Die Wahl Erdogans und Europa

Erdogan Quo vadis Europa

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Erdogan ist eine Bedrohung für die Türkei und Europa.

Wieviele Warnungen braucht der Westen noch ?

Der Wahlsieg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan übergibt ab sofort die politische und militärische Macht praktisch für immer an einen Herrscher von 80 Millionen Menschen an der südlichen Grenze Europas. Seine Gegner sind inhaftiert, seine Presse wird massiv eingeschüchtert, bedroht und zensiert, seine versprochenen Reformen geben ihm uneingeschränkte Kontrolle. Er dominiert und zensiert nahezu alle Medien und machte sich auch so bei den Türken beliebt.

Nun stehen zwei antidemokratische Despoten an der Ostgrenze des europäischen Kontinents, die die westlichen Demokratien offen schmähen und verachten und daraus auch keinen Hehl mehr machen, Das gleiche gilt für die sogenannten "starken Männer" in Ungarn, Polen, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Serbien. Die vier Mitgliedstaaten der EU verhöhnen und verachten, mittlerweile nicht nur im Wahlkampf, ganz offen unsere demokratischen Errungenschaften, die Menschenrechte, das Asylrecht nach der UN-Konvention und die moralischen und politischen Prinzipien der europäischen Gemeinschaft.

Diese offe antidemokratischen Regimes sind keine Irrwege oder Einzelfälle mehr. Populismus und teilweise auch Rassismus werden zur weithin akzeptierten Regel in einer Reihe von Staaten in Osteuropa, die sich durch persönliche Korruption, Bereicherung und mafiose Herrschaftsstrukturen, offene Fremdenfeindlichkeit und die Unterdrückung der parlamentarischen, ausserparlamentarischen und medialen Opposition "auszeichnen".

Winston Churchills eindringliche Warnung vor einem "Eisernen Vorhang" ist bereits Realität, und wird auch weiterhin unseren Kontinent heimzusuchen, nur dass diesmal der Vorhang nicht nur der in Person von Wladimir Putin überlebende Geist des sowjetischen Kommunismus ist, der uns bedroht, sondern darüberhinaus eine Handvoll populistischer Autokratien scheinbar unaufhaltsam auf dem Vormarsch ist.

Der sicherste Weg, diesen Trend noch zu verschärfen, ist, dass Westeuropa - also die EU - einfach nur so weitermacht, wie bisher. Sie hat ganz offensichtlich bis heute nicht erkannt oder will es nicht wahrhaben, dass sie mit einer Politik des Appeasement diesen Regimes in die Hände spielt, ihre politischen Möglichkeiten nicht benutzt oder verspielt und regelmäßig im Konfliktfall mit leeren Händen dasteht. Und das gilt nicht nur für die vier genannten östlichen Mitgliedstaaten der EU, sondern auch erst recht für die Türkei, von der wir mittlerweile regelrecht offen erpresst werden. Wozu wir Erdogan eingeladen haben mit der katastrophalen, einsamen Entscheidung von Kanzlerin Merkel, die Grenzen uneingeschränkt und ohne jegliche Grenzkontrollen zu öffnen. Die Folgen können heute überall besichtigt werden.

Wie im Amerika des Donald Trump wird den Leuten nicht gerne offen ins Gesicht gesagt, dass sie Idioten, Rassisten oder Nazis sind, wenn sie für das stimmen, was sie als ihr Interesse und ihre nationale Identität betrachten. Sie mögen es besonders nicht in reichen Ländern, in denen hart arbeitende Familien und Kinder verarmen und chancenlos aus der Mittelschicht fallen, wo das Geld für eine längst überfällige Aufstockung von Hartz IV und Mindestlohn angeblich fehlt, wenn doch gleichzeitig weit höhere Milliardenbeträge für die Aufrüstung oder Bankenrettungen fliessen.

Ein Sechstel - 17% - der jungen Europäer denken heute ebenfalls so, damit verdoppelte sich diese Zahl seit 1995. In Deutschland, Spanien, Japan und Amerika würden heute 40% der Menschen insgesamt "eine starke Führungspersönlichkeit bevorzugen, die sich nicht mit Parlamenten oder Wahlen herumschlagen muss ".
Ein Drittel der jungen Menschen in den westlichen Staaten hat den Glauben an die Demokratie komplett verloren.

Die derzeitig wachsende Trend "Tod der Demokratie" macht auf das Scheitern der Wählerschaft aufmerksam, das liberale, demokratische und internationalistische Programm zu wählen - daher erleben wir Trump, Brexit und einwanderungsfeindliche Parteien in Italien, Frankreich und auch in Deutschland.

Aber die Schuld, wenn man es denn so nennen will, liegt, wie man es von Wahl zu Wahl deutlicher erkennen kann, nicht bei den Wählern, sondern die moralische und politische Verantwortung für den massiven, sich verstärkenden Vertrauensschwund in unsere demokratischen Prinzipien und Werte liegt bei den politischen Institutionen in Brüssel, Berlin, London, Rom und Paris, die ihren Verpflichtungen gegenüber ihren jungen Wählern in keiner Weise gerecht werden. Und ein Ende dieser unglaublichen Ignoranz und Misswirtschaft ist ja weit und breit nicht einmal ansatzweise erkennbar.

Wenn die traditionellen Mittler der öffentlichen Debatte - politische Parteien, Medien, Akademiker - sich weiterhin weigern sie anzuhören, werden sie sich an die Führer wenden, die das tun - und tun es bereits.

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