Der stille Angriffskrieg

Ukraine "Deutschland" ist zu Reparationsleistungen an den ukrainischen Staat verpflichtet.

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Die jüngsten Ereignisse in der Ukraine sollten in Deutschland zum Nachdenken führen und zur Überprüfung der eigenen Politik. Die Gewaltexzesse in der ukrainischen Hauptstadt Kiew diese Woche, wo es zu vielen Toten und Verletzten kam, hunderte von Menschen schwer traumatisiert wurden und einen humanitären Notstand auslösten, gehen auf eine egoistische und inhumane Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Inkompetenz des Bundespräsidenten Gauck und der Bundeskanzlerin Merkel, einer - man muss es so nennen - Verschwörung europäischer Wirtschaftsunternehmen und der Gier bürgerlich sich gebender "Geldhaien" in der Finanzwirtschaft zurück. Innerhalb der etablierten deutschen Medien wurde dadurch der deutschen Bevölkerung ein verqueres Bild einer angeblichen "friedlichen und demokratischen Revolution" in der Ukraine gezeichnet, welches wirklichkeitsfremd ist.

Die Ursachen für diese Katastrophe liegt insbesondere an einer neoliberalen Ideologie der deutschen Innenpolitik seit dem Fall der "Mauer" und der deutschen "Wiedervereinigung" (tatsächlich nur ein Anschluss der neu gegründeten Ostdeutschen Bundesländer an die BRD nach Liquidierung - im Geschäftssinne - der DDR im Jahre 1990) und einem Drang beziehungsweise einen Wahn der "Globalisierung" der Welt seit Anfang der 1990er Jahren. Die Ursache zu dieser Entwicklung ist in der Geschichte zu suchen (insbesondere der deutschen Geschichte) und kann an dieser Stelle nicht ausführlich geschildert werden, um nicht den Rahmen des Artikels zu sprengen.

Es sei historisch nur anzumerken, dass die "Wiedervereinigung Deutschlands" im Jahre 1990 zugleich auch einen weltpolitischen Epochenwechsel markiert, die bipolare Weltordnung aufhob und seitdem sich in eine Vielzahl von Konflikten (auch sehr blutigen, verheerenden und vernichtenden) entlädt. Für Deutschland ist es jetzt wieder an der Zeit, sich zu fragen, wo und mit welchem Ansehen es in der Welt stehen möchte. Wie es mit seiner eigenen Bevölkerung umgeht, insbesondere mit den Schwachen in dieser Gesellschaft, wie es mit den Gemeinschaftsmitgliedern der EG und der EU umgeht und ob die bisherige Politik (lapidar als "Krisenpolitik" bezeichnet) besonders konstruktiv war.

Es ist auch zu fragen, wie die EU (und hierbei insbesondere die europäischen "Kernstaaten", allen voran die Bundesrepublik Deutschland) es mit seinem geographischen Nachbarn der GUS hält. Insbesondere, ob es überhaupt noch eine deutsch-russische Freundschaft gibt. Ob die sich angeeigneten Länder des ehemaligen "Ostblocks", was als "EU-Osterweiterung" bezeichnet wurde und soweit bekannt eine Verletzung des 4+2-Abkommens darstellt, sinnvoll gefördert wurden oder nicht nur blank ausgebeutet wurden.

Ebenfalls ist die Frage an die deutsche Politik zu stellen, warum denn der Expansionsdrang in den Osten führt, wo aus historischer Erfahrung des zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus Deutschland moralisch gesehen nichts verloren hat, während die historisch weit wichtigere Verantwortung Deutschlands gegenüber der Türkei (man lese nur in Rosa Luxemburgs Junius-Broschüre einmal nach) arg vernachlässigt wird. Tatsächlich ist die Türkei seit 1953 der Europäischen Menschenrechts-Konvention des Europarats beigetreten und bereits seit 1949 Mitglied des Europarats! Das Begehren der Türkei auf Beitritt in die EU hängt nunmehr bereits seit Jahrzehnten in Warteschleife und wird insbesondere durch die deutschen Konservativen blockiert, die sich offenbar nach einer Rückkehr deutscher Großmannssucht und ihrem Heil im Osten sehnen. Dies zeigt sich wieder einmal in ihrem Vorgehen gegen die Ukraine!

Tatsächlich hat der ukrainische Staat sehr besonnen gehandelt, die ukrainische Polizei war monatelang geradezu handzahm, als letztes Jahr, angeführt von dem durchgeknallten Boxweltmeister Klitschko und unterstützt durch die ukrainischen Nazis ein Aufstand gegen die gewählte ukrainische Regierung angezettelt wurde. Sicher, es stimmt, anfängliche waren die Proteste friedlich und es waren sympathisch erscheinende junge und hübsche Studentinnen und europäisch kultivierte Bürgerliche die das Bild vom Aufstand in den deutschen Medien prägten, als die Ukraine das Handelsabkommen mit der EU auf Eis legte; insbesondere nachdem die ukrainische Regierung und die ukrainischen Regierungsfraktion von russischer Seite daran erinnert wurde, dass die Ukraine nunmehr seit Jahren Milliardensubventionen und Handelsvergünstigen durch ihren russischen Nachbarn bezogen hat, die Russland abschreiben müsste, wenn die Ukraine diesen Vertrag mit der EU unterzeichnet.

Auch darf nicht verkannt werden, dass insbesondere die junge hochqualifizierte Bevölkerung und auch die spezialisierten Arbeitsfachkräfte der Ukraine die EU-Idee, insbesondere die Arbeitsemigration in die EU für sich sehr attraktiv finden. Ähnliches hat in der Geschichte der deutschen Teilung Anfang der 60er Jahre bekanntlich zum Bau der "Mauer" geführt (von der SED als "antifaschistischer Schutzwall" verklärt), da die durch den "Marshall-Plan" geförderte junge und im Aufbau befindliche BRD einfach mehr Geld und Luxus bereithielt, größere bürgerliche Freiheiten gewährte, als die ebenfalls im Aufbau befindliche DDR, die noch dazu die Kriegsschuldenlast gegenüber der UdSSR tragen musste.

Ähnliche Entwicklungen sind heutzutage überall in der Peripherie der EU zu sehen: Während das Zentrum, insbesondere Deutschland, immer reicher wird (tatsächlich nur ein winziger Teil der Bevölkerung, die Mehrheit hierzulande gerät immer weiter in soziale Schieflage), gehen viele europäische Länder, finanziell, wirtschaftlich, sozial und staatlich kaputt. Die jüngsten Demonstrationen der einfachen griechischen Bauern sollten dies jedem offen vor Augen führen.

Was immer nun die deutsche Gesandtschaft in Kiew verhandeln mag, es kann für Herrn Steinmeier nur heißen: "Deutschland besinne Dich!" Durch deutschen Einfluss wurde die Kiewer Innenstadt in Trümmern gelegt, Kiew verheert, Menschen getötet, Menschen zu (sowohl körperlichen als auch seelischen) Krüppeln gemacht, Frauen haben ihre sexuelle Integrität oder ihre berufliche Zukunft verloren, in der ganzen Ukraine droht die staatliche Auflösung. Es ist nicht angebracht, hier nun seine eigenen Interessen zu verfolgen, sondern es sind von deutscher Seite Reparationszahlungen an die Ukraine und die Katastrophenhelfer und -helferinnen zu leisten, sich diplomatisch zu entschuldigen (und nicht weiter den "deutschen Trampel" zu spielen). Und einfach einmal zu erkennen, dass gesetzlich verbotene Angriffskriege auch durch politische Parteienstiftungen und Reaktivierung der Schatten seiner eigenen Vergangenheit geplant und durchgeführt werden können - wie nun durch deutsche Schuld in der Ukraine passiert und bereits in den 90er Jahren in Jugoslawien vorexerziert wurde.

Weiterführende Literatur: "Ukraine: Ringen um die Machtgeometrie", IMI-Studie Nr. 02/2014, Informationsstelle Militarisierung e.V. (www.ini-online.de)

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