Interview MdB Dr. Axel Berg, SPD, München (Teil II)

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[ Teil I hier ]

5. Der Staat hat unzählige Milliarden zur Rettung des Bankensystems und einzelner Wirtschaftszweige aufbringen müssen. Die Wähler treibt die Frage um, wer das alles bezahlen soll. Bislang fehlen überzeugende Antworten, und längst berichten die Medien wieder über horrende Bankmanager-Boni, die für den Steuerzahler wie eine Verhöhnung klingen. Wer wird aus SPD-Sicht die nächsten Jahre für die Milliardenlöcher zur Kasse gebeten?

Die Staatsausgaben sind nicht erst in dieser Krise weit über das tragbare Maß hinaus angewachsen: Allein die Ausgaben des Bundes sind von 1991 bis 2005 um ein Drittel auf über 400 Milliarden Euro gestiegen. Der aktuelle Schuldenstand der Bundesrepublik Deutschland beträgt insgesamt mittlerweile mehr als 1.600 Mrd. Euro, ca. 19.700 Euro pro Kopf, und wächst mit über 4.400 Euro pro Sekunde.

Zur Altschuldentilgung müssen seit Jahrzehnten in fast schon gewohnter Weise jedes Jahr neue Schulden aufgenommen werden – ein Teufelskreis der Schuldendynamik. So rutscht der verschuldete Staat in eine Haushaltsnotlage aus immer höheren Zins- und Tilgungsverpflichtungen und versperrt sich damit nach und nach selbst den weiteren Zugang zum Finanzmarkt.

Vor diesem Hintergrund müssen wir nicht nur diese Krise finanzieren, sondern generell einen Staatsbankrott abwehren. Neben einem allgemein sparsameren Umgang mit Steuermitteln sehe ich dabei einen Hauptansatzpunkt in einer effizienteren Bekämpfung der Arbeitslosigkeit: Arbeitslosigkeit ist nicht nur eine der Hauptursachen individueller Armut, sie belastet auch in empfindlicher Weise den öffentlichen Haushalt. Wir brauchen also möglichst bald eine praktikable und realistische Möglichkeit, um die Arbeitslosigkeit zu verringern. Das Grundeinkommen könnte eine solche Lösung darstellen, wenn es als pragmatische und effiziente Antwort auf die grundlegenden Gerechtigkeits- und Verteilungsfragen in unserer Gesellschaft verfolgt wird.

Desweiteren erkenne ich in der derzeitigen Krise eine Chance, aus unseren bisherigen Fehlern im Umgang mit dem Finanzmarkt zu lernen: Insbesondere die Gewinne aus kurzfristigen, hochspekulativen und risikoreichen Anlagegeschäften müssen an die Menschen zurückfließen, auf deren Rücken und auf deren Kosten sie „erwirtschaftet“ werden. Über die von uns Sozialdemokraten geforderte Börsenumsatzsteuer hinaus verfolge ich daher persönlich das Ziel eines sozial orientierten Finanzmarkt-Risikofonds, aus dem projektbezogene Hilfen für soziale und unternehmerische Initiativen finanziert werden könnten. Das würde nicht nur die Gerechtigkeit sondern auch die nachhaltige finanzielle Gesundung unserer ganzen Gesellschaft fördern.

6. Die Abwrackprämie, die offiziell Umweltprämie heißt, ist nun wie es offiziell heißt „mit großem Erfolg“ abgelaufen. Der volkswirtschaftliche Nutzen ist stark umstritten und wird sich heute nicht eindeutig belegen oder widerlegen lassen. Welche belastbaren umweltbezogenen Fakten kann der auf Erneuerbare Energien spezialisierte SPD-Politiker Axel Berg bieten, die die Bezeichnung „Umweltprämie“ für die Abwrackprämie rechtfertigen könnte?

Keine!

http://www.axel-berg.de/images/Plakat%20Arbeitspl%C3%A4tze%20Zukunftsbranchen.jpgIch war und bin ein entschiedener Gegner der Abwrackprämie. Die Prämie ist nicht nur aus ökologischen Gründen unsinnig – schließlich wird jedes mit einem neuen Auto gegenüber dem alten eingesparte Gramm CO² durch das bei der Produktion des neuen Autos freigesetzte CO² vielfach aufgewogen, so dass die Abwrackprämie den beschönigenden Namen „Umweltprämie“ in keinem Fall verdient.

Nein, die Abwrackprämie muss selbst nach den Prämissen ihrer Verfechter für schlecht befunden werden, da sie willkürlich einen Industriezweig bevorzugt und andererseits umweltorientierte Industrien – die dem neuen Namen nach doch zuallererst für förderungswürdig befunden werden müssten – von vornherein nicht berücksichtigt. Eine Prämie für erneuerbare Energien, Umwelt- und Effizienztechnologien wäre nicht nur aus umwelt- sondern auch aus arbeitsmarktpolitischen Gründen weitaus sinnvoller gewesen.

7. In Sachen Afghanistankonflikt scheinen die Medien die Politik Berlins nachzuahmen, indem sie immer ungenauer werden. Kaum findet man noch präzise, analytische Berichte, niemand scheint den Unterschied zwischen ISAF und Operation Enduring Freedom zu kennen oder sich für die Rechtsgrundlagen des Bundeswehreinsatzes zu interessieren. Die Berichterstattung und Essays sind zunehmend gekennzeichnet durch ein pauschales „Raus aus Afghanistan“. Diese Stimmung dürfte mit Blick auf die Wahlen nur der LINKEN zugute kommen, da sie alleine einen pauschalen Abzug fordert. Unterschlägt die LINKE etwas?

Wie auch bei vielen innenpolitischen Themen unterschlägt die Linke auch hier, dass die realen Spielräume unserer Politik stark eingeschränkt sind, etwa durch langfristige, völkerrechtlich verbindliche Vereinbarungen, die nicht ohne großen internationalen Schaden für unser Land einseitig aufgekündigt werden können. Die oft radikale Haltung der Linken gegenüber einer bundesdeutschen Beteiligung an internationalen Friedensmissionen erscheint vor dem Hintergrund ihrer fehlenden tatsächlichen außenpolitischen Erfahrung erklärlich.

Einer weitergehenden Integration Deutschlands in die internationale Staatengemeinschaft ist eine solche Haltung aber trotzdem nicht zuträglich. Auch außenpolitisch gilt es also, sich der tatsächlichen Probleme anzunehmen und nicht, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, etwa weil sie mit der eigenen Ideologie nicht kompatibel sind. Dass Terroristen heute nicht mehr vor Staatsgrenzen Halt machen gehört zu diesen Schwierigkeiten. Die beste Friedenspolitik ist es daher, in der demokratischen Staatengemeinschaft unsere freiheitlich-demokratischen Grundwerte gemeinsam zu verteidigen.

Aufgrund meiner eigenen politischen Vergangenheit in der Friedensbewegung kann ich die ursprüngliche Motivation vieler Gegner des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan immer noch sehr gut nachvollziehen und bin auch selbst der Überzeugung, dass wir Afghanistan letztlich besser mit Technologie, Logistik und Investitionen als mit der Waffe beim Wiederaufbau einer freiheitlichen Gesellschaft unterstützen können.

8. Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr Klaus Naumann hat kürzlich in der Süddeutschen Zeitung davor gewarnt, die Vorgänge in Afghanistan mit dem Begriff Krieg zu bezeichnen. Alle Einsätze seien von der UN gedeckt. UN-Einsätze sind per se keine Kriegseinsätze. Sobald man offiziell von Krieg spräche, würde man die Taliban gefährlicherweise zu völkerrechtlichen Kombattanten aufwerten, und sie damit rechtlich auf eine Stufe mit der afghanischen Regierung stellen. Nur Wortklauberei eines kriegerischen Generals a.D.?

Obwohl die Ausführungen des früheren Generalinspekteurs Naumann völkerrechtlich wie auch politisch durchaus ihre Berechtigung haben mögen, werden sie in den Ohren der in Afghanistan im Einsatz befindlichen deutschen Soldaten eher hohl klingen: Die Taliban mögen keine Soldaten im klassischen Sinne sein. An Gefährlichkeit wird der Kampf gegen sie jedoch sicher in keiner Weise dem Kampf gegen „normale“ Soldaten nachstehen – ihr Vorteil der größeren Ortskundigkeit wird wahrscheinlich sogar zu einer erhöhten Gefährdung unserer Soldaten in dieser asymetrischen Art der Kriegsführung resultieren.

Darüber hinaus wäre es im Interesse einer eindeutigen Legitimation dieser Einsätze sicher gar nicht schlecht, wenn man sie auch endlich einmal als das bezeichnet, was sie im Kern sind: moderne Kriege!

9. So gut wie nirgends wird das Thema „Was kommt nach einem Abzug aus Afghanistan“ thematisiert. Dass die Regierung in Kabul unfähig wäre, sich der Taliban alleine zu erwehren, dürfte unstrittig sein. In deutschen Augen scheinen die Taliban langsam den Status der Freiheitskämpfer wiederzuerlangen, den sie zuzeiten der sowjetischen Besatzung hatten. Dabei wird ignoriert, welches unbarmherzige Regime die Taliban geführt haben. Was käme danach?

Als eines der wenigen Länder, die sich an den Einsätzen in Afghanistan beteiligt haben, hat Deutschland von Anfang an nicht nur militärisch sondern auch logistisch und zivil Hilfe und Aufbauarbeit geleistet – man denke nur an die Ausbildung afghanischer Polizei- und Verwaltungskräfte.

Für die Zukunft werden sich genau diese Leistungen Deutschlands als wesentlich wichtiger erweisen als die anfänglich sicher auch notwendige militärische Unterstützung. Um den Einfluss der Taliban nachhaltig zu verringern braucht es stabile staatliche Strukturen in Afghanistan, und zwar eigene, afghanische Strukturen. Diese Strukturen können nicht einfach implantiert werden, sie müssen an den örtlichen Gegebenheiten und kulturellen Besonderheiten aufsetzen und natürlich in der afghanischen Gesellschaft wachsen.

Statt immer neue militärische Einsätze zu planen sollten wir also viel eher nachhaltige kulturelle Maßnahmen organisieren, und zwar solche, die ein beiderseitiges Lernen zum Ziel haben und damit der dauerhaften Völkerverständigung dienen. Damit würden wir den Frieden nicht nur in Afghanistan, sondern in der ganzen Region fördern.

10. Barack Obama hat im vergangenen Jahr vorgemacht, was moderner Wahlkampf ist. Man hätte sich aus diesem Werkzeugkasten frei bedienen können, ohne dazu das Charisma Obamas haben zu müssen. Können sich die Parteien, kann sich die SPD leisten, auf diese frischen Methoden zu verzichten?

Wenn Sie einen Blick auf die Webseite der SPD werfen sehen Sie, dass die Sozialdemokraten die neuen technischen Methoden, die auch Barack Obama in seinem Wahlkampf verwendet hat, durchaus überaus aktiv nutzt. Doch ob Blogs, Video-Botschaften, Facebook, Twitter oder Flickr: Aus psychologischer Sicht lässt sich Form eben nicht von deren Inhalt trennen. Das wird besonders bei der Nutzung der sogenannten „Social Networks“ deutlich: Im besten Fall rückt der technische Aufwand einer Kampagne über solche Networks vollständig in den Hintergrund und die Botschaft verbreitet sich quasi von selbst, wird also „viral“. Das ist jedoch keine planbarere Geheimwissenschaft sondern hängt vollständig von den Nutzern, den Empfängern Ihrer Botschaft ab.

Barack Obama hatte eine Botschaft, auf die das amerikanische Volk gewartet hat, und er hat sie charismatisch und glaubwürdig vertreten: „Change - yes, we can!“. Wenn Sie die offizielle Webseite Barack Obamas besuchen, finden Sie diese Tatsache unten rechts ebenfalls perfekt in Worte gefasst: „powered by hope and supporters like you“. Die frischen Methoden, auf die Sie sich beziehen, setzen also einen frischen Geist voraus. Das, was man an technischer Eleganz gewinnen kann, muss man vorher in die Bedeutung, Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit seiner Botschaft investieren – nur dann wird sie, scheinbar wie von selbst, weiterverbreitet werden. Dass die SPD dabei noch sehr weit vom Ideal eines Barack Obama entfernt sein dürfte, darin sind wir uns sicher einig.

11. Ihre Wahlplakate mit den gradlinigen, prägnanten Slogans wie „Dr. Axel Berg verschont Sie mit Politiker-Blabla. Geben Sie dafür einem Politiker Ihre Erststimme, der für zusätzliche Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen ackert.“ heben sich wohltuend vom Einheitsbrei anderer Kandidaten und Parteien ab. Sie vermitteln darin in auffallendem Maß den Eindruck, ganz persönlich für ihre Wähler da zu sein und ganz persönlich hinter ihren Positionen zu stehen.

Zwei Fragen: Sind die Plakate Eigenkreation oder Produkt eines Marketingauftrags? Ist eine so stark auf Ihre Person gerichtete Wahlwerbung überhaupt vertretbar, denn immerhin treten Sie für Ihre Partei und deren Positionen an und nicht als Unabhängiger?

Leider ist mein zeichnerisches und grafisches Talent sehr begrenzt. Daher entwerfe ich meine Wahlplakate seit Jahren in enger Abstimmung mit einem eingespielten Experten-Team aus Textern und Grafikern. Über die Jahre haben die mich nun aber auch bereits ganz gut kennen gelernt und wissen, wofür ich stehe:

http://www.axel-berg.de/images/Plakat%20BlaBla.jpgAnders als viele Listenabgeordnete verdiene ich mir das Vertrauen meiner Wähler selbst und muss als Direktkandidat für mein Wort persönlich einstehen. Die Ehrlichkeit, die ich meinen Wählern entgegen bringe, haben Sie durch eine aktive und überlegte Wahrnehmung ihres Wahlrechts honoriert:

Gegen den gesamten bayerischen Trend haben mich die Bürger meines Wahlkreises dreimal in Folge als einzigen SPD-Abgeordneten in ganz Bayern direkt in den Bundestag gewählt! Diese außergewöhnliche Situation rechtfertigt den starken Zuschnitt meines Wahlkampfs auf meine Person. Darüber hinaus schäme ich mich auch sicher nicht dafür, für die SPD anzutreten: Die inhaltlichen Gemeinsamkeiten zwischen meiner persönlichen Meinung und der Parteilinie sind immer noch da, vom Ausstieg aus der Atomenergie über mehr soziale Gerechtigkeit bis hin zu einer sozialverantwortlicheren Gestaltung der Finanzmärkte.

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Ein interessantes und durchaus auch persönliches Bild von Dr. Berg erhält man in diesem Interview, wo er sich zu den Pfeffersäcken aus seinem Jurastudium, zu seiner "Lieblingsasozialen Frau Schaeffler" oder dem ehemaligen SPD-Abegordneten Tauss äußert.

(Hervorhebungen im Text durch Schlesinger)

(Grafiken: www.axel-berg.de)

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Geschrieben von

schlesinger

"Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt" Jorge Louis Borges

schlesinger

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