Raketen auf Tel Aviv und Jerusalem

Nahost-Konflikt Zum ersten mal trifft Hamas Israels Herz - Tel Aviv und Jerusalem. Keine Seite kennt andere Antworten als Krieg. Aussichten auf ein bitteres Ende

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Raketen auf Tel Aviv und Jerusalem

Foto: Ilia Yefimovich/Getty Images

Aktualisierung im Oktober 2023: Nichts hat sich geändert, und das damals Gesagte erweist sich furchtbar aktuell. Anmerkungen zum Gaza-Krieg 2023.

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Ab hier der Beitrag von damals:

Blogeintrag vom 30. November 2009 :

Man kann die Tage zählen, bis die Hamas oder die Hizbollah Waffen zur Verfügung haben, die Tel Aviv, Aschdod, Haifa oder Jerusalem nicht nur erreichen, sondern verheerend treffen.

Es war nur eine Frage der Zeit, wann die ersten Raketen der Hamas aus Gaza oder der Hisbollah aus dem Süd-Libanon Tel Aviv oder Jerusalem treffen würden.

Heute war es soweit. Noch waren es “nur” Treffer, keine verheerenden Treffer.

In beiden Städten heulten die Sirenen, Bewohner mussten in Schutzräume. Raketeneinschläge – so die Berichte in den Nachrichten – waren zu hören und zu spüren. Die israelische Armeeführung versucht abzuwiegeln. Man will Panik vermeiden.

Premierminister Netanjahu kündigte an, die “Samthandschuhe” auszuziehen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, Israel hätte bislang welche getragen.

Shock and awe

Nach den schlimmen Ereignissen der letzten Wochen kommen schlimmere Ereignisse.

Palästinensische Raketen auf Tel Aviv oder Jerusalem?

Die Reaktion Israels ist vorhersehbar. Die Armee hat ihren Marschbefehl schon erhalten.

Sie wird ihren Auftrag im Geist der Doktrin von “shock and awe” (Furcht und Schrecken) umsetzen, und mit unproportionaler Härte zuschlagen, ganz genau so, wie es General Gadi Eisenkot nach dem Disaster des Libanonkriegs von 2006 erklärt hat.

Eiserne Mauer – verrostet

Israel hat lange Jahre im Glauben gelebt, die Eiserne Mauer, über die Vladimir Jabotinsky philosophiert hat, und die Ariel Scharon Wirklichkeit werden liess, würde sie schützen.

Man tat so als könnte man die anderen ausblenden. Dafür hat sich schon früh ein Begriff eingebürgert: the bubble – die Blase. Daraus wurde sogar ein beeindruckender Film.

Heute ist der Nahostkonflikt in eine neue Ära getreten.

Es sind nicht die regulären arabischen Armeen, die Israel nun im Innersten bedrohen, sondern kleine militante Gruppen, die über mächtige Waffen verfügen. Die super-empowered individuals, wie sie Tom Friedman nannte.

Dieses mal wird Israel noch einmal mit Macht zuschlagen können. Gaza wird furchtbar getroffen werden.

Eine Lösung wird das nicht sein. Nur ein minimaler Zeitgewinn. Dann werden weitere Raketen einschlagen, und mächtigere – in Haifa, Ashkelon, Rehovot…

Wird Israel zermürbt? Werden wir zusehen?

Der Westen wird vor Fragen gestellt werden, die in dieser Schärfe bislang nicht gestellt wurden.

Wie halten wir es mit Israel?

Will der Westen zusehen wie Israel, dieses Israel mit seinen zahlreichen Fehltritten, seiner Gewaltbereitschaft, seinem Kolonialgehabe, seinen furchtbaren Siedlern, wie dieses Israel von nun an zermürbt wird von Raketenschlägen, die von Quartal zu Quartal schlimmer werden, und gegen die kein noch so brutaler israelischer Luft- oder Bodenkrieg etwas ausrichten kann, außer Gaza oder der Libanon würden pulverisiert?

Israel hat mit der Vertreibung der Palästinenser im Jahr 1948 große Schuld auf sich geladen. Später kam mehr dazu. Dazu hat sich Israel nie bekannt. Im Gegenteil.

Sollte das die Rechtfertigung dafür werden, Genugtuung zu empfinden, wenn nun Tel Aviv oder Jerusalem getroffen werden?

Hamas und Hisbollah, man sollte sich nichts vormachen, waren noch nie auf Frieden aus.

Israel war an der Entstehung beider radikaler Kräfte massgeblich beteiligt.

Wieder stellt sich dieselbe Frage. Ist es nun “gut”, dass Israel dafür bezahlt?

Zu guter Letzt, wenn es nicht mehr um abstrakte Fragen von Gerechtigkeit und Moral geht, sondern nur noch um die Frage des Überlebens, wird man im Westen kleinlaut feststellen müssen, dass man wenig gemeinsam hat mit jenen Kräften, die nun versuchen Israel im Innersten zu treffen. Eifrige Debatten konnte man sich leisten, solange die Existenz nicht auf dem Spiel stand.

Man wird in den Hauptstädten Europas und in Washington feststellen müssen, in den vergangenen Jahrzehnten viel zu wenig getan zu haben für einen möglichen Frieden. Man wollte ja immer die Samthandschuhe anlassen im Umgang mit Israel. Trotz mehrerer guter Gelegenheiten für Frieden.

Man wird sich vor allem in Deutschland erneut daran erinnern müssen, wie viel Anteil wir daran haben, dass sich Israel von Anfang an als Sparta empfand.

Düstere Wolken am Horizont.

Die Zeiten des Friedensprozesses sind längst vorbei.

Der Kriegsprozess hat begonnen – heute.

---- UPDATES (Kriegstagebuch Gaza 2014)

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Geschrieben von

schlesinger

"Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt" Jorge Louis Borges

schlesinger

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