In der Hängematte

Affäre in Berlin Hat Bausenator Peter Strieder (SPD) einem Gönner öffentliche Kredite verschafft?

Denk ich an Berlin, denk ich an Skandale, an Schmuddelfreundschaften und dubiose Seilschaften, an die Verquickung von Politik und Wirtschaft, die oft schwer zu durchschauen und noch schwieriger nachzuweisen ist. Solch ein Liedchen könnte man dichten, angesichts der vergangenen Jahrzehnte, in der sich Affäre an Affäre reihte. In diesen Tagen kommt möglicherweise eine neue hinzu. Bauunternehmer Roland Specker soll im Gegenzug für eine mit 5.000 Euro gesponserte SPD-Wahlparty, die am 21. Oktober 2001 stattfand, Millionenkredite erhalten haben, die er dem sozialdemokratischen Bausenator Peter Strieder zu verdanken habe. Die Opposition richtet bereits den "Untersuchungsausschuss Tempodrom" ein, es hagelt Anfragen und Beschuldigungen aus der CDU, der FDP und den Grünen. Specker - der typische Wessi-Baulöwe in dieser Geschichte darf nicht fehlen - bepflastert die Zeitungen mit Gegendarstellungen, wo es nur geht. Und Strieder, der als großer Strippenzieher gilt, weist jede Schuld von sich.

Geradezu gelangweilt von dem Skandal zeigt sich die Bevölkerung. Wer schon die milliardenschwere Fast-Pleite einer Berliner Bankgesellschaft erleben durfte, dem ist ein dubios finanziertes Fresschen nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus im Herbst 2001 zu mickrig, um in Wallung zu geraten. Die Bürger sind unempfindlich geworden für den Filz in einem Bundesland, das dank seiner Politik für immer und ewig bankrott scheint. Doch die Bürger sollten aufmerksam sein, viele Affären fangen klein an. Zudem verdient auch die Person Strieder Beachtung. Er war in den Jahren der Großen Koalition dabei, und als die am Bankenskandal zerbrach, gehörte der Senator zu jenen, die von nichts gewusst hatten und sich hinüberretteten in die neuen Regierungen, erst die rot-grüne, dann die rot-rote. Wer über krisenfeste, langlebige Verbindungen zur Wirtschaft verfügt, welchen Erwartungen kann der sich ausgesetzt sehen?

Welch großes Interesse Specker am Tempodrom, dem Betonbau in Form eines Zeltes, hat, beschrieb der Tagesspiegel. Das "ehemalige Postgebäude an der Möckernstraße vis-à-vis dem Tempodrom gehört einer Projektgesellschaft der Specker Bauten AG. Sie kaufte das Gebäude für rund zwölf Millionen Euro - just in dem Jahr, in dem auch der Kulturbau mit dem markanten Zackendach fertiggestellt wurde." Über die Firma Specker Bauten Besitz GmbH und Co. hält der Bauunternehmer 20 Prozent des Grundkapitals der Specker Bauten AG. Es wäre nicht auszuschließen, dass Roland Specker mit dem Tempodrom handfeste Immobilieninteressen verbinden. Auf der anderen Seite steht Strieder, der dafür sorgte, dass das Projekt nicht mangels Geld scheitert. Auf seine Initiative hin hatte der Senat am 9. Oktober 2001 einen 1,8-Millionen-Euro-Kredit für das Tempodrom beschlossen. Zwölf Tage vor der bewussten Wahlparty. Und wie gesagt: Seilschaften hängen nicht ab von einem Essen, sondern von jahrelangen Verbindungen und der Erwartung, früher oder später davon Gebrauch machen zu können.

Die Wähler sollten dieses Prinzip kennen aus der Ära Kohl, dem Parteispendenskandal in Hessen, der Müllaffäre in Köln, der Kirchpleite. "Ich glaube, dass wir noch nicht wissen, welche Querverbindungen zwischen Herrn Specker und Herrn Strieder existieren. Wir halten erst einen Faden in der Hand, der ein ganzes Netz von Verstrickungen aufdröseln könnte. Hier scheint es sich doch um eine System auf Gegenseitigkeit zu handeln", sagt der CDU-Fraktionschef Nicoals Zimmer (34). Er initiierte den erwähnten Untersuchungsausschuss. Seit langem gilt er als Hoffnungsträger der Berliner Christdemokraten und hat mit dafür gesorgt, Vetternwirtschaft in seiner Partei zu beenden. Jetzt gilt er als wichtigster Gegner von Männern wie Strieder (52), die aus der Generation "Berliner Bankenskandal" kommen und dennoch die Geschicke der Stadt mitbestimmen. Bisher gibt sich Strieder betont unbeeindruckt. Er weiß: wegen der 5.000-Euro-Sponsoring-Peanuts, die nicht als Spende verbucht wurden, regt sich in Berlin niemand mehr auf. Der Souverän schläft und merkt gar nicht, wie ihm schleichend das Land genommen wird, von jenen, die gemütlich in der Hängematte liegen und auf den Halt alter Seilschaften vertrauen.


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