Immer wieder sonntags

Jogis Tagebuch 4 Heute berichtet Jogi, wer mit Butterkeksen in den Zoo gestapft ist. Außerdem erklärt er, warum der Busfahrer wichtiger ist als Bierhoff und Wolfgang Niersbach
Immer wieder sonntags

Illustration: der Freitag

Sonntag, 10. Juni

Die beste Erfindung des Katholizismus ist der Sonntag. Auch wenn sich mir ansonsten der Sinn des Katholizismus auch 50 Jahre nach dem Erstkontakt nicht erschlossen hat. Am Sonntag darf man machen, was man will, sogar nichts, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen.

Meine Mannschaft hat das auf unterschiedliche Art genutzt. Philipp ist gleich nach dem Frühstück mit einer Packung Butterkekse und zwei Trinkpäckchen Richtung Danziger Zoo aufgebrochen, Götze, Bender und Schmelzer im Schlepptau. Ich hörte ihn noch sagen: „Die sollen auch eine ganz tolle Rutsche dort haben.“ Mario Gomez ließ seinen Friseur einfliegen, der nur die Hände über dem Kopf zusammenschlug und ihm vorwarf, seinen Schnitt für einen einfachen Führungstreffer geopfert zu haben. Mario gab sich zerknirscht. Manuel steckte sich bloß einen Eisbeutel in den Schritt und blieb die ganze Zeit auf seinem Zimmer liegen. Per Mertesacker schmierte Zahncreme unter Mats Hummels Türklinke. Boateng… ach keine Ahnung, der hat glaube ich gleich durchgeschlafen. Özil und Khedira hingegen schickte ich nach ihrem spielfreien Samstag erstmal zum Laufen in den Wald.

Ich tat das, was ich an solchen Tagen immer tue. Mit Hansi auf meinem Zimmer, mittelmäßige Flasche Wein und dann eine DVD gucken. In diesem Fall den 100-Jahre-Countdown, der an hohen Feiertagen immer auf Phoenix läuft. Ich liebe diesen dramatischen Ton von Christian Brückner („Die Welt stand am Abgrund… es war ein regnerischer Dienstag, als sich die beiden Staatsmänner auf einem Boot trafen, um das Schicksal des Universums zu besprechen… niemand glaubte mehr, den Krieg aufhalten zu können“) und ich stellte mir vor, wie ich dort eines Tages auftauchen würde. „Es war ein sonniger Tag im Juli…angetrieben von ihrem Taktikgenie Jogi Löw versöhnte die deutsche Mannschaft 80 Millionen Bundesbürger mit dem Weltmeistertitel.“

Hansi hat eine dritte Person in unsere Weinrunde einführt. Unser Busfahrer Wolfgang hat hier relativ wenig zu tun, weil die Organisatoren der EM jedem Team einen Fahrer stellen. Wir haben ihn aber trotzdem mitgenommen, weil seine Frau und er meinten, dass die drei Wochen Abstand schon fest eingeplant gewesen wären. Wolfgang fährt die Mannschaft schon seit 20 Jahren, und ich bin ja froh um jeden Erwachsenen in meiner Nähe, der nicht Oliver Bierhoff heißt. Mir ist immer noch nicht klar, welche Aufgaben der beim DFB hat, außer auf Pressefotos zu weit in der Mitte zu stehen. Busfahrer hingegen sind generell in Ordnung, weil sie wissen, dass ihr Verantwortungsbereich jenseits der Bustür endet. Die meisten hier im Tross fühlen sich ja zu Höherem berufen, wie zum Beispiel Wolfgang Niersbach, der sich ja schon alleine dadurch disqualifiziert, dass er Düsseldorfer ist, eine Stadt, deren Fußballfans nicht mal wissen, wann ein Fußballspiel endet.

Aber Busfahrer Wolfgang ist mir an Herz gewachsen. Außerdem weiß er immer, wo wir Alkohol herbekommen. Das ist deshalb wichtig, weil unserem Koch der hohe Weinkonsum aufgefallen ist. Er ist so ein Fanatiker, der findet, dass auch ich während des Turniers ein Vorbild sein sollte. Nun hat er den Alkoholschrank mit einem riesigen Vorhängeschloss gesichert. Zum Glück weiß er nichts von Wolfgangs Geheimfach im Bus.

Am Abend sind Hansi und ich dann mit dem Taxi rüber zum Stadion gefahren, um Italien gegen Spanien anzugucken. Wir hatten keine Lust, erkannt zu werden, also verkleidete ich mich als Rudi Völler und Hansi als Uwe Bein aka die Schnurrbärte des Grauens der Italia 90. Beim nächsten Mal nehmen wir Wolfgang als Raimund Aumann mit. Im VIP-Bereich sahen wir Gina-Lisa mit Silvio Berlusconi rumknuspern. Ich habe gleich ein Foto mit dem Handy gemacht und es an Boateng geschickt. Ein bisschen Spaß muss er doch vertragen.

Das Spiel haben wir nur am Rande verfolgt. Nach allem, was ich mitbekommen habe, gehört Spanien nicht mehr zu den Gegnern, die es ernstzunehmen gilt. Das ist ein bisschen schade, denn ich will doch im Finale nicht die Thekenmannschaft Real Tapas II besiegen. Ein großer Feldherr braucht einen großen Gegner. Sonst schafft er es nie auf Phoenix, sondern darf nur mit Jimi Blue Ochsenknecht auf Vox kochen.

Jogi Löw ist damit beschäftigt, Europameister zu werden. Sein geheimes Tagebuch muss unser Autor Sebastian Dalkowskischreiben. Der hält sich deshalb bis zum Ausscheiden der Nationalmannschaft für den Bundestrainer

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