Freiheit und was dazugehört

Verständigung Ein Versuch dem islamischen Bilderverbot und gleichzeitig dem europäischen Freiheitsbedürfnis zu genügen; zudem ein bisschen Kritik am aufflammenden Freiheitskampf.

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Ich will nicht langweilen aber sicherheitshalber möchte ich den hochgeschätzten Leser darauf hingewiesen haben, dass, gleich welcher Art von idealistischem Fanatismus er verfallen ist, ich mich seinen Neigungen nicht anschließen kann und dass ich lediglich versuche hier eine möglichst neutrale Analyse abzuliefern, deren Ausführungen meiner hier zu Grunde liegenden Gedanken zunächst mir, und vielleicht auch ihm die Welt besser zu verstehen helfen sollen, also im besten Falle erbaulich oder zumindest unterhaltsam auf ihn wirken, um ihm und mir, auf dem gnadenlosen Weg, den wir alle zu gehen haben werden, ein wenig Kurzweil zu verschaffen. Nun zur Sache selbst...

Bei den Bekundungen zur Verteidigung der Meinungs- und Pressefreiheit dieses vom Terror taumelnden Europa, erscheint in eben jenem spontanen Reflex eine vermeintliche Kluft zwischen politischen und religiösen Prioritäten. Die Ursache der Bekundungen ist die grausame Tötung der Redakteure des französichen Satiremagazins Charlie Hebdot am 7. Januar 2015 durch Anhänger einer radikal orthodoxen und militanten Strömung des Islam, die sich damit für die Veröffentlichung von Muḥammad-Karikaturen revanchierten (Diese verstehen sich im Übrigen auch selbst, in ihrem Sinne, als Freiheitskämpfer). Die Kluft wurde mir durch diese Ereignisse erst bewusst, und zwar durch den Anstoß, den die muslimischen Gemeinden aller couleur, mit verschiedenen Auslegungen islamischen Rechts, ob Schiiten oder Sunniten usw., traditionell bedingt an der schlichten, bildlichen Darstellung ihres Profeten - mehr oder weniger - nahmen, nehmen und sicherlich bis auf weiteres nehmen werden.

Als Außenstehender kann ich es schwer einschätzen aber schon in den Reaktionen aus aller Welt auf frühere Karikaturen, kann man wohl sicher ablesen, dass die bildliche Darstellung des Profeten muslimische Gefühle zutiefst verletzten kann. Tatsächlich geht es im Grunde nur um die schlichte, bildliche Darstellung, wobei der Kontext in dem die Darstellung steht (z.B. in satirischem) zunächst absolut irrelevant ist. Im Islam wird das Verbot der Götzenanbetung sehr ernst genommen, was u.a. schon in der Abgrenzung zum Polytheismus im Ursprung der Religion angelegt ist. Daraus ergibt sich das sog. Bilderverbot. Ich bin mir absolut gewiss, dass jeder, der seinen Muslim „von neben an“ mal diesbezüglich fragt, auf frohe Überraschung stoßen wird, weil sich hier eine Mangelhaftigkeit des interkulturellen Dialogs zeigt. (Ruhig mal fragen; ich hab' mich auch persönlich erkundigt.) Die andere Seite der scheinbaren Kluft, die ich wahrzunehmen meine, ist die der grundlegend notwendigen Verteidigung der Redefreiheit. Notwendig ist die Verteidigung der Redefreiheit, wenn man in einer Welt leben möchte, in der jeder das Recht hat die politischen und religiösen Amtsträger, die ausführenden Gewalten usw., sowie Stammtischkumpel und sowieso alle Zeitgenossen, mit einem Maß, das die gemeine Vernunft und Besonnenheit gebietet, in die Schranken weisen zu dürfen. Ich bin mir - so nebenbei - nicht sicher in welchem Verhältnis diese beiden Positionen zueinander stehen; also ob diese zwei Seiten, am Rande der von mir angenommenen Kluft, sich auch im gleichen Gebirge befinden.

Davon abgesehen, dass es sich bei dem Anschlag auf Charlie Hebdot global betrachtet (im räumlichen wie historischen Vergleich) eher um ein Terrörchen handelt, tun die Europäer gut daran sich darüber zu muckieren. Es beruhigt auch mich, dass meine Terror-Schutzbedürfnisse vom Leviathan befriedigt werden wollen. Diverse muslimische Verbände, die auf dem Rechtsweg die Darstellung ihres Profeten verhindern lassen wollten, versagte das Ungetüm den Schutz ihrer heiligen Gefühle (Quelle: Das hab' ich in den Nachrichten so aufgeschnappt; der Fall wurde, schon vor längerer Zeit in Frankreich, bezüglich Charlie Hebdot verhandelt). Das Bilderverbot/Verbot der Götzenanbetung der großen monotheistischen Religionen, dass Muslime versuchen einzuhalten und der Jahrhunderte lange, naturgemäß nie endene Kampf für die bürgerlichen Freiheitsrechte sind also die Steine der Anstößlichkeiten dieser ersten Tage des Jahres 2015.

Dass gegen akute, innen- und außenpolitische Gefahren für die Meinungs- und Pressefreiheit landläufig weniger Aufhebens gemacht wird als bei terroristischen Sabotageakten von millitanten Idealisten, die ohnehin 'ihr Fett wegkrigen' und auf die viele nur mit Trotz reagieren - z.B. in dem man, zum Leidewesen der muslimischen Masse, noch mehr von Muḥammad zu sehen bekommt - also weniger Aufhebens um jenes gemacht wird, ist wohl der Subtilität der Gefahren geschuldet. In Europa ist in diesen Tagen immerhin die Gelegenheit geboten, sich die Mechanismen, die Freiheit in unseren Gesellschaften überwachen helfen, in Erinnerung zu rufen. Jene Muslime, die sich an den Tabubrüchen durch Bilder empört haben, tun jetzt auch gut daran in aller Menschlichkeit die erfahrenen Kränkungen ihrer Nächstenliebe hinten anzustellen und setzen vielfach und weltweit Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen des islamistischen Racheaktes. (Im Falle der Muslime, die sich zu den Betroffenen zählen dürfen, ist das ganze verständlicherweise noch etwas komplizierter.)

Aber mit der Solidarität, die die französischen Freiheitskämpfer von Meinung und Presse gerade erfahren haben, ist die Suppe noch nicht ausgelöffelt. Wer im Schwange seiner westlichen Überheblichkeit glaubt, jene Muslime, die gerade ihr Mitleid mit den Franzosen zeigen, hätten jetzt auch die Pille der bedingungslosen Freizügigkeit der Bilderflut zu schlucken, der wird sich sicher nicht lange in der Gunst des Mitleids dieser Mitmenschen gewogen wissen können. Anstatt der Ansprüche, die wir gerade manchmal stellen, die muslimischen Gemeinden sollten sich jetzt auch mal positionieren, wäre für die Gesten, die man aus dieser Richtung empfangen darf, eher Dankbarkeit angeraten. Natürlich sind die Reaktionen aufgrund der Annahme einer intuitiven Mitmenschlichkeit zu erwarten. Man hätte es sich auch vorher schon denken können, dass die allermeisten Muslime sich von den islamistischen Freiheitskämpfern schlecht vertreten fühlen. Ein Teilnehmer der Mahnwache des Zentralrats Der Muslime in Deutschland, für ein ,,Weltoffenes und tolerantes Deutschland und für Meinungs- und Religionsfreiheit" am Pariser Platz (Brandenburger Tor) am 13.01.2015, erklärte in einem Fernsehinterview seine Scham, weil das Pariser Attentat vom 7.1.2015 im Namen seines Glaubens verübt wurde. Vor Solidaritätsbekundungen und anderen rührenden Regungen kann man sich in diesen Tagen nach dem Pariser Attentat kaum retten. Also wissen wir jetzt unmissverständlich wie ,,unsere Muslime" sich im Ernstfall positionieren. Wie ,,unsere Muslime" zu der westlichen Vorstellung von Freiheit stehen, steht nach wie vor auf einem anderen Blatt; zumindest so lange sie im Namen der Freiheit die bereits ausgeführten Beleidigungen schlucken müssen; so lange die Gläubigen ihre geheiligten Gefühle missachtet wissen und wegen dem Totschlagargument Freiheit zu unterdrücken genötigt sind, müssen sie sich ausgegrenzt fühlen.

Die heutige (13.1.2015) Veröffentlichung des Titelblattes der Ausgabe des Magazins Charlie Hebdot, das nach dem Pariser Attentat erscheint, wirkt auf mich wie eine Erklärung zur Versöhnung. Da aber wieder Muḥammad – der Profet des Islam – das Hauptmotiv ist, sieht man, dass den Autoren der ursächlichste Grund für die Empörung der Muslime nach-wie-vor verborgen geblieben ist. Aufgrund der schlechten Kommunikation zwischen den einen und den anderen Freiheitskämpfern, kann man sich jetzt ausmalen mit welchen Komplikationen wir in Zukunft weiterhin zu rechnen haben werden. Leid tun mir aber zunächst die Muslime, die sich kein Gehör verschaffen können und weiterhin die wertvollen Freiheitsrechte zwiespältig betrachten müssen. Später habe ich dann auch Mitleid mit uns anderen, weil wir nicht fähig waren zuzuhören als wir noch die Möglichkeit dazu hatten (Gott bewahre uns vor schlechten Aussichten).

Wie überwindet man die Kluft zwischen den politischen und religiösen Bedürfnissen der Europäer? Die Europäische Gemeinschaft, die sich die Brücken symbolisch auf die Geldscheine drucken lässt (wir tun jetzt einfach mal so, als ob wir noch nie was von Afrikanern und dem Mittelmeer gehört hätten), hat eine Brücke im historischen Gepäck, die ein Denker geliefert hat, in dessen geistiger Tradition sie u.a. stehen will.

Nun folgt das Argument, das zwischen dem Bedürfnis nach der Redefreiheit und dem Bedürfnis nach Respekt vor dem Bilderverbot eine Brücke entdecken soll. Dabei ziehe ich die Überlegung jenes Vordenkers europäischer Werte heran. Ich muß vorneweg eingestehn', dass ich nie ausführlichst etwas vom hochgeschätzten, deutschen Vorzeigefilosofen gelesen habe, aber ich habe in der Schule was von seinen Ideen abbekommen. Nicht nur diese Referenz, sondern auch was ich von dem Königsberger Schwergewicht neuzeitlicher, europäischer Kultur (I. Kant) zu wissen glaube, soll nachdenklich stimmen: An was ich mich dieser Tage besonderst gut erinnere ist die Verbindung die Kant zwischen der Freiheit und der Verantwortung herstellt. Die Freiheit bedeutet bei ihm nicht der scheinbare Spaß den die Smartphone-Werbung suggeriert, auch nicht das Leben im Grünen auf dem Bauernhof mit Omas selbstgemachtem Eintopf und Opas Schrotflinte. Kants Idee ist nicht so romantisch, auch nicht so leicht umzusetzen aber (wenn ich sie interpretiere) auch nicht so kompliziert: Freiheit ist verquickt mit Verantwortung. Wer Freiheit beansprucht trägt die Bürde verantwortlich mit der Freiheit umzugehen. (Ich hoffe, ich habe den alten Kant nicht zu sehr entstellt und bitte die kundigen Kantianer mich unten in den Kommentaren zu lynchen.) Auf unseren Fall angewendet heißt das für mich nicht mehr und nicht weniger, als dass auch der Journalismus und die Kunst verantwortlich mit ihrer Freiheit umgehen könnten ohne Beschneidungskomplexe haben zu müssen . . . und also, aufgrund ihrer rechtlich abgesicherten Ausdrucksmöglichkeiten (aufgrund ihrer Freiheit) sich genötigt sehen müssten, respektvoll und besonnen abzuwägen, was sie uns wie zu schlucken geben.

Ich möchte an dieser Stelle nochmals an die Ausdauer des Lesers appelieren, da ich erklären will, dass für eine Tat immer der Täter verantwortlich ist: z.B. ist es ganz offensichtlich, dass ein Getöteter nicht sich selbst getötet hat, sondern vom Töter getötet wurde. Tiefgreifendere Gedanken zum Thema Provokation zum Getötet werden lehne ich an dieser Stelle ab und bitte auch den Leser zumindest doch aus Gründen der Pietät zunächst sich zu beherrschen und davon abzusehen. Ich versteh' natürlich wenn er Langweil hat, dass er sich in dieser Richtung das Leben verlustigen wollen könnt', aber daran werde ich keinen Anteil nehmen.

Man könnte zum Spaß auch mal versuchen sich auszumalen was eine Inflation der Freiheit bedeuten könnte.

Die Verantwortung derer, die ihre Freiheit ausleben können, ist nicht zu unterschätzen.

Mannheim, 14. Januar 2015

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

schmoove operator

Gottesbeweis: TimeisMoney=Money ist Leben=Leben ist Kapitalpotent=Leben ist sich Notwendigkeiten zu unterwerfen=Leben ist fremdbestimmt!

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