Meine Lakaien

Jogis Tagebuch 8 Heute berichtet Jogi, mit wem Gina-Lisa Lohfink sich diesmal unterhielt und was er Hansi Flick während des Trainingsspiels zwischen Spanien und Irland gestand
Meine Lakaien

Illustration: der Freitag

Donnerstag, 14. Juni

Die wichtigste Aufgabe eines Fußballtrainers ist es, sich möglichst viele Spieler gefügig zu machen. Das erspart ihm, die lästigen Dinge des alltäglichen Lebens selbst zu erledigen. Boateng besorgt mir den Alkohol, wenn Busfahrer Wolfgang keinen mehr hat, damit er das Nachtleben genießen darf. Mertesacker hat die völlig aus der Luft gegriffene Hoffnung, noch eine Minute bei diesem Turnier zu spielen. Er räumt deshalb mein Zimmer auf und besorgt mir DVDs auf dem Danziger Schwarzmarkt. Dazu kommen diese ganzen Bankdrücker, die ich allein schon deshalb nicht einwechseln kann, weil ich ihre Namen nicht kenne. Im Training nenne ich sie bloß „Du da“ oder „Nein, du“. Neu im Klub der willigen Helfer ist Lukas Podolski, der genau weiß, dass er auf meiner Abschussliste steht. Jedem Journalisten sollte klar sein, dass ich das nicht positiv meine, wenn ich über einen Offensivspieler sage „Aber er hat gut nach hinten gearbeitet“. Nun versorgt er mich mit Schokolade und Kartoffelchips aus dem Supermarkt, da unser fieser Streberkoch alle Süßigkeiten verboten hat.
„Zwei Tüten habe ich gesagt, Lukas, sonst wird das nichts mit dem 100. Länderspiel.“
„Klar Trainer, ich geh gleich nochmal los.“

Gerade hatte ich mich mit der Schokolade auf dem Bett niedergelassen, um endlich die DVD-Box „Die großen Diktatoren“ anzufangen, als mein Handy klingelte.
„Graf von Löw.“
„Ja hallo, Herr Löw, hier ist Erich Ribbeck. Ich wollte Ihnen ganz herzlich nachträglich zum Geburtstag gratulieren… ach ne, das war ja ich, der gestern 75 geworden ist. Vielen Dank auch.“
„Und warum rufen Sie dann an? Überhaupt… Ribbeck... Ribbeck? Helfen Sie mir doch mal auf die Sprünge.“
„Bundestrainer, EM 2000, Paulo Rink… Herr Löw, Sie brauchen mich gar nicht so abschätzig behandeln. Ich habe einen großen Verdienst daran, dass die Nationalmannschaft heute so ist, wie sie ist. Bei mir fing das alles an.“
„Das wäre ja so, als würde Hitler sich als Gründervater des Staates Israel bezeichnen.“
„Ähem… hallo? Eine Nummer kleiner haben Sie es wohl nicht.“
„Wann sind Sie eigentlich zuletzt gewendet worden?“
„Das lasse ich mir nicht bieten.“
„Herr Ribbeck, nicht mal Ihre Frau hat an Ihren Geburtstag gedacht, oder?“
„Ich muss jetzt auflegen.“

Abends gingen Hansi und ich ins Danziger Stadion, um uns die Hinrichtung der Iren durch die Spanier anzusehen und um Boateng zu berichten, mit wem seine Gina-Lisa wieder über Eurokrise und Kant diskutierte. Das brauchten wir aber nicht, denn es war Boateng selbst.
„Trainer, kann nachher später werden. Okay?“
„Klar, man ist nur einmal jung“, sagte ich. „Aber vergiss die Kondome nicht. Du bist nicht der erste, der seine Angel in ihren Teich wirft.“
„Selbstverständlich, Trainer.“
„Wir sind nur gute Freunde“, fauchte Gina-Lisa dazwischen.
Ach ja, der Jerome. Schön, dass es wieder einen Mario Basler im Team gibt.

Auf dem Spielfeld absolvierten die Spanier gerade ein paar lockere Trainingseinheiten, es stand bereits 4:0. Mit Zufriedenheit stellte ich fest, dass Spanien wieder zu der Weltmacht wurde, die ich mir als Gegner vorgestellt habe. Da stimmten die irischen Fans einen Gesang an, weil sie schon stolz auf ihre Mannschaft waren, dass die sich überhaupt für die Europameisterschaft qualifiziert hatten. Es breitete sich im ganzen Stadion aus, und mir stellten sich die Nackenhaare auf. Ich blickte zu Hansi hinüber, dem auch schon der Pippi in den Augen stand.
„Hansi“, sagte ich, „du, ich möchte dir etwas sagen.“
„Was denn, Jogi?“
Er blickte mich erwartungsvoll an.
„Hansi, du bist für mich so viel mehr als der Typ, der in der Halbzeit die Auswechslungen durchgibt.“
„Etwa ein Freund?“
„So weit würde ich nicht gehen, aber mindestens ein guter Bekannter. Sollen wir mal Handynummern austauschen?“
„Oh ja.“
Es war ein so wunderbarer Moment, und die Sonne versank in der Ostsee.

Als wir dann mit dem überfüllten Linienbus zurück ins Hotel fuhren, fauchte ich Hansi an. „Du stehst auf meinem Fuß, du dämlicher Idiot. Ach ja, und nur fürs Protokoll: Ich habe dir die falsche Handynummer gegeben.“

Jogi Löw ist damit beschäftigt, Europameister zu werden. Sein geheimes Tagebuch muss unser Autor Sebastian Dalkowski schreiben. Der hält sich deshalb bis zum Ausscheiden der Nationalmannschaft für den Bundestrainer

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