Israel will angeblich Top-Spion gegen Baustopp tauschen

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So lautet die Überschrift eines aktuellen Beitrags des SPIEGEL Online*, der offenbar nach dem Motto verfasst wurde: Ein bisschen Nahost, ein bisschen Krieg & Frieden und ein “Top-Spion”, und schon hat man einen Artikel, der bestimmt gerne gelesen wird.

“Offenbar” denkt Israels Regierungschef Netanjahu daran, den Siedlungsstopp in den besetzten Gebieten fortzuführen, unkt Spiegel-Reporterin Ulrike Putz aus Beirut – Beirut! Die Information kann nur authentisch sein -, wenn er dafür den israelischen “Top-SpionJonathan Pollard freibekommen kann.

An dieser These stimmt vermutlich gar nichts.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/3/33/Jonathan_Pollard.png/200px-Jonathan_Pollard.pngPollard, der in den Achtzigern eine kleine Geheimdienstkarriere in den USA gemacht hat, hatte unglaubliches Glück, dass er trotz seiner allzu offenkundigen Unfähigkeit Zugang zu streng geheimem Material hatte. Das verscherbelte er an den israelischen Geheimdienst und versuchte es auch anderen Diensten anzudrehen. Da er mit dem gestohlenen Material recht unbekümmert umging, flog er bald auf und landete im Gefängnis.

Seitdem will ihn Israel heraus holen. Oder tut ab und zu so, als wollte es das.

Bei der Bewertung von politischen Tauschgeschäften aller Art ist man stets gut beraten, Gewinn und Verlust gegenüberzustellen. Wer will was, und welchen Preis ist man dafür bereit zu zahlen?

Wenn Netanjahu schon früher den eigenen Leuten signalisiert hat, dass man “seinen Mann” nicht hängen lassen will, kommt immer gut an. Einer für alle, Solidarität und so. Doch wäre eine israelische Regierung tatsächlich bereit, für die Freilassung Pollards einen nennenswerten Preis zu bezahlen? Nie.

Alleine die Erwähnung des Namens Pollard reißt alte Wunden auf. Weder möchten die USA daran erinnert werden, wie man ihnen auf allzu leichte Art Geheimnisse gestohlen hat, noch kann sie daran interessiert sein, den dingfest gemachten Täter laufen zu lassen.

Als “Preis” scheint der Siedlungsstopp im Gespräch zu sein, jedenfalls nach Auffassung des SPIEGEL. Ausgerechnet der Siedlungsstopp. Man könnte das umformulieren und sagen: Ich Netanjahu bin bereit, für die Freilassung eines Niemand, der mir auch künftig nichts bringen wird, einen kleinen Bürgerkrieg zu riskieren.

Denn die inzwischen 500.000 Siedler in den besetzten Gebieten haben unzählige male klar zu verstehen gegeben, dass sie sich weder für einen Palästinenserstaat vertreiben lassen, noch auf die Fortführung ihrer Bautätigkeiten verzichten werden. Im übrigen wurde auch während des zehnmonatigen Baustopps, der in diesen Tagen ausläuft, fleißig weiter gebaut, da es zahlreiche Schlupflöcher gab. So durfte weiter gebaut werden, wenn das Fundament bereits vor dem Moratorium gelegt worden war. Nur die Definition von “Fundament” wurde nicht geliefert. Der eine oder andere hat es so interpretiert, dass die Ladung Kies auf der Baustelle durchaus als Fundament zu gelten habe.

Würde Netanjahu einen solchen Deal “Pollard gegen Siedlungsstopp” tatsächlich den USA anbieten, wäre das ein Affront, den er sich kaum leisten kann (obwohl sich Bibi immer wieder Affronts leistet, zugegeben). Denn diese Offerte würde bedeuten: Wenn Ihr uns nicht Pollard gebt seid Ihr Schuld am Scheitern der Verhandlungen. Diese Form der Erpressung ist gleichzeitig zu dumm und zu billig, als dass man erwarten kann, dass sie ausgesprochen wird.

Die Sache scheint trivial zu sein. Irgendjemand in Jerusalem hat diese Idee ventiliert und bebobachtet nun die Reaktionen. Vielleicht ergibt sich irgend etwas Verwertbares dabei. Wenn nicht, kann man die Sache als von Beginn an abstrus darstellen, als dass man näher dazu Stellung nehmen müsste. Für einen ernsthaften Deal fehlen von Beginn an alle Voraussetzungen.

Dem SPIEGEL jedenfalls hat es für eine kleine nett zu lesende Geschichte aus dem Morgenland getaugt. Immerhin.

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* zahlreiche andere Medien berichten ähnlich

Photo: Wikipedia CC Lizenz / Startseite Moshik Gulst (Flickr)

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Geschrieben von

schlesinger

"Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt" Jorge Louis Borges

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