Wenige Wochen bis zum Krieg Israel vs. Iran?

Fünf vor Zwölf Israel bleibt ein kurzes Zeitfenster bis zu den US-Wahlen, um den Iran ohne amerikanischen Einspruch angreifen zu können.

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Iran will die Bombe. Daran dürften keine Zweifel bestehen.

Jede realpolitische Betrachtung muss zu diesem Ergebnis kommen.

Aus Sicht Teherans war man zu oft Spielball fremder Kräfte:

Von den gewaltigen Erdölvorkommen des Landes profitierten jahrzehntelang die Ölgesellschaften der Briten und Amerikaner.

1953 wurde der demokratisch gewählte Präsident Mossadegh durch einen Komplott von CIA und MI5 gestürzt, weil er die Ölindustrie verstaatlichen wollte. An die Macht gelangte der von den USA unterstützte Shah Rezah Pahlawi.

1980, kurz nach der iranischen Revolution des Ajatollah Chomeini überfiel der Irak unter Saddam Hussein den iranischen Nachbarn. Der Irak erhielt Unterstützung durch die USA. Der Krieg dauerte neun Jahre.

Seit der islamischen Revolution Chomeinis sieht sich der Iran von Amerika und Israel bedrängt.

Diese Ereignisse alleine sind ausreichende Gründe für die iranische Führung zu einem Mittel greifen zu wollen, das einen mutmaßlich für alle Zeiten immun macht: Die Atombombe.

Im Grunde war es dieselbe Überlegung, die in den Fünzigern den israelischen Staatsgründer Ben-Gurion dazu brachte, die Bombe zu wollen: Der Suezkrieg von 1956, den Israel gemeinsam mit England und Frankreich gegen Ägypten plante und durchführte, endete in einem politischen Desaster. Die Sowjetunion drohte mit massiven Gegenmaßnahmen. Amerika verweigerte Israel die erhoffte Rückendeckung. Die Aggressoren mussten sich zurückziehen, Israel sah sich plötzlich allein.

Die schon immer schlimmste Befürchtung Ben-Gurions hatte sich zumindest für kurze Zeit erfüllt: Sich ohne mächtigen Partner behaupten zu müssen gegen eine Vielzahl von Gegnern. Daraus zog Ben-Gurion den in Israel bis heute gültigen Schluß: Israel muss sich im Zweifel auf sich selbst verlassen können. Das ging, das geht offenbar nur mit Atomwaffen.

Nun also will auch Teheran die Waffe, die unangreifbar machen soll.

Und Israel will es mit aller Macht verhindern. Realpolitisch ist das nachvollziehbar. Nur: Welchen Preis will man bezahlen, um dieses Ziel zu erreichen?

Gestern lag ein Militärschlag noch in “weiter Ferne“, heute scheint er in greifbarer Nähe. Dieser Tage sollen die Einberufungsverfahren per Mobilfunk-Anruf getestet werden.

Israel wird nur zuschlagen, solange es Washington erlaubt, oder genauer genommen: Solange von den amerikanischen Verbündeten keine ernsthaften Repressalien zu erwarten sind.

US Präsident Obama sind derzeit die Hände gebunden – noch. Er steht im Wahlkampf und braucht zuhause die Stimmen seiner jüdischen Mitbürger.

Alle Welt weiß, wie schlecht es um das persönliche Verhältnis zwischen Obama und Israels Premier Netanjahu bestellt ist. Das könnte sich nach den Wahlen auswirken, wenn Obama in seiner zweiten Amtszeit steht und sich keinen Wahlen mehr zu stellen hat. Dann könnte Obama eine muskulösere Nahostpolitik betreiben.

Andererseits: Was hat Obama bisher dazu gezwungen an Israel mehr Geld zu geben und mehr Waffen zu liefern als jeder Präsident vor ihm? Er hätte das Nötigste tun können, Sparzwänge vorgeben oder politische Abhängigkeiten vorschieben, um die Zuwendungen an Israel auf ein niedrigeres Niveau zu fahren. Das hat er nicht getan.

Der ehemalige Präsident des World Jewish Congress, Edgar Bronfman, schrieb unlängst in der israelischen Haaretz:

Today, President Obama is leading a renewed commitment by the United States to ensure that Israel remains safe and secure, with the independent ability to defend itself from external threats.

Although the United States has a long tradition of providing military support to Israel, under President Obama, financial aid to Israel is at its highest levels ever.

And while many in Washington are calling for budget cuts, President Obama has made clear that domestic belt-tightening would not jeopardize defense funding for Israel.

Entgegen aller Behauptungen, Obama sei Israel gegenüber kritisch eingestellt spricht seine praktische Politik eine andere Sprache.

In Sachen Iran hält sich Washington seit Wochen spürbar zurück. Man beschränkt sich darauf zu mahnen, die Zeit für einen Angriff sei noch nicht gekommen. Obama befindet sich trotz weiterer scharfer Sanktionen gegen den Iran in der Defensive, seit Herausforderer Mitt Romney in Jerusalem klar gemacht hat, er stehe hinter einem Präventivschlag gegen den Iran. Die Obama-Administration hat im Gegenzug dem israelischen Militär mehr oder weniger zugesagt, im Fall der Fälle mit einem neuen 15-Tonnen “bunker buster” unterstützen zu wollen.

Israel will handeln, Amerika kann momentan wenig dagegen unternehmen und Europa ist inmitten der Euro-Krise gleichermaßen teilnahms- wie machtlos. Soll der Krieg kommen, dürfte er vor den US-Wahlen kommen.

Nach dem großen Krieg ist vor dem kleinen Krieg

Israels Streitkräfte im Verbund mit amerikanischer Unterstützung werden einen Präventivschlag weitgehend “erfolgreich” führen können, trotz aller Risiken, die deutlich größer sind im Vergleich zu Israels Angriff auf den irakischen Reaktor Osirak im Jahr 1981. Die Ausschaltung aller oder vieler Atomanlagen wird man mit einem frühen “mission accomplished” quittieren können. Aber was dann?

Iran als regionale Großmacht wird eine derartige Demütigung kaum tatenlos hinnehmen.

Es wird seine Verbündeten dazu anhalten gegen Israel anzugehen, Hisbollah und Hamas allen voran. Gewiss: Schon die letzten Jahre wurden Angriffe von dieser Seite von Teheran mit Geld und Waffen unterstützt. Doch bislang bewegten sich deren Aktionen auf dem Niveau von taktischen Nadelstichen, worauf Israel mit Rundumschlägen reagierte (Libanon 2006, Gaza 2008/09)

Relativ neu ist die Lage im Sinai. Die Kombination aus teilweise demilitarisierter Zone, der nach wie vor nicht stabilen politischen Lage in Kairo und dem noch nicht nicht fertig gestellten israelischen Sicherheitszaun machen die Halbinsel zu einem Einfallstor für terroristische Zellen. Sehr labil ist die Lage an der Grenze zu Syrien beziehungsweise dem syrisch-libanesisch-israelischen Grenzgebiet.

Konventionelle Kriege konnte Israel bislang souverän bestreiten. Irreguläre Kämpfe werden dagegen zunehmend problematischer. Mit jedem Jahr wächst die Gefahr, die von den sogenannten “super-empowered individuals” ausgeht, wie der amerikanische Publizist Tom Friedman die Kombination aus einzelnen Kämpfern plus Waffentechnik nennt.

Die bisherigen Angriffe von Hamas oder Hisbollah gegen Israel waren “niedrigschwellig”, weshalb Israel keine Veranlassung hatte einen regulären Krieg gegen den Iran zu führen. Führt es nun einen Krieg gegen den Iran aufgrund der Atomfrage, hätte Teheran den maximalen Schaden schon davon getragen. Das würde die iranische Führung mit großer Wahrscheinlichkeit motivieren, alle verfügbaren Gruppierungen auf Israel anzusetzen.

Wie könnte Israel “erfolgreich” reagieren, angesichts massiver Attacken aus Gaza, dem Libanon, der syrischen Grenze, dem Sinai?

Alle Nachbarn attackieren? Die Uhren der Nachbarn um zwanzig Jahre zurückdrehen, wie schon einmal in Bezug auf den Libanon ein israelisches Kriegsziel umschrieben wurde?

Die Lösung könnte sein: Lasst den Iranern die Bombe.

Iran wird sich damit so “unangreifbar” machen wie Israel es ist, seit es die Bombe hat.

In Teheran hat man ebensowenig wie in Israel begriffen: Die Bombe nützte in Zeiten des Kalten Krieges, in Zeiten gewaltiger stehender Heere. In Zeiten von Al-Quaida, elektronischer Kriegführung und der Option “schmutziger Bomben” sind es wertlose Relikte.

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Geschrieben von

schlesinger

"Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt" Jorge Louis Borges

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