Wann ist Aufklärung witzig? Und wann nicht?

Aufgeklärtes Lachen? Setzt zur Zeit eine intellektuelle Verarbeitung der Causa Böhmermann ein, die Probleme wegrationalisieren soll? Aus unserem Selbstverständnis heraus, das überheblich ist.

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Man kann die Causa Böhmermann nicht unabhängig von den Ursachen betrachten, die sie herbeigeführt hat.

Es ist völlig absurd, im Zusammenhang mit der so genannten Causa Böhmermann die Reaktionen Erdoğans isoliert von den Voraussetzungen zu betrachten, die diese hervorgebracht haben. Alle Bedingungen, welche die Reaktionen, sowohl von Herrn Böhmermann, als auch die von Herrn Erdoğan überhaupt erst möglich gemacht haben. Das heißt für mich: Wer Erdoğan kritisiert, kritisiert im gleichen Moment auch Merkel. Und alle historischen Ursachen, die zu den Migrationsbewegungen geführt haben. Welche ihrerseits die Grundlage sind, auf deren Basis Erdoğan sich gegenüber der deutschen Politik überhaupt so aufführen kann.

Genau diese Auseinandersetzung mit den Ursachen wird aber durch die Rezeption der Causa Böhmermann, wie sie aktuell bei uns stattfindet verhindert, weil sich die Kritik einzig und allein auf die Wirkung beschränkt und den Gesamtzusammenhang, wie so oft wenn es um Politik und Öffentlichkeit geht, völlig außer Acht lässt.

Die Causa Böhmermann ist ein Beziehungsproblem zwischen der Politik des Westens, die bestimmte Verhältnisse geschaffen hat, und denen, die darauf reagieren: Merkel, Erdoğan, Böhmermann.

Warum das, was zur Zeit geschieht dennoch geschieht

Aber weil das Ganze, in dem Licht betrachtet, Konsequenzen haben müsste, die sowohl die gefundenen Deals, als auch die Basis für unser aufgeklärtes Selbstverständnis in Frage stellen würden, setzt offenbar zur Zeit eine intellektuelle Verarbeitung der Causa Böhmermann ein, die diese Probleme wegrationalisiert. Auf einer Ebene, die sich gebetsmühlenartig auf die Vorzüge unserer, durch Aufklärung gewonnenen Kritikfähigkeit beruft, und die reaktionären Despoten, mit denen wir durch umstrittene Deals versuchen, das Desaster unserer eigenen gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte aufzufangen, ins Zentrum des eigentlichen Problems stellt. Was uns, die wir diese Probleme mindestens miterzeugt haben, wie gehabt aus der Verantwortung für die Ursachen gleich mit herausdefiniert. Deswegen gehen solche Ansätze und Analyse auch an den eigentlichen Problemen weit vorbei. So korrekt sie im akademischen Sinne auch sein mögen. Sie bestätigen das, was zu dem Dilemma geführt hat.

So schreibt Steffen Martus in dem Artikel: Die Pointen der Aufklärung

»Die hochsensible Reaktion aller Beteiligten weist auf prinzipielle Alternativen hin, auf unterschiedliche Vorstellung davon, wie eine Gesellschaft funktioniert und was auf dem Spiel steht, wenn man bestimmte Personen und Positionen der Lächerlichkeit preisgibt.«

Die eigentliche Pointe der Aufklärung

Ich meine: Lächerlich ist in erster Linie, dass der Hintergrund, auf dem diese Problematik entstanden ist so konsequent verleugnet wird und nicht thematisiert werden darf. Geschweige denn, dass die Art von Kritik durch Satire wie sie hier zur Debatte steht, im Rahmen der Analyse, die dieser Artikel anbietet als angemessen oder gar zulässig betrachtet würde. Natürlich wird das verhindert durch die Auffassung, dass damit politische und gesellschaftliche Zusammenhänge auf dem Spiel stehen, die quasi sakrosankt sind und nicht mehr hinterfragt werden dürfen. Satire in der Form, dass damit in verletzender Form die Grundlagen unserer Kultur und Gesellschaft in Frage gestellt würden ist selbstverständlich und prinzipiell keine Alternative. Weil es dabei um die eigenen vier Wände, um das eigenen Nest geht.

»Das Lachen rührt an das Selbstverständnis einer Person, weil es sich so schnell, so direkt und unvermittelt äußert. Es ist ansteckend und verweist damit auf Lachgemeinschaften. Witz und Satire geben Auskunft über jene Gefühlsgewissheiten, in denen eine soziale Ordnung letztlich ankern muss, wenn sie stabil genug sein soll, um auch Meinungsunterschiede und Kritik zu ertragen.« (ebda.)

Das Lachen, das hier eingefordert wird, würde allen Beteiligten im Hals stecken bleiben, wenn es die eigene Beteiligung an den zur Debatte stehenden Problemen einbeziehen und nicht aus einer möchtegern überlegenen Position heraus ausgelöst würde. Wenn also Satire die Ursachen für die lächerlichen Verhältnisse mit den gleichen Maßstäben zu ihrem Gegenstand machen würde, wie das bei all denen möglich ist, die für uns nicht direkt zu dem Pool der eigenen Gemeinschaft gehören, den man als schützenswert betrachtet.

Was hat sich geändert durch die Aufklärung?

Es hat sich nicht viel geändert durch die Aufklärung. das ist ihre eigentliche Pointe. Es wird viel über Aufklärung geredet. Aber unaufgeklärt sind immer nur die Anderen. Die Verantwortung für den Status Quo wird aus der Analyse ausgeklammert. Die eigene Position, an einem Maßstab gemessen, dem sie nicht standhalten könnte, ist von vorne herein kein Gegenstand von Kritik im Sinne von Satire die in diesem Zusammenhang in dem Stil nicht akzeptabel wäre.

Gern möchte ich mich deshalb den Worten Lichtenbergs anschließen:

„Man spricht viel von Aufklärung, und wünscht mehr Licht. Mein Gott was hilft aber alles Licht, wenn die Leute entweder keine Augen haben, oder die, die sie haben, vorsätzlich verschließen?“

Allerdings habe ich keine Probleme damit, diese direkt auf die Ignoranz unserer eigenen aufgeklärten Gesellschaft zu beziehen. Wir berufen uns auf die Aufklärung, die angeblich auch zu mehr Kritikfähigkeit unserer aufgeklärten Gesellschaften geführt hat. Tatsächlich ist es aber so, dass es unsere aufgeklärten Systeme sind, die die Welt zu dem gemacht haben was sie jetzt ist. Und so wirken diese Worte wie pure Überheblichkeit, so wie sie in diesem Artikel auf etwas angewandt und bezogen werden, das außerhalb von uns liegt, das wieder einmal mit uns und unseren, ach so hohen Werten nichts zu tun hat. Die Art von Überheblichkeit, die die Verantwortung für das, worauf sie sich so elementar beruft, solange es um die positiven Auswirkungen geht, ganz vehement zurückweist, sobald Probleme gelöst werden sollen für die wir definitiv mitverantwortlich sind. Das ist der eigentliche Witz der Aufklärung. Ohne das Erdoğan dadurch weniger witzig würde.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

schna´sel

Flüchte nichtin ein Land,in dem der GeizhalsSchätze hortet

schna´sel

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