Die "Lügenpresse" in eigener Sache

Ist es wirklich wahr? Nachdem sich die Medien seit zwei Jahren vehement gegen den Begriff zur Wehr gesetzt haben, führen sie ihn jetzt aktiv in die Debatte um die Seriosität ihrer Branche ein.

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Journalisten gegen Angriffe und pauschale Vorwürfe

Ich habe es gerade eben in der Telepolis gelesen und wollte eigentlich meinen Augen nicht trauen. Unter dem Titel: "Wir schreiben, was ist" berichtet Marcus Klöckner von einer Website, auf der sich deutsche Journalisten kollektiv zum Thema Lügenpresse äußern. Vielleicht ist die Assoziation ja gar nicht angebracht, aber ich fühlte mich irgendwie sofort an die Diskussion um das Schmähgedicht Böhmermanns erinnert. Das eben deswegen kein Schmähgedicht, sondern Satire ist, weil er vorher eindeutig gesagt hat, dass das, was er uns präsentiert gerade kein Schmähgedicht ist.

Die Presse leidet. Und wehrt sich tapfer.

Auf der Startpage der Lügenpresse.de finden sich 20 Videos von professionellen Journalisten zum Thema. Dort melden sich erfahrene Chefredakteure von etablierten Blättern zu Wort und auch freie Journalisten. Inhaltlich überwiegen laut Telepolis die Statements, die sich gegen den Vorwurf verwahren, dass sie Ihrer Aufgabe einseitig oder gesteuert durch irgendwelche Interessen nachkämen. Der Tenor des ersten Eindrucks läuft auf Aussagen wie "Mir sagt niemand, was ich zu berichten habe", oder "Wir schreiben, was ist" hinaus, wobei es bei näherem Hinschauen wohl auch kritischere Stimmen gibt, die einräumen, dass »es eine "breite Masse" an Menschen gibt, die sich von den Medien nicht mehr repräsentiert fühlen« (Anne Fischer, Online-Magazin Sputnika, laut Telepolis)

Persönlich finde ich das absurd. Weniger wegen der Inhalte, die dort präsentiert werden, als vielmehr deswegen, weil alle diese Journalisten ja zum Einen einen freien Zugang zu Publikationsorganen haben, über die sie ihr Anliegen verbreiten könnten. Und weil diese konzertierte Aktion den Vorwurf oder den Verdacht, dass es in der Branche Absprachen gibt nur weiter erhärtet. Und zum Anderen finde ich es absurd, dass sie den Begriff, der als Markenname ja tabuisiert und geschmäht werden sollte, durch ihre Internetpräsenz auch noch promoten. Dass sie diesen für ihre eigenen Absichten okkupieren, finde ich ehrlich gesagt entweder eher naiv oder sogar, wenn man böse Absicht unterstellt, was auch denkbar wäre, sogar hinterhältig. Man könnte ja auf die Idee kommen, dass die Medien mit ihren schwindenden Absatzzahlen auf das konkrete Feindbild gar nicht verzichten möchten und diese PR Aktion veranstalten. Wäre ich damit ein Verschwörungstheoretiker? Oder ist das realistisch, weil das, was ich da beobachte, mir so vorkommt, wie wenn sich der Vatikan auf einer Plattfom, die den Begriff "Porn" enthält gegen Promiskuität äußern würde? Auch wenn da gar kein "Porn" zu sehen ist.

Nur wo klar und deutlich "Lügenpresse" drauf steht darf auch "Lügenpresse" drin sein?

Ich meine, wenn die sich unter dem Etikett "Lügenpresse" in der Öffetlichkeit zu Wort melden dürfen, wem will man es dann in Zukunft übel nehmen, wenn er sich das gleiche Recht heraus nimmt?
Insofern kann diese Nachricht meine Zweifel an der Kompetenz derer, die sich bei uns berufsmäßig mit der jounalistischen Informationsvermittlung beschäftigen wirklich nur verstärken.

Aber vielleicht ist das ja einfach alles auch nur Satire und ich habe es nicht richtig verstanden was Thomas Liebenberg, der Redaktionsleiter der BILD-Zeitung in Ostdeutschland wirklich meint, wenn er sagt:

"Wenn man bei BILD arbeitet, ist man Schmerz gewohnt"

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

schna´sel

Flüchte nichtin ein Land,in dem der GeizhalsSchätze hortet

schna´sel

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