Mein Hass ist unendlich, Lara Fritzsche

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ich gehe mit einem Sakko ins Büro und erlebe Hysterie wie bei den Beatles. Danach macht mir mein Kindheitstraum schlechte Laune.

Gestern habe ich Leute in Schwingungen versetzt. Einige waren sexueller Art. Alles, was ich tat, war zum ersten Mal in meinem Leben ein Sakko zu tragen. Es ist ein braunes Cordsakko und es sitzt gut. Das gebe ich zu.

Auf der Arbeit grüßten die Leute mich nicht mit „Grummelgrummel“, sondern mit „Schickes Sakko“ oder „Das Sakko steht Ihnen aber gut“. Eine Kollegin stellte sich neben mich, als ich vor meinem Computer saß.
Ich fragte: „Ja?“
Sie antwortete: „Ich gucke nur, was du machst.“
Dabei machte ich gar nichts. Später sagte sie mir: „Du siehst heute echt gut aus. Wirklich.“
Ich sagte: „Das glaube ich dir.“

Wenn es einen Weltrekord im Schnellhassen gibt, dann halte ich ihn. Niemand hasst so schnell wie ich, ich hasse schneller als mein Schatten. Mein Opel Hass tankt am liebsten Neid bleifrei.

Gestern las ich im Internet: „Lara Fritzsche (25), tritt zum 1. November 2009 in die NEON-Redaktion ein.“ Ich kannte diese Lara Fritzsche nicht, aber dieser eine Satz reichte, um sie zu hassen wie einen afrikanischen Despoten. Was vor allem daran lag, dass ihr Name da stand und nicht meiner, und dass sie ein Jahr jünger ist als ich.

Mit 15 Jahren beschloss ich, ein Wunderkind zu werden und noch vor meinem 18. Lebensjahr einen Roman zu veröffentlichen. Dann kam dieser Benjamin Lebert, auch 15, mit seinem Welterfolgsbuch „Crazy“. Die schweren Umschläge hingegen, die ich an die Verlage schickte, kamen mit demselben Gewicht wieder zurück.

Als ich 18 wurde, beschloss ich, wenigstens noch in meinen 20ern berühmt zu werden mit dem, was ich schreibe. Und dann kommt diese Lara Fritzsche. Sie hat ein Buch veröffentlicht über Abiturienten, sie hat Preise gewonnen, sie hat für alle möglichen Medien geschrieben: Zeit, Geo, Zürcher Zeitung, Philadelphia Inquirer.

Und der Neon-Chefredakteur Michael Ebert sagt: "Wir freuen uns außerordentlich, mit Lara Fritzsche eine junge und gleichzeitig erfahrene und renommierte Autorin fest in unserer Redaktion zu begrüßen." Hallo, Herr Ebert, ich bin es, denn Sie suchen.

Ich hingegen bekam neulich einen Brief, dass ich diesen Journalistenpreis leider nicht… vielen Dank. Das ist alles neues Benzin für meinen Opel Hass. Mit dem bin ich gerade in den Marianengraben der guten Laune gerast.

Ich habe nun zwei Möglichkeiten: Ich verfolge weiter meinen Traum, ein berühmter Schreiber zu werden, während Lara Fritzsche den Pulitzer-Preis gewinnt und Benjamin Lebert den Literaturnobelpreis - und mein größter Fan bleibt die Person, die mich auf die Welt gebracht hat. Oder aber ich tue das, was ich am besten kann: Sakkos tragen.

Und nicht nur das. Ich kann noch etwas Anderes herausragend: Schokoladenkekse an Kollegen verteilen. An manchen Tagen bin ich mit nichts anderem beschäftigt. Jeden Mittag fragen sie: „Hast du Kekse mitgebracht?“
Sie fragen nicht: „Hast du wieder eine Reportage geschrieben? Ist die neue Kolumne schon fertig?“ Alles, was sie wollen, sind Kekse.

Und das ist die Idee: Ich ziehe mein braunes Cordsakko an, dann gehe ich ins Büro und verteile Schokoladenkekse. Das führt zu einer Hysterie wie Elvis und die Beatles zusammen live im Wembleystadion.

Jeder, was er kann, Lara Fritzsche.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden