver mit der GfK auseinanderzusetzen. Und auch als Gruppe wollen wir der Anwendung wieder mehr Aufmerksamkeit geben – gerade weil es Neueinstiege gab und nicht alle auf dem gleichen Wissens- und Erfahrungsstand sind.

Zeit zwischen den Plena

Was konnten wir darüber hinaus noch mitnehmen? Ich für meinen Teil habe mir vorgenommen, mich in Zukunft auch über die Plena hinaus mit bestimmten Themen zu beschäftigen und mit den anderen stärker in Austausch zu gehen. Ich habe gemerkt, dass es oftmals nicht reicht, sich alle zwei Wochen Gedanken zu einer Fragestellung zu machen. Auch die Zeit dazwischen will und muss ich nutzen, um möglichst viele Blickwinkel kennenzulernen und eine eigene Position zu entwickeln. Was die Lösung des konkreten Konflikts anging, fühlte ich mich als neue Kommunardin noch relativ hilflos. Das wird sich mit der Zeit wohl von ganz alleine ändern.

Dieses Mal lief der Konflikt leider auf den Ausstieg eines Kommunarden hinaus. Für ihn war die Situation nicht länger aushaltbar. Seine Entscheidung löste in der Gruppe vor allem Bedauern und Traurigkeit aus – und natürlich auch die Frage, ob es nicht eine andere Lösung gegeben hätte und wir vielleicht nicht "richtig" mit dem Konflikt umgegangen sind.

Auf der anderen Seite stellte sich bei einigen auch eine gewisse Erleichterung ein, weil sie mit möglichen Kompromissen und Ausnahmeregelungen nicht wirklich glücklich gewesen wären und die gemeinsame Vereinbarung nicht immer wieder zur Disposition stellen wollten. Auch der betroffene Kommunarde selbst sprach von Erleichterung, weil er die Dinge nun wieder aus anderer Perspektive betrachten und mit den Menschen anders in Kontakt treten kann. Möglichkeiten wird es dazu hoffentlich noch genug geben, wird er doch regelmäßig zu Besuch sein. Kein Abschied für immer also – und vielleicht auch eine neue Chance.http://vg08.met.vgwort.de/na/11ba3253a75944fc83f74c30714d0125

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Regine Beyß

Politische Aktivistin, Journalistin

Regine Beyß

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