Kapitalismus ist Kartoffelsalat

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ich nutze eine Lappalie im Internet zu einem Rundumschlag gegen die Marktwirtschaft. Alles nur, damit meine Mutter eine berühmte Regisseurin wird.

Ich muss mit zwei, drei groben Strichen den Kapitalismus in den Schmutz ziehen. Mir macht das Spaß, ich bin jung und noch darf ich.

Neulich stieß ich im Internet auf die Homepage des Filmstudios Paramount Pictures. Der Punkt „Häufig gestellte Fragen“ erhielt meine Aufmerksamkeit. Dort stellt Paramount Pictures sich selbst die Frage: „Kann ich meine Party bei Paramount feiern?“ Paramount Pictures bejaht diese Frage. Gut, dachte ich, wenn man schon so schöne Studios hat, sollen die Menschen das ruhig nutzen. Besser als Kegelbahn oder Partykeller.

Im Anschluss stellt Paramount Pictures sich die Frage: „Ich habe ein Drehbuch, das Sie mir abkaufen müssen. Wohin schicke ich es?“ Paramount antwortet: „Es tut uns leid, aber wir akzeptieren keine unangeforderten Drehbücher. Einsendungen per Post oder E-Mail werden zerstört, ohne gelesen zu werden.“

Das überraschte mich. Paramount findet es okay, wenn wildfremde Menschen zwischen seinen Kulissen Kartoffelsalat mit Würstchen essen, aber Drehbücher sehen sich die Leute da nicht einmal mit ihrem Hintern an, sondern werfen sie direkt in den Shredder. Dabei sind Drehbücher doch das Kerngeschäft eines Filmstudios, Kartoffelsalat mit Würstchen kommt erst an zwölfter oder achtundsiebzigster Stelle.

Dann machte es Pling in meinem Gehirn. Richtig, der Kapitalismus ist schuld. Für die Gelage bekommt Paramount viel Geld, für die Drehbücher hingegen muss Paramount jemanden einstellen, der diese Drehbücher liest. Also denken die sich: „Wir interessieren uns nicht für Ihre Drehbücher, aber haben Sie schon einmal unseren Kartoffelsalat probiert?“ Diese Haltung verurteile ich.

Natürlich sind die meisten Drehbücher Müll, die im Schredder landen. Es sind ja sogar die meisten Drehbücher Müll, die verfilmt werden. Aber was ist aus dem American Dream geworden, der besagt, dass jeder alles schaffen kann? Dieser Traum landet bei Paramount im Reißwolf. Vielleicht schreibt meine Mutter ein Drehbuch, sie hätte nun keine Chance mehr, ein berühmter Regisseur zu werden, weil Paramount lieber jemanden einstellt, der Drehbücher zerstört, anstatt jemanden, der Drehbücher liest. Das Problem ist, dass Zerstörung billiger ist als Aufbau, deshalb gibt es auf dieser Welt viel mehr Zerstörung als Aufbau. Ich glaube zwar nicht, dass meine Mutter ein gutes Drehbuch schreiben kann, aber das spielt für Paramount keine Rolle.

Es gibt aber eine Möglichkeit, Paramount ein Schnippchen zu schlagen. Es müssen nur sehr viele mitmachen. Angenommen, Paramount zershreddert wirklich alles, was nur nach Drehbuch aussieht. Wer keinen Aktenvernichter besitzt, steckt seine sensiblen Papiere einfach in einen Umschlag, schreibt „Drehbuch“ drauf und schickt sie zu Paramount.

Wer seinen kompletten Papiermüll loswerden möchte oder die Waschmaschine oder den alten Rasenmäher, steckt alles in einen Karton, schreibt „Drehbuch zu Krieg und Frieden“ drauf und stellt den Karton vor Paramounts Haustür. Niemand wird Verdacht schöpfen und Paramount, der Idiot, shreddert kostenlos. Irgendwann müsste das Unternehmen so viele Leute zum Zerstören von Drehbüchern einstellen, dass sein Plan, Geld zu sparen, ihm das Gegenteil beschert hätte.

Um ehrlich zu sein: Ich denke, der Plan geht nicht auf. Die Zahlenmenschen von Paramount haben diese Entwicklung längst auf dem Zettel. Hinter den Kulissen läuft sicher schon der Umbau zum größten Müllvernichtungsunternehmen der Welt.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden