Das Ende aller Hoffnungen

Talfahrt Die rot-grüne Koalition erwartet, dass sie den anhaltenden Negativtrend umkehrt. Erfolge müssten her, fordert Gerhard Schröder. Aber der Machtverfall der Regierung ist nicht mehr zu stoppen

In diesen Tagen will die Regierung Macht demonstrieren und Tatkraft. Allen voran natürlich der Bundeskanzler (SPD). Aus Hannover ließ er wissen, dass er durch seine Arbeit die "positiven Tendenzen in Deutschland verstärken" wolle. Wo er diese "positiven Tendenzen" für die 4,4 Millionen Arbeitslosen, die Kranken, die Rentner und Sozialhilfeempfänger zu sehen glaubt, sagt Gerhard Schröder nicht. Kein Wunder, denn er spürt seit langem, dass er mit seiner Politik längst gescheitert ist, und dieser Tage merkt er auch, dass seine Macht als Kanzler schwindet. Jede Woche ein bisschen mehr. Seine Berater sehen schwarz für die kommenden Monate. Nichtsdestotrotz gibt der SPD-Chef den Gutelauneschröder und lud während seines Urlaubs zur Kabinettssitzung.

Angeblich verabschiedet die Schauspieltruppe, genannt Bundesregierung, Reformen und bietet den Medien in einer themenarmen Sommerzeit Bilder und Geschichten. Damit will der Regierungschef vor allem dem Publikum den aktionsfreudigen Reformkanzler geben. Denn, er weiß, schon bald wird für die Wähler offenkundig, dass die rot-grüne Koalition das Heft des Handelns abgegeben hat. Kaum ein Politikfeld bleibt, auf dem die medienvirtuosen Clement, Schröder, Fischer Co. wenigstens so tun können, als ob sie die entscheidende Richtung in der Auseinandersetzung um den politischen und ökonomischen Kurs des Landes vorgeben. Als größte Leistung der Berliner Polit-Aktionsgruppe dürfte die Einführung des Dosenpfands in Erinnerung bleiben. Wenigstens Umweltminister Jürgen Trittin ist zufrieden.

Wie sehr Schröder und seine Mannen schwächeln, war bereits während der Verhandlungen mit der CDU/CSU über die Gesundheitsreform zu sehen. Ein Erfolg musste her, auch wenn der Unionsverhandlungsführer Horst Seehofer (CSU) gnadenlos die Macht der Pharmakartelle verteidigte. Gewinner war vor allem die Union. Auch bei anderen Themen, wie der Gemeindefinanzreform, tritt Schröder auf der Stelle. Vielen SPD-Länderchefs erscheinen die Vorschläge unvorteilhaft, und so lehnen sie die Pläne aus Berlin ab. Und zeitweise sah es so aus, als ob Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch auch für die Sozialdemokraten sprach, als er vor den Belastungen der Kommunen durch die Reform warnte. Da der Hirte seine Schäflein nicht mehr beschützen kann, muss es wohl der Wolf tun.

Auch in der symbolisch wichtigen Frage der Amtsnachfolge des Bundespräsidenten Johannes Rau (SPD), hat Schröder kein Wort mehr mitzureden. Die Christenparteien wollen zusammen mit Guido Westerwelles FDP das künftige Staatsoberhaupt küren. Denn sie verfügen über eine komfortable Mehrheit in der Bundesversammlung.

Unterdessen steigen die Arbeitslosenzahlen, trotz Minijobs, Ich-AGs und flotter Sprüche des Superministers für Wirtschaft und Arbeit Wolfgang Clement. "Jede Arbeit ist zumutbar", donnert er und verlangt, dass die Arbeitsämter besser und schneller vermitteln. Erfolge kann der einstige NRW-Fürst bisher nicht verbuchen. Auch die Liberalisierung der Handwerksordnung scheint Clement nicht zu gelingen. Zwar ist das Gesetz bereits in den Bundestag eingebracht, der Bundesrat jedoch hat abgelehnt. Hier ist die Regierung machtlos. Wie sie auch bei der beabsichtigten Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe vom Willen oder Unwillen der Union abhängt.

Weil die Machterosion für Schröder immer spürbarer wird, bemüht er sich umso mehr, seiner Politik Eventcharakter zu geben. Wo der Gerd ist, da passiert was, will er das Wahlvolk glauben machen. So auch mit dem Kabinettstreffen vom Mittwoch. Sauer wird Schröder nur, wenn die Männer und Frauen in seinem Umfeld nicht kapieren, welches die richtigen Themen zur richtigen Zeit sind. So wies er die Grünen-Fraktionsvorsitzende Krista Sager zurecht, ihr Medienbeitrag über eine Bürgerversicherung sei eine "Debatte zur Unzeit". Der Meister des Fernsehlächelns weiß es eben besser.

Gleichzeitig - im Bewusstsein des Scheiterns seiner Politik - schafft er bereits neue Themen, und am besten dort, wo die Opposition kaum hingelangt: der Außenpolitik. Hatte Schröder sich noch vor der Bundestagswahl 2002 klar von George Bush und dessen Irak-Politik abgesetzt, so zeigt das Bemühen um Wiederannährung, wie angeschlagen der Regierungschef ist. Nun sollen deutsche Soldaten über Kabul hinaus eingesetzt werden, um die Beziehungen mit Washington zu verbessern. Dabei könnte auch hier der Kanzler eine peinliche Niederlage erleiden, sollten ihm die Bündnisgrünen bei dem dafür erforderlichen Bundestagsbeschluss nicht einmütig folgen. Sobald er diese Abstimmung überstanden hat, wird dann spätestens im Herbst deutlich, wie sehr die Regierung Schröder angeschlagen ist. Wenn die Konjunkturerholung ausbleibt oder verpufft - und davon ist auszugehen - verstärkt sich der Druck auf den Kanzler um ein Vielfaches. Nur, dass der Regierungschef dann nichts mehr in der Hinterhand halten wird. Alle Kaninchen sind schon aus dem Hut. Alle Hartz-Pakete beschlossen. Vielmehr muss Schröder dann mit Blick auf die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen 2005 fürchten, dass die Union die rot-grüne Mehrheit in Düsseldorf bricht und somit die SPD-Kanzlerschaft zu ihrem vorzeitigen und verdienten Ende bringt. Bis dahin gehen noch einige Monate ins Land, Schröder haut noch einmal auf die Pauke und gibt den Sommer über den starken, tatkräftigen Kanzler. "Das Reformtempo geht auch bei schönem Wetter weiter", sagt er.

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