I bin do ned dei Neger

Bayern Joachim Herrmann hat „Neger“ gesagt. Damit ist er nicht alleine, denn so macht man das halt in Bayern.

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Der Satz an sich sollte nett gemeint sein, da kann man sich wohl sicher sein. Jemanden zu beleidigen, war bestimmt nicht das Ziel von Joachim Herrmann und auch eine gezielte Provokation kann man ausschließen. Dafür war das PR-Desaster zu groß und unabwendbar. Es war ein falsch gewählter Ausdruck, den Herrmann im Nachhinein selbst als „völlig inakzeptabel“ bezeichnete.

Gerade deshalb mag es erstaunen, wie viel Kritik der Innenminister Bayerns dafür einstecken musste, dass er als Gast in der Polit-Talkshow „Hart aber fair“ auf die Idee kam, Roberto Blanko als einen „wunderbaren Neger“ zu bezeichnen. Noch dazu, weil der Angesprochene gleich am folgenden Tag wissen ließ, dass er Joachim Herrmann diese Äußerung nicht übel nimmt.

Roberto Blanco kennt München und das umliegende Bayern gut genug, um zu wissen, wie den Bayern der Schnabel gewachsen ist. Vielleicht spielt das bei seiner entspannten Reaktion eine Rolle: Warum über etwas aufregen, das niemand böse gemeint hat?

So kann man denken und es dabei belassen. Allerdings wird es beim genaueren Hinsehen erst richtig interessant mit Herrmanns bayerischen Landsleuten und ihren Negern.

Die Bayern und die Sprache

Wer sich schon einmal für längere Zeit im Freistaat aufgehalten hat, weiß, dass viele bayerischen Dialekte durch eine „derbe“ Wortwahl gekennzeichnet sind – worauf man regional übrigens durchaus stolz ist. Ein echter Bayer redet halt so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, mag's den Preiß'n auch noch so sauer aufstoßen.

Auf den Außenstehenden kann speziell das eigenwillige Vokabular ganz unterschiedlich wirken. Mal wird es unverständlich, dann wieder lustig und manchmal auch sehr befremdlich. Letzteres erlebt man zum Beispiel, wenn sich im regionalen Wortschatz etwas bewahrt hat, das anderswo komplett aus der Zeit gefallen wirkt.

So wird ein Besucher in Bayern vielleicht auf die Idee kommen, an jemanden die Bitte zu richten „Kannst du das bitte für mich wegräumen?“ und die Antwort erhalten: „Bin i schwoarz im G'sicht?“ Man könnte meinen, den Dialekt falsch zu verstehen, doch hat man tatsächlich richtig gehört. Die Gegenfrage des Angesprochenen lautet tatsächlich, ob er denn ein Farbiger sei.

Natürlich gibt es auch noch eine viel direktere Antwort, die, vom Dialekt bereinigt, wörtlich lautet: „Ich bin doch nicht dein Neger!“ Und wenn die Situation gerade ein anderes sprachliches Bild erfordert, greifen die bayerischen Mundarten auch gerne zum „Zigeuner“ oder anderen Stereotypen.

Etwas Besonderes, das man nur in Bayern hört, ist das bis hierhin leider keineswegs. Der Unterschied zu vielen anderen Formen rassistisch geprägter Sprache liegt nicht in der Wortwahl, sondern im kulturellen Kontext. Hier lohnt sich der Blick auf das besondere Verhältnis der Bayern zu ihren Sprachtraditionen.

Die Kunst der charmanten Nicht-Beleidigung

Einer der Mechanismen, die für den Außenstehenden am schwersten zu verstehen sind, ist die relativierende Wirkung des Dialekts. So sehr man auch verbal die Keule schwingt, solange es im Dialekt geschieht, geht meist sogar die schwerste Beleidigung beim Gegenüber leichter runter als im Hochdeutschen. In der Mundart so richtig ordentlich über einen anderen zu fluchen, geht beinahe als Kunstform durch.

Eine griffige Umschreibungen für diesen Effekt lieferte jemand, der sich von Berufs wegen auf dem schmalen Grad des guten Geschmacks bewegt. Als die Münchener „tz“, das größte Boulevardblatt der Stadt, eine ganze Ausgabe im lokalen Dialekt veröffentlichte, gab Chefredakteur Rudolf Bögel zu Protokoll, warum er das „Bairische“ so mag: "Weil man auf Bairisch manche Dinge noch sehr charmant ausdrücken kann, die in der Hochsprache schon ein klassischer Fall für eine Beleidigungsklage wären."

So funktioniert der Dialekt in der Eigenwahrnehmung tatsächlich: Was auf Hochdeutsch als anstößig, beleidigend oder geschmacklos gilt, kann in der Mundart vom Sprecher als völlig in Ordnung empfunden werden – selbst bei völlig identischer Bedeutung.

Wenn sogar echte Beleidigungen charmant wirken, muss doch erst recht alles erlaubt sein, was nicht böse gemeint ist, oder? Alles eine Frage der Definition also und zumindest eine der vielen Möglichen Erklärungen dafür, dass auch der Begriff „Neger“ noch immer nicht aus dem gesprochenen Wortschatz verschwunden ist.

Alles ganz harmlos?

Es ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert, dass einem Politprofi mit Talkshow-Routine die Dummheit unterläuft, zu dieser Wortwahl zu greifen. Dass der Ausspruch mindestens eine grobe geschmackliche Entgleisung war, würde Minister Herrmann unterm Strich wohl auch in Zukunft nicht bestreiten.

Darf man daraus aber einen Skandal machen, wenn das Vokabular gleichzeitig fest im Sprachschatz großer Bevölkerungsgruppen verankert ist? Kommt es nicht im Kern darauf an, ob man es am Ende ganz harmlos gemeint hat?

Vielleicht sollten wir die sprachliche Rücksicht aufgeben. Sollen die Trachten-Seppel doch weiter „Neger“ und „Zigeuner“ sagen. Warum sollten wir den bayerischen Inzucht-Bergvölkern und anderen Zurückgebliebenen vorschreiben wollen, was man sagen darf und was nicht? Wird doch jeder merken, dass es die Weißwurstfresser ganz nett meinen. Wer sich an ein paar einzelnen Wörtern abarbeitet, hat doch sowieso nichts begriffen.

Aus Stolz unbelehrbar

Warum sind wir nicht alle so entspannt wie Roberto Blanco – der als Entertainer auch von den Menschen lebt, die den „Neger“ noch immer ganz selbstverständlich im Wortschatz führen?

„Farbiger“ wäre die schlauere Wortwahl gewesen, sagte er den Medien. Damit hat er sicher recht. Vielleicht sagt ihm sein Instinkt auch, dass das bereits die schärfste Art von Belehrung ist, die sich der echte Bayer gefallen lässt, wenn es um seine Sprache geht. Denn auf die ist er eben besonders stolz.

Wer sich von einem dahergelaufenen „Gscheithaferl“ (Besserwisser) belehren lässt, kann nur ein „Zuagroaster“ (Zugereister) sein. Und die können sich sowieso gern wieder schleichen, wenn ihnen etwas nicht passt. Denn Bayern bleibt bayerisch - und der Schwarze bleibt ein Neger.

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