John Kerry stolpert durchs Morgenland

Unfriedensprozess The right of the Jewish people to the land of Israel is eternal [...] Judea and Samaria [Westbank] will not be handed to any foreign administration. (Likud Programm 1977)

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John Kerry stolpert durchs Morgenland

Foto: SAUL LOEB/AFP/Getty Images

"Nahost-Friedensprozess": Die Lügenformel ist durch die aktuellen Ausflüge von US-Außenminister John Kerry nach Jerusalem und Ramallah wieder hoch im Kurs.

Unterhändler Kerrytrumpft auf:

Unser Ziel ist während der kommenden neun Monate ein abschliessendes Abkommen zu erreichen. (1)

Die Großspurigkeit dieser Ankündigung ist Beleg für Kerrys aufrichtige Naivität. Hätte er eine leise Ahnung wie gewiß sein Scheitern ist, hätte er sich nicht so geäußert. Bald wird ihm dieser Satz peinlich.

Da ist sein deutscher Kollege im Vorteil. Den läßt seine blanke Unkenntnis in Sachen Naher Osten vorsichtig sein.

Westerwelle mit bravem Optimismus:

Ich glaube, dass die Friedensgespräche jetzt an einer entscheidenden Klippe sind.

Der von Kerry ernannte Chefunterhändler Martin Indyk, ein alter Hase im Nahostgeschäft, assistiert seinem neuen Chef ganz loyal:

Herr Außenminister, vielleicht können wir es dieses Mal zuwege bringen, dank Ihrer Anstrengungen.(2)

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c2/Martin_Indyk.jpgDann gibt es da noch den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu.

Für den muß Kerry ein Leichtgewicht sein. Immerhin hatte "Bibi" Netanjahu keine allzu große Mühe, den amerikanischen Präsidenten Obama nach dessen araberfreundlicher Rede in Kairo mit harter Hand dorthin zurück zu führen, wo Amerika gefälligst zu sein hat: in Treue fest an der Seite Israels.

Hat nicht der zurechtgestutzte Obama anlässlich des palästinensischen Antrags auf Aufnahme in die UN eine so ausdrücklich pro-israelische Rede gehalten, wie man sie von einem US-Präsidenten vielleicht nocht nie gehört hat?

Kerry hört dieser Tage offenbar nicht genau hin, was Netanjahu sagt anlässlich dieses allzu tölpelhaften amerikanischen Annäherungsversuchs.

Was Netanjahu will, ist eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses. Aus "vitalem strategischem Interesse Israels", wie er sagt. Wer das wörtlich nimmt ist selbst schuld. Vielmehr ist der Wunsch nach Wiederaufnahme des Prozesses so zu verstehen: all process, no peace. Und in dieser Form ist er für die Netanjahus und ihre Erfüllungsgehilfen auch tatsächlich vital.

Netanjahu will zwei Dinge gar nicht: Einen binationalen jüdisch-arabischen Staat; einen "vom Iran unterstützten Terroristen-Staat an Israels Grenzen".

Im Zweifel gegen den Angeklagten. Ein Palästinenserstaat zwischen Israel und Jordanien ist im Zweifelsfall ein Terroristen-Staat. Dass die sogenannte "palästinensische Autonomiebehörde" seit langem nichts anderes ist als der Erfüllungsgehilfe Israels für die israelische Besatzung palästinensischen Gebiets - die bald ein halbes Jahrhundert andauert - schert einen Netanjahu freilich gar nicht. Der hält sich lieber an die abgestandene Vorgabe von Menachem Begin - dem früheren Ministerpräsidenten, der 1982 den Libanon in Schutt und Asche bomben ließ -, wonach ein Palästinenserstaat eine "ernste Gefahr für die freie Welt" wäre.

Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas und Kerry sollen nach dem Willen Netanjahus offenbar den Nachweis liefern, dass der heute scheinbar schon wieder in greifbarer Nähe befindliche Staat Palästina ganz gewiß kein Terroristenstaat sein wird.

Wie enttäuschend, dass kein Kerry, kein Obama, kein Indyk den israelischen Premier rüffelt für diese unanständige Forderung nach keinem Terroristenstaat. Denn allzu offenkundig ist das nur eine sprachliche Falle, eine hinterhältige rhetorische Nummer, wenn Sie so wollen.

Amos Oz, einer der großen Literaten Israels, hat das vor längerem klargestellt. Sinngemäß meinte er: Die Palästinenser verdienen einen Staat nicht durch gutes Betragen. Sondern weil er ihnen zusteht.(3)

Um genau diese orginäre, nicht hinterfragbare Souveränität der Palästinenser geht es im aktuellen Friedensprozess-Zirkus gar nicht. Es geht seitens Israel und den Amerikanern nur um eins: the show must go on.

Robert Fisk, Nahost-Doyen des britischen Independent, hat diesen unwürdigen Firlefanz kurz zusammengefasst:

Kerry kann nichts für die Palästinenser tun. Er ist nur darauf aus, "Frieden" nach den Bedingungen der israelischen Regierung zu erreichen. (4)

Das hat mit Frieden natürlich nichts zu tun. Wie soll man auch Frieden machen mit Palästinensern, die unreif sind für alles? So jedenfalls sieht es das Knesset-Mitglied und Netanjahu-Vertraute Ofir Akunis:

Sie sind nicht nur unreif für einen eigenen Staat, sondern auch für eine erweiterte Autonomie. Sie sind nicht einmal reif, mit uns Gespräche zu führen.(5)

Irgendwann, in nicht allzu ferner Zukunft, werden wir es nur mit einer palästinensischen Grabesruhe zu tun haben.

Bis dahin gilt dank freundlicher amerikanischer Unterstützung:

Der Unfriedensprozess ist nicht in Gefahr.

Photo: Wikimedia (Public Domain)

(1) Our objective will be to achieve a final status agreement over the course of the next nine months.

(2) Perhaps, Mr. Secretary, through your efforts…this time we'll actually make it.

Indyk ist jüdischer Amerikaner, überzeugter Zionist, und steht der einflußreichen Lobby-Organisation AIPAC nahe:
"I became convinced that the US role in helping Israel to achieve peace was absolutely critical and remains today the sine qua non, without which nothing else in the end will become possible. And that is why I chose to make aliyah to Washington [laughter from crowd], and to work to try to understand and work on us diplomacy towards resolving the Arab-Israeli conflict".

[Indyk] and [the long-time pro-Israel near-east mediator] Dennis Ross founded the Washington Institute for Near East Policy (WINEP), an AIPAC-linked think tank.

(3) Zur "nicht hinterfragbaren Souveränität der Palästinenser" äußerte sich der brit. Philosoph Bertrand Russell unmißverständlich:

The tragedy of the people of Palestine is that their country was "given" by a foreign power to another people for the creation of a new state.

The result was that many hundreds of thousands of innocent people were made permanently homeless.

With every new conflict their numbers increased.

How much longer is the world willing to endure this spectacle of wanton cruelty?

It is abundantly clear that the refugees have every right to the homeland from which they were driven, and the denial of this right is at the heart of the continuing conflict.

(4) Kerry isn’t on their side. He’s going all out for ‘peace’ on Israeli government terms.

Im Gegensatz dazu schwadroniert einmal mehr der prominente deutsche "Nahost-Korrespondent" Peter Münch von der Süddeutschen Zeitung gerade von einer Gefährdung des Friedensprozesses. Journalistischer Erfüllungsgehilfe.

(5) “Not only aren’t they ripe for a state, but they’re not even ripe for expanded autonomy,” Akunis told Israel Radio. “They’re not ripe to hold talks with Israel.”

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Geschrieben von

schlesinger

"Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt" Jorge Louis Borges

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