Merkel und Steinmeier – die Telefonaffäre (2)

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Ich lasse in dieser Woche Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier jeden Abend miteinander telefonieren. In der zweiten Folge denkt der Außenminister darüber nach, aus der Politik auszusteigen. Angela Merkel nicht.

Das Handy von Angela Merkel klingelt.

Angela Merkel: Ja, Merkel.
Frank-Walter Steinmeier: Hallo Frau Merkel, ich bin‘s.
Merkel: Mit wem spreche ich?
Steinmeier: Ich bin es, Frank-Walter Steinmeier.
Merkel: Achso, Sie sind das. Warum melden Sie sich nicht einfach mit Ihrem Namen?
Steinmeier: Allmählich sollten Sie mich doch an der Stimme erkennen. Ich habe doch so einen schönen Bass.
Merkel: Den Bass höre ich nie, was zählt ist die Leadgitarre. Den Bass bemerkt man nur, wenn er nicht da ist. Die Gitarre hingegen auch, wenn sie da ist. Das ist der Unterschied.
Steinmeier: Haben Sie gerade einen Witz auf meine Kosten gemacht?
Merkel: Davon sollten Sie ausgehen.
Steinmeier: Oh.
Merkel: Was kann ich denn heute für Sie tun?
Steinmeier: Ach, ich sitze gerade im Auto. Gleich sind wir aus Nürnberg raus. Ich habe eine schöne Rede gehalten. Jetzt bin ich auf dem Weg ins Saarland.
Merkel: Wie auch immer Sie schön definieren… ich war in Mainz auf dem Marktplatz. Das hätten Sie sehen müssen. Und gleich geht’s zurück nach Berlin.
Steinmeier: (seufzt)
Merkel: Herr Steinmeier?
Steinmeier: (seufzt)
Merkel: Herr Steinmeier!
Steinmeier: Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich diesen Wahlkampf hasse. Jeden Abend auf einem anderen Marktplatz und dann noch einen heben mit dem Ortsverein.
Merkel: Ich will nicht leugnen, dass auch ich keine Lust mehr habe – und im Gegensatz zu Ihnen freuen sich die Leute ja, mich zu sehen. Ich sage der Kellnerin in der Kneipe immer, sie soll mir was einschütten, was wie Bier oder Wein aussieht. Sonst heißt es „Skandal: Merkel nicht trinkfest“.
Steinmeier: Manchmal frage ich mich, wozu ich das überhaupt mache… Reden, Fernsehduelle, Plakate…
Merkel: Aber Herr Steinmeier.
Steinmeier: Na ja… am Ende gewinnt der mit der besten Frisur, den besten Sprüchen und wer im Fernsehen am wenigsten schwitzt.
Merkel: Wer die beste Frisur hat, wissen wir ja und, wenn ich das so sagen darf, beim TV-Duell war ihr Schweißgeruch eine Waffe.
Steinmeier: Frau Merkel, hören Sie mir überhaupt zu? Ich bin in einer Sinnkrise und Sie reden über Ihre Frisur und meine Schweißflecken.
Merkel: Herr Lafontaine ist wegen seiner Sinnkrise überhaupt in die Politik zurückgekehrt. Hi hi.
Steinmeier: Nicht schlecht, Frau Merkel, nicht schlecht. Aber mal im Ernst: Manchmal denke ich… Parteien… Parteien… wer braucht das schon?
Merkel: Wollen Sie den Kommunismus einführen oder die Monarchie? Sie wissen ja, dass ich das Gespräch mitschneide. Parole Rüttgers.
Steinmeier: Nein, ich will nichts einführen. Ich denke nur manchmal, da regieren wir vier Jahre zusammen und nur weil wir in verschiedenen Parteien sind, müssen wir uns plötzlich wieder blöd finden, weil der Wahlkampf begonnen hat. Und die anderen Parteien müssen wir sowieso immer blöd finden. Dabei finde ich doch manchmal gut, was die FDP sagt oder die Grünen oder die Linkspartei.
Merkel: Sie fangen an zu philosophieren. Das hat mit Politik nichts zu tun.
Steinmeier: Aber fragen Sie sich nicht auch manchmal, warum wir nicht einfach alle zusammenarbeiten anstatt gegeneinander? Einig sind sich die Parteien nur, wenn es darum geht, Terroranschläge zu verurteilen oder wenn Nazis einen Asylbewerber durchs Dorf jagen.
Merkel: Für irgendwas muss es Parteien ja geben.
Steinmeier: Vielleicht sollte ich einfach aussteigen. Was ganz anderes machen.
Merkel: Sie mögen ja Recht haben, aber dass Sie aufhören wollen, bezweifle ich. Denn wenn Sie aussteigen, dann war es das für Sie.
Steinmeier: Wie meinen Sie das?
Merkel: Na ja, wenn Sie einmal raus sind, dürfen Sie höchstens ab und zu um 23 Uhr in einer Polit-Show sitzen und die Leute denken, ach ja, den gibt es ja auch noch. Oder Sie bekommen einen Aufsichtsratsposten, den sie aber nicht bekommen, weil Sie so toll sind, sondern weil Sie Beziehungen in die Politik haben. Richtig, und eine Autobiografie schreiben Sie auch noch. „So wahr ich hier stehe“ oder „Die besten Jahre“ oder so.
Steinmeier: Mm.
Merkel: Aber um ehrlich zu sein – Sie erwartet das bereits in der nächsten Woche. Diese neuen Umfragewerte helfen Ihnen auch nicht weiter. Ihre Zeit in der vordersten Reihe der SPD ist abgelaufen. Erinnern Sie sich noch an John Kerry?
Steinmeier: (seufzt)
Merkel: Herr Steinmeier?
Steinmeier: Sie bauen mich aber heute auf.
Merkel: Ich bin ja nicht Ihre Mutter.
Steinmeier: (seufzt)
(flüstert zu seinem Fahrer: Fahren Sie bitte über München ins Saarland. Ich brauche ein großes Bier.)
Merkel: Mit wem haben Sie da gerade gesprochen?
Steinmeier: Nur mit meinem Fahrer. Ich sagte ihm, er soll nicht so schnell fahren. Ich lege dann mal auf. Ich muss noch was erledigen. Gute Nacht.
Merkel: Auf Wiederhören.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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