Hundestrom, nein danke!

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Ich wohne in einem Dorf, in dem zwei zähnefletschende Hunde den Strom produzieren. Außerdem benutzte ich die Namen einiger traditioneller Handwerksberufe.

Wahrscheinlich wäre es nie soweit gekommen, wenn der Hund dem Bäcker nicht ins Bein gebissen hätte. Nicht die Sache mit den Schmetterlingen und erst recht nicht die Sache mit dem Schafkostüm. Und nicht die Sache mit meinem Nachbarn, der mir immer den Wecker ersparte, weil er stets um Punkt Sieben unter die Dusche stieg und jodelte.

Es fing damit an, dass dieser Mann ins Dorf kam und sagte, er bringe uns billigen Strom. „Ich habe zwei Hunde, die lasse ich abwechselnd in einem Rad laufen, und das treibt einen Dynamo an.“ Es sei alles ganz einfach, das Rad mit den Hunden stehe in einem Käfig, wir müssten sie nur ab und zu füttern und ihm ab und zu einen Geldbetrag überweisen. Die Dorfbewohner überlegten nicht lange und stimmten zu.

Am nächsten Tag kam der Mann mit einem Lastwagen zurück. Mit zwei Mitarbeitern baute er ein Laufrad auf und stellte einen Käfig herum. Wir alle sahen gespannt zu. Dann holte er die Hunde. Die Bestien. Schwarz wie Pech. An eisernen Ketten zerrte er sie in den Käfig, sie bellten, sie fletschten die Zähne, der Mann hielt sie kaum unter Kontrolle. Einige Kinder weinten.
„Mama, die Hunde…“
„Sei ruhig Kind, es ist das beste so.“

Und dann floss der Strom. Billig. Reibungslos. Die Hunde liefen und liefen. Und sie bellten und bellten. Der, der nicht lief, sprang wild an den Gitterstäben entlang. Niemand kümmerte sich darum. „Der Käfig ist so massiv“, sagten die Dorfbewohner.

Dann kam der Tag, an dem einer der Hunde dem Bäcker ins Bein biss. Der Bäcker war am Käfig vorbeigelaufen, seine Jeans streiften die Gitterstäbe, der Hund sprang herbei, quetschte sein Maul zwischen zwei Stäben hindurch und biss zu. Das war der Tag, an dem die Dorfbewohner begannen, sich Sorgen zu machen. „Sind wir noch sicher?“ fragten die ersten. Sie gingen zu dem Mann. Er sagte „Hier ist ein Gutachten, der Käfig ist sicher. Der Bäcker hätte nur nicht so nahe am Käfig vorbeilaufen sollen.“ Das beruhigte sie nicht. Also baute der Mann um den ersten Käfig einen zweiten Käfig.

Damit waren die Bewohner solange zufrieden, bis eines Tages der Metzger entdeckte, dass der eine Hund in den äußeren Käfig vorgedrungen war. „Dafür habe ich ja zwei Käfige aufgestellt“, sagte der Mann, „falls der eine mal nicht funktioniert.“ Diese Erklärung reichte einigen Dorfbewohnern nicht. Sie hatten in der Zeitung gelesen, dass es eine Alternative zu den Hunden gab. „Wir können genauso gut weiße Schmetterlinge nehmen“, sagten sie. Einige schlossen sich ihnen an, kauften ein Laufrad und Schmetterlinge, dann floss der Strom.

Wenige Tage später passierte etwas, das fast alle Dorfbewohner zu den neuen Stromproduzenten überlaufen ließ. Der Schmied saß in seiner Schmiede, als einer der Hunde auf ihn stürmte. Der Schmied, in Todesangst, griff nach seinem Hammer und erschlug den Hund. Der Mann kaufte einen neuen Hund, die Kunden aber liefen ihm weg. Die Schmetterlinge erschienen den Dorfbewohnern sicherer.

Dann kam der Mann auf die Idee, die Hunde in Schafkostüme zu packen. „Seht ihr“, sagte er, „die Hunde sind doch gar nicht so gefährlich. Im Grunde sind sie harmlos.“ Dann baute er noch einen dritten Käfig um den zweiten Käfig. Die Dorfbewohner lachten über den Mann, doch nach einer Weile vergaßen sie, dass in den Schafkostümen Hunde steckten und sie betrieben ihren Fernseher und ihren Kühlschrank wieder mit dem Strom, den die Hunde produzierten. Der Mann überzeugte sogar einige Familien davon, gleich neben dem Käfig ihr Haus zu bauen.

Eines Tages wachte ich um halb neun auf. Mein Nachbar hatte nicht gejodelt. Zum ersten Mal, seitdem wir Nachbarn waren. Ich stand auf, ich tapste in die Küche, holte mir die Milchtüte aus dem Kühlschrank, setzte mich auf die Terrasse. Dann hörte ich das Knurren. Zwei Meter hinter meinem Rücken.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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