Madoff - vom Gefängnis in die Traufe

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Ich stelle mir vor, was Bernard Madoff in 150 Jahren machen wird, nachdem er seine Strafe abgesessen hat. Das endet natürlich knochenhart.

Bevor Bernard Madoff an einem heißen Juni-Tag im Jahr 2159 seine Gefängniszelle im Metropolitan Correctional Center New York für immer verließ, umarmte er seinen Wächter. „Ich werde dich vermissen“, sagte Madoff, „und unsere nächtlichen Pokerrunden. Was haben wir da alles weggesoffen.“

Dann stand er draußen. 150 Jahre nach seiner Verurteilung war er wieder frei. 150 Jahre, die er ausschließlich dazu genutzt hatte, ein besserer Mensch zu werden. Was draußen passierte, hatte ihn nicht interessiert.

Die ersten Schritte in Freiheit fühlten sich gut an. Er kam an einen Zeitungskiosk. Alle Zeitungen hatten dieselbe Schlagzeile „Letzter Weltstar des Pop gestorben“. Madoff hatte noch nie von diesem Kerl gehört. Er kaufte eine Zeitung und las, dass er an Herzversagen gestorben war. Die Umstände waren unklar. Seine Songs waren sofort wieder in die Top 10 gestiegen, Menschen campierten vor seiner Villa, um seinen aufgebahrten Leichnam zu sehen, die Studios prügelten sich um die Verfilmung seines Lebens.

Madoff schüttelte den Kopf und ging weiter. Es war Mittag geworden. Madoff lockerte den Knoten seiner Krawatte und setzte sich auf eine Bank neben eine Frau.
„Diese Hitze ist ja unerträglich“, sagte er.
„Na ja, der Klimawandel.“
„Nun ja, Holland wird wohl noch nicht überflutet sein.“
„Sie lesen wohl keine Zeitung? Holland ist schon vor 50 Jahren überschwemmt worden und nach Deutschland gezogen. Bald müssen aber beide Länder nach Österreich.“
„Haben die Politiker es noch nicht hinbekommen, die Emissionen zu senken?“
„Die diskutieren noch.“

Madoff verabschiedete sich und machte sich wieder auf den Weg. Er kam an einer Fabrik vorbei. Der Parkplatz vor dem Gebäude war leer, nur ein Mann stand vor dem Eingangstor.
„Was ist los?“ fragte Madoff, „arbeitet hier niemand?“
„Sie kommen wohl nicht von dieser Welt.“
„Wieso?“
„Na die Finanzkrise ist Schuld. Seitdem sich da vor ein paar Monaten dieses Unternehmen verspekuliert hat, geht es abwärts.“
„Hat die Politik denn vorher keine Maßnahmen ergriffen, um so etwas zu verhindern?“
„Nein.“
„Beantworten Sie mir noch eine Frage. War häufig von Casino-Kapitalismus die Rede?“
„Ja.“

Eine Viertelstunde später klopfte Madoff an das Gefängnistor. Ein Wächter öffnete.
„Ich will zurück ins Gefängnis.“
„Wie lange?“
„Noch mal 150 Jahre… nein, sagen wir für immer.“

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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