George Clooney geht bei mir in die Lehre

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Ich kaufe mir Kleidungsstücke, die nicht schlabbern, und werde zu einem anderen Menschen. Außerdem bin ich neidisch auf einen Dampfdruckreiniger.

Ich bin in den vergangenen Monaten zum coolsten Typen der Stadt geworden. Auch auf Landesebene bin ich vorne dabei. Es war keine Absicht.

Alles begann damit, dass ich aufhörte, T-Shirts zu tragen. Stattdessen kaufte ich Hemden von ausgesuchter Qualität, weiße und karierte. Die Jeans, die an den Oberschenkeln nicht mehr blau, sondern weiß waren, sortierte ich aus. Dann kam das Beste: Ich kaufte mir Schuhe.

Ich habe in meinem ganzen Leben niemals mehr als ein paar Schuhe besessen. Stets trug ich die Schuhe solange, bis sie auseinanderfielen. Dann kaufte ich neue. Nun aber geriet ich in einen Rausch: Ich kaufte zwei Paar Schuhe. Zunächst kaufte ich mir schwarze Leinensneakers. Die lagen im Pferderennen der Coolness in der Spitzengruppe. Doch dann, ja dann sah und erwarb ich sie: halbhohe schwarze Wildlederschuhe der Snobismus-für-Junge-Leute-Marke Keds. Ein ganz neues Modell. Ich zog sie an und wusste: Ich gehe fortan immer als Sieger vom Platz.

Gestern ging ich in einen Raum. Dort saßen drei Frauen vor ihren Computern. Als ich zehn Minuten später den Raum wieder verließ, sahen ihre Gesichter heiter aus. Dabei hatte ich nur mit ihnen gesprochen. Das passiert mir seit einigen Wochen ständig. Es ist noch gar nicht so lange her, da flohen die Frauen noch vor mir wie vor einer Feuersbrunst.

Ich weiß gar nicht, wer mich von diesem Sockel noch herunterholen soll.

Vor einiger Zeit führte mich der Beruf zurück in mein Elternhaus. Meine Mutter sagte: „Wir kaufen uns einen Dampfdruckreiniger. Für 3000 Euro.“ Ich hielt das für einen Scherz. Doch für einen Scherz war das Gerät sehr real, das Tage später im Flur stand. Es sah aus wie ein großer Sandwich−Toaster. Meine Mutter war der Ekstase nahe, wenn sie mit dem Gerät putzte. Das Teil zischte wie eine Schlange. Als ich wenig später erneut die Heimat aufsuchte, rief ich vom Bahnhof aus meine Mutter an. Ob sie mich wohl abholen könne?
Sie antwortete: „Später, ich muss noch zu Ende putzen.“

In mir reifte der grausame Verdacht, dass meine Mutter die Liebe, die sie mir als Kind schenkte, nun dem Dampfdruckreiniger widmete. Ich befürchtete, dass das Gerät bald auch mein altes Kinderzimmer bekam, in dem ich noch regelmäßig übernachte, und die Geburtstagsgeschenke und einen Platz beim Mittagessen am Sonntag.

Wieso tat meine Mutter mir das an?

Nun hat sie noch einen draufgesetzt. Sie hat alle Möbel aus dem alten Kinderzimmer meines Bruders geräumt, sie blau angestrichen, die Möbel reingestellt und alles entfernt, was nicht blau ist. Sie sagt „Das ist mein blaues Zimmer“. Mein Bruder ist dort nur noch zu Gast. Er hat keinen Einfluss mehr auf die Gestaltung des Raumes.

Dann sagte sie zu mir: „Wenn du so richtig ausgezogen bist, dann wird dein Zimmer mein Rosenzimmer.“

Mama!

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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