Hornhaut statt Terrorismus

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Ich beschäftige mich wieder einmal mit dem internationalen Terrorismus. Ich weiß ein Gegenmittel. Für das muss man allerdings seinen Hausmüll und Hornhaut verkaufen.

Ich habe darüber nachgedacht, warum der Kampf gegen den Terrorismus so schwierig ist. Es hat damit zu tun, dass nicht genügend Leute ihre Hornhaut und Badezimmermüll verkaufen. Im Internet habe ich eine Seite entdeckt, auf der eine Frau das macht. Sie verkauft auch andere gebrauchte Dinge, aber ich laufe rot an, wenn ich darüber spreche, oder ich muss mich übergeben.

Ich glaube nicht, dass diese Frau sich als Traumberuf vorgestellt hat, Hornhaut zu verkaufen. Sie wollte sicher Tierärztin werden oder Topmodel oder Friseurin. Aber sie hat gemerkt: Meine Qualität als Tierärztin ist nicht gefragt, aber meine Hornhaut die verkauft sich wie geschnitten Brot. Sie ist das Gegenteil des Lebensmottos „Ich bleib, wie ich bin.“

Wenn ich in der Junge-Leute-Ansammlung StudiVz Steckbriefe von Menschen durchstöbere, lese ich diesen Satz immer wieder. Ich bleib, wie ich bin. Ich lass mich nicht verbiegen. Wer mich nicht nimmt, wie ich bin, der hat mich nicht verdient. Ich lehne diese Haltung ab. Sie ist eine Gefahr für den Fortbestand der Menschheit.

Ich stelle mir Osama bin Laden mit zehn Jahren vor. Er kommt von der Schule nach Hause, seine Mutter sitzt am Esszimmertisch. Osama kramt ein Buch heraus, das ihm ein Klassenkamerad mitgegeben hat. Eines dieser Freunde-Bücher, in denen man seine Hobbys und sein Lieblingsessen einträgt. „Nun isst du aber erstmal“, sagt Mutter Osama, doch der Kleine antwortet „Och bitte, ich möchte das erst ausfüllen. Darf ich?“ „Na gut.“ Er legt also los. Bei Motto schreibt er: „Ich lasse mich nicht verbiegen.“ Und seine Mutter, die dumme Kuh, sagt: „Schön hast du das geschrieben. Hier hast du einen Lutscher.“

Sie wusste ja nicht, was sie da sagte, aber fortan war Osama für immer verdorben. Seine Mutter hätte sagen müssen: „Osama, wenn es besser für dich ist, Hornhaut und Badezimmermüll zu verkaufen, dann verkaufst du eben das.“ Stattdessen aber blieb er, wie er war, und wurde Terrorist und zwar einer der erfolgreichsten der Welt.

Wenn der Staat den Terrorismus in den Griff kriegen möchte, dann muss er noch mehr Kompetenzen haben, als dieses lächerlich rechtstaatliche BKA-Gesetz ihm gibt. Was hilft es, wenn die Bundespolizei die Kommunikation überwacht, als säße sie neben einem. Der Staat muss die Ursachen bekämpfen. Er muss zum Beispiel die Steckbriefe im StudiVz lesen dürfen. Jeder, der dort stehen hat „Ich bleib, wie ich bin“, wird sogleich 24 Stunden pro Tag überwacht. Lehrern muss es erlaubt sein, in der Schule die Freunde-Bücher zu kontrollieren und Verdächtige melden, die dort das falsche Motto eintragen.

Es funktioniert einfach nicht, dass jeder so bleibt, wie er ist. Dies ist nicht die Zeit, in der Menschen ihre Individualität ausleben dürfen. Individualität ist gefährlich, sagen wir ruhig: Der freie Wille ist gefährlich. Die Preise bleiben ja auch nicht, wie sie sind, das geht ja auch immer gut. Erst wenn 50 Prozent der Menschheit ihren Lebensunterhalt damit bestreiten, Hautschuppen und gebrauchte Ohr-Tips verkaufen, ist diese Welt sicher.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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