Merkel und Steinmeier – die Telefonaffäre (3)

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Ich lasse in dieser Wahl-Woche Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier jeden Abend miteinander telefonieren. In der dritten Folge verteidigt der Außenminister beinahe die Linkspartei. Angela Merkel nicht.

Das Telefon von Angela Merkel klingelt.

Angela Merkel: Ja, Merkel.
Frank-Walter Steinmeier: Hallo Frau Merkel, ich bin‘s.
Merkel: Guten Abend, Herr Steinmeier. Schon zurück von der Wahlkampfkundgebung aus Dortmund?
Steinmeier: Ja, liege noch auf der Couch und gucke mir diesen Max Giermann auf ProSieben an. Zu komisch, wie der alle parodiert. Hi hi.
Merkel: Wie gut, dass Sie sich immer selbst parodieren.
Steinmeier: Was sagten Sie?
Merkel: Ich sagte, haben Sie heute in Ihrer Rede wieder diesen Spruch gebracht?
Steinmeier: Welchen Spruch?
Merkel: Na den mit der Verkäuferin, der gekündigt wurde, weil sie Pfandbons für 1,30 Euro eingesteckt hat, während die Manager, die Millionen in den Sand setzen, dafür noch Millionen an Abfindung kassieren.
Steinmeier: Ja, das habe ich.
Merkel: Und auch, dass Unternehmen Millionen an CDU und FDP spenden und an Sie nur 3,40 Euro?
Steinmeier: Und wenn schon, es ist wahr.
Merkel: Sie nutzen die wirtschaftsfeindliche Haltung der Wähler aus, um Stimmen zu gewinnen.
Steinmeier: Dann erklären Sie doch mal, was falsch daran ist. Es ist schließlich wahr.
Merkel: Der reinste Populismus. Da können Sie ja gleich zu Ihrem Freund Oskar gehen, diesen Oberpopulisten.
Steinmeier: Herr Lafontaine ist nicht mein Freund.
Merkel: … sagte er und spekulierte schon darauf, mit Oskar an die Macht zu kommen.
Steinmeier: Ich möchte Ihnen einmal etwas sagen. Ich bin kein Freund der Linkspartei, jedenfalls kein großer, aber in was für einer Welt leben wir eigentlich, dass Parteien, die dem Menschen eine andere Welt in Aussicht stellen, sofort verleumdet werden?
Merkel: Bitte?
Steinmeier: Was genau stört uns an dieser Partei eigentlich? Dass sie etwas verspricht, was unrealistisch ist? Oder nicht etwa doch, dass sie etwas verspricht, was wir nicht wollen?
Merkel: Jetzt hören Sie schon auf. Die Linkspartei verspricht das Blaue vom Himmel, die reinsten Märchen, ach was sage ich – Lügen. Wer soll denn das bezahlen?
Steinmeier: Wir versprechen doch auch vieles. Zum Beispiel, dass wir die Wirtschaft stärker kontrollieren wollen. Das haben wir in zwölf Monaten nicht hinbekommen, das werden wir auch in den nächsten zwölf Monaten nicht hinbekommen.
Merkel: Das ist ja lächerlich.
Steinmeier: Oder nehmen Sie die Sache mit der Mehrwertsteuer. Vor der Wahl 2005 wollte die SPD sie nicht erhöhen, die CDU auf 18 Prozent. Und was kam raus? 19 Prozent. Offensichtlicher hätten wir nicht lügen können.
Merkel: Was wollen Sie damit sagen?
Steinmeier: Dass unsere Versprechen vielleicht nicht so überzogen sind, wir diese aber trotzdem nicht einhalten.
Merkel: Bitte?
Steinmeier: Und wenn ich jung wäre und voller Idealismus, dann würde ich auch nicht SPD wählen oder CDU. Dann würde ich eine Partei wählen, die eine Alternative anbietet.
Merkel: Das klingt fast so, als würden Sie doch mit der Linkspartei koalieren.
Steinmeier: Das werde ich sicherlich nicht machen. Aber wie verrückt ist das eigentlich, dass wir uns dafür rechtfertigen müssen, mit der Linkspartei überhaupt nur zu sprechen, während es niemand bedenklich findet, dass wir nichts gegen die FDP haben? Wir waren ja mal eine Arbeiterpartei, die FDP nicht so richtig.
Merkel: Die Linkspartei bleibt unwählbar, solange sie die Nachfolgepartei der SED/PDS ist.
Steinmeier: Ich habe keine Ahnung, wie viele alte SED-Mitglieder noch in der Linkspartei sind, aber es zählt, was sie jetzt sagen. Wir können nicht einfach behaupten, diese Partei ist gefährlich und das damit begründen, dass sie in der Vergangenheit SED hieß. Denn irgendwann sind diese alten Kader tot und wir müssen uns einen neuen Grund ausdenken, warum die Linkspartei gefährlich ist.
Merkel: Herr Steinmeier, Sie werden ja richtig laut. Sie brüllen ja geradezu.
Steinmeier: Ich argumentiere bloß.
Merkel: Ich mag es, wenn Sie lauter werden. Habe ich Ihnen das schon gesagt?
Steinmeier: Wirklich?
Merkel: Oh ja.
Steinmeier: Sie machen mich verlegen. Soll ich weiterbrüllen?
Merkel: Wenn Sie möchten. Ich hätte nichts dagegen.
Steinmeier: Soll ich weiter für die Linkspartei brüllen?
Merkel: Ja… oder nein, warten Sie. Brüllen Sie mir aus dem kommunistischen Manifest vor.
Steinmeier: Woher wollen Sie wissen, dass ich das zuhause habe?
Merkel: Sie waren doch auch mal Idealist.
Steinmeier: Nun ja… aber meine Frau schläft. Sie könnte aufwachen.
Merkel: Kneifen Sie etwa?
Steinmeier: Na ja… ich fühle mich nicht ganz wohl dabei. Ich glaube, ich gehe jetzt besser schlafen.
Merkel: Herr Steinmeier!
Steinmeier: Tut mir leid, ich kann das nicht.
Merkel: Sie alter Spielverderber.
Steinmeier: Schlafen Sie gut, Frau Merkel.
Merkel: (grummel)
Steinmeier: Was?
Merkel: Gute Nacht.

Angela Merkel legt den Hörer auf. Dann spult sie das Tonbandgerät einige Sekunden zurück, das die ganze Zeit neben ihrem Telefon gestanden hat und drückt auf die Play-Taste: „Ich habe keine Ahnung, wie viele alte SED-Mitglieder noch in der Linkspartei sind, aber es zählt, was sie jetzt sagen…“

Angela Merkel seufzt.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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