Das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (United Nations Convention against Corruption; UNCAC) vom 31. Oktober 2003 ist der erste weltweite völkerrechtliche Vertrag zur Bekämpfung der Korruption. Es verpflichtet die Vertragsparteien zur Bestrafung verschiedener Formen der Korruption gegenüber Amtsträgern und zur internationalen Zusammenarbeit. Am 14. Dezember 2005 trat die Konvention in Kraft. Zur Zeit haben 143 Staaten die UNCAC ratifiziert.
Nun, nachdem Sie diese kleine Definition gelesen haben, werden Sie denken: "So herrschen dann wenigstens minimal strukturierte Bedingungen in den Verwaltungen, von, sagen wir, Uganda oder Nigeria". Und damit hätten Sie recht. In der Tat haben beide Länder diesen UN-Vertrag unterschrieben UND ratifiziert.
Das unterscheidet diese Länder von Ländern wie z.B. Burma, Afghanistan oder Deutschland.
Deutschland? Ja, Sie haben richtig gelesen. Deutschland hat die Konvention zwar unterzeichnet, aber, trotz mehrfacher Klagen der UNO, so wie die anderen genannten Länder, nicht ratifiziert. Das soll heißen: Amtsmissbrauch von Parlamentariern, Bestechlichkeit und Vorteilsnahme sind für Parlamentarier dieses demokratischen Landes auch weiterhin völlig straffrei. Zustände wie in Burma oder im Sudan, darf man mit Fug und Recht sagen.
Hier kommt nun Jörg Tauss ins Spiel. Jörg Tauss, Ex-Abgeordneter und Mitglied der Piratenpartei, wollte dem System auf die einzige Weise zusetzen, die dieses System uns Bürgern lässt: Er wollte eine Online-Petition, eine sogenannte ePetition auf den Weg bringen, mit der die Abgeordneten des Bundestages aufgefordert werden sollten, diesen für Deutschland unwürdigen Zustand zu beenden. In seinen eigenenWorten, in seinem Blog www.tauss-gezwitscher.de:
Die Mehrwertsteuerbegünstigung für Hoteliers und der Rüttgers-Skandal in NRW verstärken in der Öffentlichkeit den verheerenden Eindruck, dass Politik in Deutschland käuflich sei.
Dieser wird dadurch verstärkt, dass sich eine parlamentarische Mehrheit im Deutschen Bundestag seit Jahren entgegen immer wieder gestarteter Bemühungen beharrlich weigert, § 108 e StGB (Abgeordnetenbestechung) so zu fassen, dass er die Anforderungen der UN- Konvention gegen Korruption aus dem Jahre 2003 erfüllt.
Deshalb werde ich beim Bundestag jetzt eine Petition mit der Forderung einbringen, diesen Missstand endlich abzustellen und die Korruption ALLER Amtsträger, einschliesslich der Abgeordneten, unter Strafe zu stellen. Verschiedene Organisationen und Einzelpersonen bitte ich zur Zeit, auch bereits im Vorfeld und dann im Rahmen der Drei-Wochen-Frist für die Zeichnung der Petition zu werben, sobald diese durch den Deutschen Bundestag freigeschaltet ist.
Und nun, nach kaum mehr als drei oder vier Wochen, hören wir von der, nun ja, überraschenden Reaktion des Petitionsausschusses (Text ebenfalls von www.tauss-gezwitscher.de):
Dazu teilte mir per gelber Post der Deutsche Bundestag nun mit, dass meine “Eingabe nicht veröffentlicht, sondern als Petition ohne Einstellung ins Internet und ohne öffentliche Diskussion behandelt wird.” Nach sorgfältiger Prüfung meiner “Zuschrift” erhielte ich “unaufgefordert Nachricht”.
[...] Denn Bitten oder Beschwerden, die von “allgemeinem Interesse” sind, können als öffentliche Petition behandelt werden. So war zumindest mein bisheriger Informationsstand.
Ganz offensichtlich liegt das Thema Abgeordnetenbestechung und die Nichtumsetzung einer international verbindlichen UNO- Vorgabe in Deutschland nach diesem Bescheid nicht im allgemeinen öffentlichen Interesse. Nachvollziehbar ist dies allerdings nur in der Logik einer Bananenrepublik einleuchtend.
Ein weiterer Ablehnungsgrund kann sein, “dass eine fruchtbringende Diskussion nicht zu erwarten ist” oder dass “unsachliche Formulierungen” im Text einer Veröffentlichung entgegenstehen. Auf keinen dieser entsprechenden Gründe wurde ich allerdings hingewiesen. Möglicherweise ist allerdings bereits die Beschreibung des höchst unwahrscheinlichen und völlig auszuschließenden Falles, dass selbst Abgeordnete korrupt sein könnten, eine höchst unsachliche Annahme.
Dazu sagt Ihene schwarzbart, mit seinem Klarnamen John Martin Ungar Listenkandidat der Piratenpartei in NRW: "Nach dem Mövenpick-Skandal und "Rent-a-Rüttgers" wird auch dem Wohlmeinendsten klar, in welcher Verfassung sich unser Gemeinwesen befindet. Da ist diese Angelegenheit "nur" ein weiterer Stein in der Wand, die seitens der Politik zwischen dem Staat und seinen Bürgern hochgezogen wird. Dabei ist die Demokratie, der Wille zur demokratischen Gestaltung, klar auf der Seite der Bürger. Die Piratenpartei steht in Deutschland und im Besonderen im NRW-Wahlkampf für den transparenten Staat, für echte Demokratie und für die Bürgerrechte in dieser Republik."
In diesem Zusammenhang wird es auch niemanden wundern, dass die Koalitionsparteien der Bundesregierung eine Anhörung zur Sponsoringpraxis bei den deutschen Parteien - hier sei insbesondere die "Rent-a-Rüttgers"-Affäre genannt - mit einem Verfahrenstrick unterdrückt haben. Der Zustand der Regierungsparteien, derselben Parteien wie bei der anstehenden NRW-Wahl, soll tunlichst nicht öffentlich debattiert werden...
Die Demokratie hat eine Bataille verloren und Ruhe, so will man uns - wieder einmal - suggerieren, ist die erste Bürgerpflicht.
Das Gegenteil ist der Fall.
Recherche-links:
www.tauss-gezwitscher.de/?p=576
de.wikipedia.org/wiki/UNCAC
www.unodc.org/unodc/en/treaties/CAC/index.html
de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Ratifiers_of_the_UN_anti_corruption_treaty.png&filetimestamp=20090228203529
Und eine Arbeitsübersetzung des Abkommens aus dem Englischen:
www.bezreg-arnsberg.nrw.de/dieBezirksregierung/aufbau/abteilungen/abteilung1/dezernat14/korrupt/UN-Konvention.pdf
Geschrieben von
schwarzbart

Kommentare 14
Hallo Schwarzbart,
zum Thema: Korruption, Klientelpolitik habe ich hier gleich mehrere Beiträge eingestellt, mit mäßigen Erfolg:
www.freitag.de/community/blogs/carl-gibson/was-kostet-die-republik-lobbyismus-parteispenden-korruption
www.freitag.de/community/blogs/carl-gibson/nepotismus-in-deutschland---guido-westerwelles-klientelpolitik
Es wundert mich kaum, wenn die Politiker alles unternehmen, damit das Volk ihnen nicht auf die Finger sehen kann.
Wozu brauchen wir noch einen Petitionsausschuss, wenn das Einreichen von Petitionen durch allerlei formaljuristische Hürden unterbunden wird?
Muss der Normalbürger erst zum Volljuristen werden, wenn er eine Petition formulieren und veröffentlichen will?
Das führt das Petitionsrecht ad absurdum!
Wo bleibt die Transparenz?
Daimler hat im Ausland (USA) geschmiert und ist bereit, ca. 130 Millionen US-Dollar oder Euro? zu bezahlen, um sich zu arrangieren?
Eifern unsere Politiker diesen „Geschäftspraktiken“ nach?
Was kostet ein Händedruck, ein Lächeln, ein Vier-Augen-Gesräch?
Vor Jahren wurde ich mehrfach von der „Nigeria-Connection“ angeschrieben, von einem kriminellen Verein, der, als er hochging, bereits mehr als eine Milliarde Euro von Geschäftsleuten ergaunert hatte – hier in Deutschland!
Je undemokratischer die Verhältnisse werden, desto mehr Korruption wird es geben.
In der „Politikarena“ hier auf Freitag habe ich für die Abschaffung aller Partei-Spenden plädiert und damit wesentlich radikaler argumentiert als andere Anti-Korruptions-Initiativen, die sich mit der Limitierung von Großspenden begnügen würden.
In Sachen „Korruption“ ist es wie in der Schwangerschaft – ein Bischen schwanger geht nicht.
Die UNO will die Korruption aus der Welt bannen – und wer spielt den Vorreiter dazu?
Die Bundesrepublik Deutschland und ihre Parteien (durch Nichtratifikation)?
Carl Gibson
Der Einreicher der Petition war immerhin lange Zeit MdB und ist dennoch "abgewimmelt" worden...
MdBs gibt es viele. Das besagt noch nichts. Es ist allerdings denkbar, dass über die Nichtratifikation Interessen größerer Unternehmen mit substanziellen Auslandsaktivitäten vorerst geschützt werden sollen.
Internationales Privatrecht lässt sich besser durchsetzen, wenn völkerrechtliche Vertragswerke vorausgehen.
Wenn viel Geld (a la Daimler) im Spiel ist, können Politiker gewisse Dinge auch dilatorisch behandeln, siehe NRW-Wahl, wo die Griechenland-Hilfe-Regelung von der Kanzlerin gezielt hinausgezögert wird.
Ein sogar transparentes Spiel auf Zeit!
Carl Gibson
aus den hinweisen wurde damals kein artikel, aber die links darin sind vielleicht ganz interessant opalkatze.wordpress.com/2009/10/04/seltsame-petitionsablehnung/ darin ging es auch um mißliebige eingaben.
ich meine mich zu erinnern, bereits eine ähnliche petition gesehen zu haben.
je legislaturperiode kann nur eingabe gemacht werden. wenn also bspw. 2 leute fordern, dass politiker weniger korrupt sein mögen, dann kommt die zweite petition nicht mehr durch.
an tauss seiner stelle, würde ich eine petition reinstellen, dernach künftig jede ablehnung mit einem grund versehen werden muss, damit der petent künftig eine chance hat.
mfg
mh
nur eine eingabe, meinte ich.
Hätte es in 2010 schon so eine Petition gegeben, hätten wir das bemerkt. Campact, LobbyControl und die Piratenpartei scannen die entsprechende Seite ständig nach unterstützungswürdigen Eingaben. Aussserdem: Hätte es einen klar benennbaren Grund gegeben, hätten sie ihn ins Spielgebracht, die Herrschaften in Berlin, denke ich.
"Aussserdem: Hätte es einen klar benennbaren Grund gegeben, hätten sie ihn ins Spielgebracht, die Herrschaften in Berlin, denke ich."
verschwörungstheorien lehne ich ab.
mfg
mh
Ich auch. Ich frage mich nur, was hinter dieser verschwurbelten Antwort steckt? Ein Grund, eine Absicht oder nur die gewohnte Arroganz der Altparteien-Politik. Besonders, wenn es eine solche Petition schon gegeben hätte, hätte man dies als Absagegrund im Wittgensteinschen Sinne "klar sagen" können.
Hallo Schwarzbart,
danke für Ihren Artikel - ich habe daraufhin mal meinem Bundestagsabgeordneten geschrieben:
'An: Hans-Christian Ströbele
Betreff: Petition Bestechlichkeit von Abgeordneten
Lieber Christian Ströbele,
ich habe gehört, dass der Deutsche Bundestag eine eingegangene Petition zum Thema Abgeordnetenbestechung (§108 e StGB) nicht ins Internet einstellen und nur ohne öffentliche Diskussion behandeln will.
Eine Reform ist jedoch dringend notwendig und wird auch seitens der UNO gefordert. Ich bitte Sie um Mitteilung, weshalb der Bundestag ein öffentliches Interesse ausgerechnet bei der Behandlung dieser wichtigen Frage verneint und ob Sie diese Auffassung des Petitionsausschusses (AZ 4-17-07-450-005940) teilen. Darüber hinaus interessiert mich, wie Sie persönlich zu § 108e und zur Umsetzung der UN- Vorgaben stehen.
Mit freundlichen Grüßen
P.S. Vermutlich teilen Sie die Aufassung des Petitionsauschuß nicht mal ein bißchen - das ist dem kopierten Text geschuldet - ich wäre aber sehr dankbar, wenn Sie dieser Geschichte mal nachgehen würden.
Danke und Grüße!'
Hier seine Antwort:
'Sehr geehrte Frau ....
Die grüne Fraktion hat in der letzten Legislaturperiode ein Gesetz zu Änderung des § 108e StGB in den Bundestag eingebracht, an dessen Erarbeitung ich beteiligt war. Danach sollte die Strafbarkeit der Bestechung von Abgeordneten erweitert und den internationalen Verpflichtungen, die Deutschland übernommen hatte, angepaßt werden. Transparency International fordert eine solche Regelung seit Langem.
Leider wurde das Gesetz von der große Koalition und der FDP abgelehnt.
Die ablehnenden Fraktionen haben auch nicht gesagt, wie sie den internationalen Verpflichtungen nachkommen und welches Gesetz sie vorschlagen wollen. Sie halten ein solches Gesetz nicht für nötig.
Die Debatte im Bundestag können Sie in den Protokollen nachlesen.
Die von Ihnen angesprochen Petition kenne ich nicht. Ich bin nicht Mitglied des Petitionsausschusses, deshalb kann ich auch nichts zu der Ablehnung der Petition sagen. Ich werde die zuständigen Kollegen fragen. Vermutlich hat die große Mehrheit derer, die ein solches Gesetz nicht wollen, entschieden.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele'
Darauf ich:
'Lieber Christian Ströbele,
würden Sie mir die Antwort auf Ihre Frage an die zuständigen Kollegen auch kurz mitteilen?
Und - darf ich Ihre Email im Freitag veröffentlichen?
Ich find's ja großartig, daß Sie überhaupt und auch so schnell antworten - unter anderem deswegen wähle ich Sie ja auch sehr treu...;-)...
Grüße!
Darauf er:
'Liebe Frau ....
Meine Antwort können Sie veröffentlichen.
Auf die Antwort der Kollegen müssen Sie ein paar Wochen warten, denn die sind jetzt erstmal zur Osterpause in ihren Wahlkreisen und nicht in Berlin.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele'
Ich werde also in ein paar Wochen weiter berichten.
Herzlichen Dank für diese tolle Aktion.
Gute Idee, Dame.
Und feine Art von Herrn Ströbele - nicht alle Abgeordneten sind so kommunikativ, vor allem nicht per mail.
Bin gespannt auf die Fortsetzung.
Was soll man sagen? Der Herr Ströbele ist zwar ein Grüner und dort einer vom ganz linken Flügel, aber seine Auffassung von Demokratie und Mandat ist schon sehr piratig.
Vielleicht gibt es aber trotzdem noch Unterschiede zwischen den Verhaeltnissen in Deutschland und denen in Afrika.